Rakshazar, das Riesland, für DSA. Die Republik Amhas

 

Die Republik Amhas hat sich längst zu einem mächtigen und ob seiner Sklaventreiberei gefürchteten Hegemon im Zentrum des nördlichen Rakshazar aufgeschwungen, der sich als einzig legitimer Nachfolger des untergegangenen Zweiten Marhynianischen Imperiums wähnt. Der Broktharstaat hat sich den Nimbus der Unbesiegbarkeit zugelegt. In ihren Schwarzen Rüstungen sind die ohnehin kampfstarken Amhasim nur sehr schwer zu schlagen. Lange schien es, als würden sie ihrem eigenen Anspruch, der sie zu einer Art Übermensch stilisiert, gerecht werden. Doch letztlich erwies sich dieser als Fassade, die deutliche Risse bekam, als ihre Sklaven rebellierten, aus Amhas flohen und als Angurianer zu ihren ärgsten Feinden wurden.

Die Republik Amhas, deren Herren Brokthar sind, folgt dem alten Amhas nach. Dieses war ein Menschenreich, gegründet von Überlebenden der Goldenen Horde, jener Armee des Namenlosen, die am Ende des Zehnten Zeitalters nach Aventurien zog, um die Hochelfenstadt Tie’Shianna zu zerschmettern. Es existierte bis in die aventurischen Dunklen Zeiten hinein. Das alte Amhas wurde im Aventurischen Boten Nr. 157, S. 13-17 vorgestellt. Details zu seiner Geschichte und seinem Untergang werden in der in Entstehung befindlichen Historia Rakshazars näher beleuchtet werden.

Die Kurzfassung sieht so aus, dass ein Kriegsfürst der Brokthar namens Bruthas oder Brutheus die alte Stadt Amhas eroberte, sie dem Erdboden gleichmachen ließ und befahl, unweit ihrer alten Position eine neue Stadt zu errichten, die Brokthar-Belangen besser zupass kommt. Die Eroberung von Amhas fand nur wenige Jahre nach dem Einschlag des Sterns von Selem im Jahr 106 v. BF statt, der auf aventurischem Boden das alte Elem verheerte. Ob es der Kometeneinschlag war oder die Zerstörung der alten Stadt Amhas, fest steht, dass irgendwann in dieser Zeit die Treppe nach Amhas, eine Dunkle Pforte, die bis dahin beide Städte miteinander verbunden hatte, ihre Funktion verlor.

Der historische Brutheus war gewiss eher ein großer Krieger als ein großer Denker. Doch Geschichte wird von Siegern geschrieben, und so stilisierten seine Nachfolger, die in den nächsten Generationen die amhasische Philosophie erschufen, ihn mehr und mehr zum Kriegerphilosophen, der in seiner Weisheit allein die Grundlagen des Staatswesens des heutigen Amhas ersonnen habe.

Mit Brutheus begann eine kurze Reihe von Broktharkönigen, die unter dem Einfluss der sich entwickelnden amhasischen Philosophie letztlich völlig kampflos einer republikanischen Regierungsform wich. Spätere Geschichtsschreiber postulierten einen amhasischen „Idealstaat“, zu dem die Monarchie so gar nicht passen wollte. Folglich tilgten sie die Existenz der Könige aus der Geschichtsschreibung, verklärten Brutheus zum „Kriegerphilosophen“ und behaupteten, er selbst habe die Republik gegründet. Auch das frühere, von dekadenten Magiern beherrschte Amhas tilgten sie aus der kollektiven Erinnerung der rakshazarischen Völker. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die fünf Bücher des Brutheus, die „Philosophie der kosmischen Ordnung“, auch nur in Teilen aus Brutas‘ eigener Feder stammen.

Die fünf Bücher gelten für heutige Amhasim als Pflichtlektüre. Ihre Kerngedanken, vor allem die natürliche Überlegenheit der Amhasim gegenüber allen anderen Kulturschaffenden, prägen bis heute die amhasische Gesellschaft. In einigen Punkten weichen moderne Auslegungen der Schriften allerdings von deren Ursprungsfassung ab. Diese leugnen zum Beispiel vehement die Existenz der Götter, welche unter heutigen Amhasim jedoch in aller Regel nicht bezweifelt wird.

Die Verehrung von Göttern fiel den Prämissen der neuen Gesellschaft zum Opfer. Die Amhasim glauben an ihre Existenz, doch die Unsterblichen sind für sie lediglich mächtige Wesenheiten, die von außen in die Welt eindringen – in diese und tausend andere; die Amhasim gehen wie die anderen Brotkhar von der Existenz zahlreicher Welten aus –, um Einfluss auf sie auszuüben, und sind für sie somit nicht anbetungs- und verehrungswürdig. Dreh- und Angelpunkt der Weltsicht der Amhasim ist vielmehr die Frage, welche Lebensweise dem Ram – einer energetischen Eigenschaft, die jedes Lebewesen besitzen soll – am ehesten zuträglich ist. Nach dieser Lehre schreiben sie sich selbst eine überlegene Physis und Psyche, technische, politische und kulturelle Überlegenheit zu. Damit sehen sie sich an der Spitze einer Hierarchie, die sie zu den natürlichen Herrschern über die anderen Völker macht.

Folgerichtig haben sie die Praxis der Sklavenhaltung 1:1 von der Vorgängersiedlung übernommen, nur dass die Menschen künftig auf der anderen Seite der Ketten standen. Die Amhasim sind eine der größten Sklavenhalternationen des Kontinents und kennen bei der Rekrutierung neuer Arbeitskräfte wenig Skrupel. Ein starkes Ram, so glauben sie, garantiere die Wiedergeburt als Wesen von mindestens gleichwertigem Rang. Ein schwaches Ram hingegen könne dazu führen, dass sich der Versager im neuen Leben im Körper eines der niederen Wesen wiederfindet. Der heute so zentral wirkende Gedanke der Rassenhierarchie steht in den Brutheus zugeschriebenen Schriften eher im Hintergrund. Die Philosophie der kosmischen Ordnung hatte bei seinem Aufkommen bereits zu viel Verbreitung gefunden, als dass es noch möglich gewesen wäre, sie auch in diesem Punkt einer umfangreichen Geschichtsklitterung zu unterziehen.

Zu den Aspekten, die von der alten Zivilisation der Amhasier übernommen wurden, zählt auch die Technik der Eisenherstellung, die bis in die Gegenwart hinein die Überlegenheit von Amhas sichert. In die Philosophie des Chutram sind viele Lehrsätze der alten Amhasier und vor allem der Amhastalan eingeflossen.

Irgendwo im Zuge dieser epochalen Umwälzungen muss auch das aus dem Alt-Broktharischen entwickelte Amhasa als eigenständige Sprache entwickelt worden sein.

 

 

Die Stadt Amhas

Amhas, Stadt am Totenwasser, die durch den Kriegerphilosophen Brutheus begründete Nachfolgesiedlung des alten Amhas, Heimat der rund 100.000 Amhasim-Brokthar und ihrer unzähligen, mehr als 230.000 Sklaven.

Nicht einmal der Name Yal-Mordais verbreitet so viel Angst und Entsetzen. Schon von Weitem kann man die wunderbaren, mit Ornamenten und Glyphen überzogenen Kuppeln, welche die Metropole krönen, in der Sonne glä­nzen sehen. Doch die Meisten, die hierherreisen, können diesen wahrhaft erhabenen Anblick nicht genießen, haben sie doch ihre Reise nicht freiwillig angetreten. Amhas wird nicht nur Stadt der Kuppeln, sondern auch Stadt der Sklaventreiber genannt. Tagtäglich kehren die in unheimliche schwarze Rüstungen gehüllten, auf scheußlichen Echsen reitenden Sklavenjäger der Amhasim mit reicher Beute in die Stadt zurück. Begleitet werden sie von übelstem, skrupellosem Abschaum, der ihnen als Helfer dient, und von großen Wagen mit Käfigen, in denen die Unglücklichen eingepfercht wurden, welche in die Fänge der eisäugigen Jäger geraten sind. Hoffnung darauf, ihre Freiheit wiederzuerlangen, gibt es für die meisten von ihnen nicht.

Die Zivilisation der Amhasim ruht auf den Schultern hunderttausender von Sklaven, die in der Stadt, auf den Feldern und Plantagen oder in den Minen zu härtester Schufterei gezwungen werden. Das Reich Am­has beherrscht das Land im Umkreis von etwa zweihundert Meilen. Die unzähligen Felder und Plantagen liegen direkt um Amhas herum und sichern die Ernährung der Stadt. Die Sklaven leben hier in kolchosenartigen Gemeinschaften, bewacht von amhasischen Aufsehern.

Das dominanteste Landschaftsmerkmal ist das „Totenwasser“ genannte, seit dem Kataklysmus nahezu sterile und von toxischem Schwarzen Wasser durchzogene Binnenmeer, welches nicht vermuten lässt, dass das Umland im Übrigen aus frucht­barer Kultur­land­schaft besteht. Innerhalb des Totenwassers gibt es etliche kleine Inseln, schroff und steinig, teils karg und ohne Leben, teils stark bewaldet. Einige von ihnen bieten Korsaren oder entflohenen Sklaven Unterschlupf, aber auch die Amhasim selbst haben hier Besitzungen. Dazu zählen die Gefängnisinsel Am­ha­traz und die Festungsinsel Amhalta.

Das Toten­wasser wird von den Galeeren der Amhasim befahren, welche mal gegen die Korsaren zu Felde ziehen, mal Geflüchtete einzufangen versuchen, vor allem aber nach Norden rudern, um die Eisenminen mit Personal und Material zu beliefern und das Roheisen abzuholen. Das Marhamal-Gebirge, auch Feuerberge genannt, liegt nördlich des Binnenmeers und trennt es von der Aschewüste. Hier finden sich gewaltige Eisenvorkommen und eine große Straf- und Sklavenkolonie. Zahlreiche Stollen wurden tief in die Berge hineingetrieben, um das be­gehrte Roheisen zu fördern. Die Bergarbeit wird dabei von den Sklaven durchgeführt, die Amhasim selbst fungieren über­wiegend als Aufseher.

Tief unter den Eisenbergen leben zahlreiche Troggling-Sippen, welche das Wirken der Amhasim und ihrer Sklaven als Übergriff auf ihr Territorium betrachten. Viele davon liegen mit den Amhasim im Krieg, andere wurden versklavt und zur Arbeit in den Minen gezwungen. Die Minen liegen zudem in relativer Nähe zur Stadt Ronthar, dem Erzfeind von Amhas, weshalb es hier immer wieder zu Grenzstreitigkeiten, Scharmützeln oder sogar ausgedehnten Gefechten kommt. Die Amhasim unterhalten deshalb in den Feuerbergen einige ausgedehnte, teils innerhalb der Berge in ehemaligen Stollen gelegene Festungsanlagen.

Bemerkenswerterweise erledigen viele der Versklavten ihre Aufgaben mit freudigem Eifer. Vor allem diejenigen, deren Familien schon seit Generationen in Amhas leben, sind zutiefst vom Glauben an die Philosophie der kosmischen Ordnung durchdrungen und verehren die Amhasim als höhere Wesen. Sie sind davon überzeugt, dass es eine Ehre ist, für ihre bleichhäutigen und hochgewachsenen Herren zu arbeiten, bis sie im wahrsten Sinne des Wortes tot umfallen. Probleme bereiten vor allem Neuankömmlinge. Die Amhasim versuchen, aufsässige Neuzugänge mit einer Mischung aus Missionierung, Gehirnwäsche und dem Einsatz geheimnisvoller Drogen zu loyaler Arbeit zu zwingen. Wo das nicht funktioniert, sorgt brutale Gewalt für den nötigen Gehorsam.

 

Architektur

Die Architektur von Amhas ist ein Spiegel der strikten Hierarchie der Gesellschaft. Die Stadt teilt sich in drei kreis­förmige Sektoren: die Außenbezirke, den Mittleren und den Inneren Ring, der auch Oberstadt genannt wird. Ihre Struktur erinnert somit an das alte Amhas, das zu Zeiten des Kriegerphilosophen Brutheus geschleift worden ist.

 

Äußerer Ring – Lager der Neuankömmlinge und Stahlverarbeitung

In den Außenbezirken, gleich hinter den titanischen Stadtmauern, finden sich Eisenhütten, Stahlöfen, Schmieden und Indoktrinations­lager für frisch gefangene Sklaven. Die qualvollen Schreie der Gefolterten sind im Umfeld der Stadtmauer überall zu hören. In den Lagern werden die Opfer der Amhasim auf ihr zukünftiges und in der Regel sehr kurzes Leben vorbereitet. Mit einer Mischung aus Überzeugungsarbeit und schierer Brutalität wird ihnen jeder Wille zum Widerstand ausgetrieben. Zu diesem Zweck kommen alchimistische Mittel zum Einsatz, die dem kargen Essen der Gefangenen zugesetzt werden. Ist der Wille der Neuankömmlinge gebrochen, werden die meisten von ihnen über das Totenwasser in die gefürchteten Eisenminen gebracht.

Der Dienst in den Eisenhütten, Schmieden und Stahlöfen ist privilegierteren Sklaven vorbehalten, welche unter Anleitung von Amhasim-Alchimisten das Produkt des bestgehüteten Staatsgeheimnisses von Amhas herstellen: Den amhasischen Stahl. Peinlich genau achten die Alichimisten darauf, dass keiner der hier arbeitenden Sklaven einen Gesamt­über­blick über den Prozess der Stahlherstellung gewinnen kann. Vielen der Sklaven wurde vorsichtshalber die Zunge herausgeschnitten, damit sie eventuelle Erkenntnisse nicht weiterreichen können.

Die Außenbezirke der Stadt gleichen einer üblen Hölle, aber je näher man dem Zentrum der Stadt kommt, desto besser werden die Lebensbedingungen. Im Mittleren Ring sind sie zwar immer noch schlecht, aber besser als in den Lagern der Neuankömmlinge. Hier leben die loyalen Anhänger der Amhasim. Die hiesigen Sklaven sind fest davon überzeugt, dass ihre Halter nur das Beste für sie wollen und dass das Leben, das sie führen, jenes ist, das die Natur für sie vorgesehen hat. Wenn man keinen der Amhasim verärgert oder auf sonstige Weise besonders auffällt, kann man hier vergleichsweise gut über die Runden kommen.

Die Amhasim ermuntern ihre ergebenen Diener zu sexueller Aktivität in ihrer Freizeit und honorieren das Zeugen von Nachwuchs mit gewissen Privilegien. Immerhin sorgt solcher Nachwuchs dafür, dass den Amhasim nicht so rasch die Arbeitskräfte ausgehen. Obwohl die Amhasim nach der Perfektionierung ihres eigenen Volkes streben, verfolgen sie im Hinblick auf ihre Sklaven in der Regel keine gezielte Zuchtstrategie. Im Normalfall ist es den Sklaven überlassen, nach ihren eigenen Maßstä­ben Beziehungen zu führen und Familien zu gründen – eine der wenigen Freiheiten, die man ihnen lässt. Nur besonders herausragende Exemplare werden zur gezielten Zucht besserer, robusterer oder ergebenerer Sklaven herangezogen. Solche Individuen werden in Zuchtprogrammen oft zu Eltern dutzender von Nachfahren, wobei misslungener Nachwuchs aussortiert und getötet wird.

 

Mittlerer Ring – Sklavenunterkünfte und Verbotene Zone

Im Mittleren Ring liegt nicht nur die Hauptmasse der Sklavenunterkünfte, sondern auch die „Verbotene Zone“. Der Name rührt daher, dass die Amhasim ihren Sklaven den Zutritt verbieten. Dieser Teil der Stadt liegt nahe dem Totenwasser und wird von Zeit zu Zeit durch dasselbe überflutet. Dadurch kommt es zu Ablagerungen von schwar­zem Schlick, welche für Besucher das Durchqueren des Gebietes extrem gefährlich macht. Im Grunde genommen sind die Verbote überflüssig. In den Unterkünftigen kursieren grauenhafte Geschichten über furchtbare Mutanten, Untote, Geister – darunter die von besonders grausam zu Tode gefolterten Sklaven und die hingerich­te­ter angurianischer Drachenpriester, welche noch in Gespenstergestalt die Freiheit predigen – und üble Krimi­nelle sowie Rebellen, die in der Verbotenen Zone ihr Unwesen treiben sollen. Nur ein Selbstmörder würde sich in diese Gegend trauen, aber gewiss kein redlicher Diener der Erhabenen.

 

Innerer Ring – Heimstatt der Amhasim

 

Das mysteriöse Zentrum der amhasischen Herrschaft

Für die meisten Sklaven bleibt der höher als der Rest der Stadt gelegene Innere Ring, der auch Oberstadt genannt wird, ein ewiges Mysterium. Nur den Amhasim selbst und ihren Leibsklaven ist der Zutritt gestattet. Die Stellung eines Leibsklaven ist begehrt, denn wer einem speziellen Amhasim direkt zuarbeitet, führt in der Regel ein vergleichsweise sicheres Leben, hat eine höhere Lebenserwartung als ein Minensklave oder Stadtarbeiter und bekommt zuweilen sogar etwas von dem Luxus ab, in dem die Erhabenen schwelgen. Allerdings ist ein Leibsklave auch auf Gedeih und Verderb den Launen und dem Jähzorn seines Herrn und Meisters ausgeliefert, Eigenschaften, die unter den impulsiven Brokthar sehr verbreitet sind, auch wenn die Amhasim sie ein wenig gezähmt und kultiviert haben und unter dem Deckmantel der Zivilisation zu verbergen versuchen – nicht immer erfolgreich.

Der Innere Ring ist frei von den klaustrophobischen Gassen und düsteren grauen Blocks, in denen die Sklaven der anderen Stadtbezirke vegetieren. Das vorherrschende Baumaterial ist schwarzer Marmor. Die Innenstadt ist ein architektonisches Juwel. Nach irdischen Maßstäben ist die amhasische Baukunst eine morbide Mischung aus klassisch römischer Architektur mit gotischen und orientalischen Einflüssen.

In der Mitte der Stadt erhebt sich die Senatshalle mit ihrer beeindruckenden Goldenen Kuppel. Sie steht auf einer Art Turm, sodass der Senat die gesamte Stadt überragt. Darum gruppieren sich gewagte Türme, Wandelhallen und üppige Gärten. Phantastische filigrane Säulenhallen, Bögen, welche Sumus Griff – der Schwerkraft – zu spotten scheinen, und erhabene goldene Kuppeln erfreuen das Auge.

 

Die Lebensumstände der Amhasim

 

 

Die Amhasim leben in luxuriösen Anwesen und weitläufigen Wohnungen, die mit kostbarstem Interieur ausgestattet sind. Keiner von ihnen muss sich mit körperlicher Arbeit belasten, dafür gibt es schließlich die Sklaven. Man verbringt den Tag mit sportlichen Übungen, dem Lesen philosophischer Schriften, anregenden Diskussionen oder dekadenten Aus­schwei­fungen.

Die Amhasim entstammen der Spezies der Brokthar. Sie sind überheblich, bleichhäutig und im Durchschnitt schlanker als die Angehörigen anderer Broktharvölker. Ihre Hautfarbe reicht von Kalkweiß bis zu einem leicht bräunlich angehauchten Weiß. Die Haarfarbe der meisten Amhasim ist schwarz, gelegentlich sieht man aber auch Amhasim mit silbernem oder weißem Haar oder anderen unter den Brokthar vertretenen Färbungen. Die Körper der Amhasim sind ebenmäßig und erscheinen bis ins hohe Alter hinein jugend­lich und frisch. Dies ist eine Folge ihrer weit entwickelten Heilkunst, aber auch der Kunst des Chutram.

Viele Amhasim sind äußerlich anziehend und charismatisch. Ihre Augen indes wirken auf Außenstehende eher beunruhigend. Ihr Blick ist durchdringend und stechend und starrt aus extrem hellgrünen, weißen, blutroten oder violetten Augen. Wie die meisten Brokthar bevorzugen die Amhasim leichte und freizügige Kleidung, doch weichen in der durchzivilisierten Gesellschaft von Amhas die derben Lederriemen und Kilts der Broktharbarbaren edleren Stoffen. Beliebt sind bei Amhasim beiderlei Geschlechts knappe, leinene oder seidene Tuniken, die mit Hilfe von goldenen Riemen und Broschen zusammengehalten werden. Senatoren tragen darüber zuweilen schwere Brokatumhänge, Senatorinnen leichte Seidenroben, deren Stoff leicht durchscheinend ist. Beliebte Farben für Kleidung sind Weinrot, dunkles Violett und das in Amhas allgegenwärtige Schwarz.

Im Gegensatz zu anderen Brokthar sind sich die Amhasin nicht zu fein, in Kriegszeiten oder auf der Sklavenjagd schwere Rüstungen zu tragen. Die schweren, schwarzen Eisenpanzer der berittenen Sklavenjäger sind in vielen Teilen des südlichen Rakshazastan ein gefürchteter und nur zu gut bekannter Anblick.

Die wohl herausstechendste Eigenschaft der Amhasim ist ihre maßlose Arroganz anderen Spezies gegenüber. Sie hassen die anderen Völker nicht, sie fühlen sich ihnen nur unendlich weit überlegen und glauben, sie hätten das Recht, über ihr Schicksal zu bestimmen wie über einen ihnen gehörenden Gegenstand. In ihrer Vorstellung handeln sie sogar zum Wohle der „geringeren Völker“. Die Amhasim trauen ihnen nicht zu, ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen. Es bedürfe einer starken Hand, damit sie sich nicht selbst oder gegenseitig auslöschen.

Für ihre eigene Spezies haben die Amhasim ein demokratisches Utopia verwirklicht, das auf ganz Dere Seinesgleichen sucht. Es gibt keinen Mangel, keine Armut und dank der weit entwickelten Heilkunst der Amhasim kaum Krankheiten. Jeder der Amhasim genießt eine exquisite Bildung. Die Amhasim sind das wohl einzige Volk Deres, bei dem die Analphabetismusrate bei knapp null Prozent liegt. Ihre Sklaven übernehmen für sie alle harten körperlichen Arbeiten, deshalb bleibt ihnen viel Zeit für Studien, Philosophie und Esoterik. Die Schattenseite dieses beschaulichen Lebens ist die oft vorherrschende akute Langeweile, welche nicht wenige Amhasim zu dekaden­ten Ausschweifungen, zur Sklavenhatz oder gar zu kriegerischen Auseinandersetzungen treibt.

Aufgrund ihres rassistischen Weltbildes stehen diese Errungenschaften aber nur einer geschlossenen und streng abgeschotteten Gesellschaft zur Verfügung, bestehend aus Ihresgleichen. Die Amhasim hatten einst das Potenzial, das Erbe der Marhynianer anzutreten, ihre Fehler zu vermeiden und zu einer leuchtenden Fackel der Weisheit für ganz Rakshaszar zu werden. Dann jedoch sind sie dem Größenwahn und dem Egozentrismus anheimgefallen und haben sich für einen anderen Weg entschieden.

So hart die gesellschaftlichen Regeln auch zu sein scheinen – grausame Strafen werden eher selten verhängt und vollstreckt. Sie betreffend vor allem Neuzugänge unter den Sklaven, Wildfände, die es wagen, sich gegen ihre Herren aufzulehnen. Unter den etablierten Sklaven der zweiten, dritten oder noch späteren Generationen ist die Neigung zum Aufruhr sehr gering. Fast immer akzeptieren sie die Dominanz ihrer Herren klaglos, also werden sie auch pfleglich und respektvoll behandelt. Auch Ihresgleichen behandeln die Amhasim eher mit Milde. Ihre Philosophie verlangt von ihnen, den Gesetzen der Republik treu zu folgen, ihre eigenen Interessen dem Wohl der Republik unterzuordnen und sich redlich zu bemühen, ein wertvoller Teil des Staatskörpers zu sein. Natürlich klaffen Anspruch und Realität auch bei den Amhasim auseinander. Missetäter werden aber nicht zum Tode oder zur Sklaverei verurteilt. Strafe hat eher erzieherischen Charakter, soll dem Delinquenten seine Vergehen vor Augen führen und ihn zu einem besseren Leben anleiten. In der Regel schlägt ein Richter einem Schuldigen in einer vertraulichen Verhandlung vor, wie er sein Vergehen sühnen kann. Meist bedeutet dies Dienst bei den Schwarzen Reitern.

Die Amhasim lehnen die Anbetung von Göttern ab. Wie andere Brokthar gehen sie von der Existenz tausender anderer Welten aus. Diese seien, genau wie Dere, festen kosmischen Gesetzmäßigkeiten folgend aus sich selbst heraus entstanden. Die Götter seien in diesem Kosmos lediglich mächtige Wesen, welche von außen in diese Welten eindringen. Trotz all ihrer Macht seien sie kein Teil der natürlichen Ordnung und bräuchten deshalb auch nicht verehrt zu werden.

Zu dieser kosmischen Ordnung gehöre auch, dass es eine Hierarchie unter den verschiedenen Spezies gäbe. Tiere sollen über den Pflanzen stehen, Kulturschaffende über den Tieren, Menschen über den meisten anderen Kulturschaffenden, Brokthar über den Menschen, Amhasim über anderen Brokthar. Sich selbst sehen die Amhasim klar an der Spitze dieser natürlichen Hierarchie. Nur die Rolle von Riesen und Giganten ist indifferent. Manche Brokthar sind widerwillig bereit, ihre größeren Vettern als noch höherstehend zu betrachten, eine durchaus umstrittene Ansicht. Aus dieser Philosophie resultiert auch die große Selbstverständlichkeit, mit der die Amhasim die Angehörigen anderer Völker versklaven.

 

Das Chutram der Amhasim

Tashja hatte Glück im Unglück gehabt. Vor kaum einem Sommer hatten die schwarzen Reiter ihr kleines Dorf heimgesucht wie Dämonen aus irgendeinem finsteren Abgrund und ihren ganzen Stamm in die Sklaverei verschleppt. Die Männer ihres Dorfes hatten tapfer gekämpft, doch die Reiter waren unverwundbar gewesen. Beinahe hätte sie das Schicksal ihrer Stammesmitglieder geteilt und wäre als besseres Nutztier zu den Hochöfen geschickt worden, doch die Geister ihres Stammes hatten über das nun fünfzehn Sommer junge Mädchen gewacht. Kaum dass sie in der riesigen Stadt angekommen waren – Tashja hätte niemals geglaubt, dass es so große Hütten geben könnte – hatte sie das Interesse ihrer Herrin Niadre auf sich gezogen, der sie seitdem als Dienstmädchen diente. Zu Anfang war auch das hart gewesen, denn Tashja hatte vieles in ihrer fremdartigen Umgebung nicht verstehen können. Mittlerweile aber kannte sie dank der anderen Sklaven die Tricks und Kniffe, mit denen man hier einigermaßen über die Runden kam. Eigentlich wurde Tashja vor allem in den Küchen beschäftigt und sah ihre Besitzerin nur sehr selten, meistens aus weiter Ferne, genauso wie die anderen Edlen Erhabenen. Heute morgen aber hatte der Küchenmeister beschlossen, dass Tashja der Herrin das Frühstück servieren sollte. Sie war ängstlich und aufgeregt, denn so nahe war sie der Herrin noch nie gekommen. Etwas zittrig trug sie das Tablett mit erlesenen Früchten und Scheiben frischgebackenen Weißbrots durch die Korridore. Man hatte ihr gesagt, dass sie das Frühstück in den Garten des Stadtanwesens bringen sollte – einen Ort, den sie noch nie hatte aufsuchen dürfen. Ehrfurchtsvoll schlich sie durch den Torbogen, der zum Garten führte, in dem vielerlei saftig grüne Pflanzen standen, die Tashja in ihrer nordischen Heimat noch nie gesehen hatte. Schließlich erblickte sie die Herrin. Sie war gewohnt, dass die Edlen Erhabenen Dinge taten, die Sterbliche unmöglich verstehen konnten, aber dieser Anblick war wirklich eigentümlich: Die Herrin stand im Garten und vollführte zu einer unhörbaren Musik eigentümliche Tanzbewegungen mit einer Präzision und Eleganz, wie Tashja sie nie zuvor gesehen hatte. Die Herrin schien sie zunächst nicht zu bemerken, wandte sich dann aber mit einer so blitzartigen Bewegung zu der jungen Sklavin um, dass diese beinahe vor Schreck das Tablett fallen gelassen hätte. Tashja brachte kein Wort heraus. „Ah, mein Frühstück. Stell es einfach dort hinten auf die Steinplatten. Ich werde heute hier essen.“ Ihre Stimme war erstaunlich sanft, und der Blick der Amhasim schien leicht amüsiert zu sein. Tashja tat mechanisch, wie ihr geheißen wurde, und wollte gerade rückwärtsgehend unter tiefen Verbeugungen und einer zaghaften Verabschiedung den Rückzug antreten. „Warte noch!“ Der Befehl klang hart und schneidend. Hatte Tashja etwas falsch gemacht? „Du fragst dich sicherlich, was ich da gerade getan habe, oder?“ Die Herrin schien Tashjas offensichtliche Verwirrung zu belustigen. „J-j-ja, Herrin….“, brachte sie stammelnd hervor. “Auf diese Art und Weise kanalisieren wir unsere geistige Energie. Das ermöglicht es uns, gewisse Effekte zu manifes­tie­ren, die euresgleichen erschaffen können – verstehst du?“ Tashja verstand rein gar nichts. Sie schüttelte ängst­lich den Kopf. Ein leises Lächeln umspielte die Lippen der Amhasim. „Nun… Vielleicht verstehst du es so etwas besser. Siehst du diese steinerne Brüstung dort hinten ?“ Tashja nickte. Die Amhasim trat auf die Brüstung zu und machte eine ruckartige Armbewegung, einer zustoßenden Schlange gleich. Einen kurzen Augenblick später gab es ein lautes Geräusch, und Stücke der geborstenen Brüstung lagen auf dem Boden. Mit einer geschmeidigen Handbewegung kam Bewegung in die Bruchstücke, langsam erhoben sie sich vom Boden, schwebten zu ihr empor und kreisten über der ausgestreckten Hand der Amhasim umeinander. Tashja stockte der Atem. „Natürlich kann man diese Kraft nicht nur zu destruktiven Zwecken benutzen.“ Die Erhabene schritt mit einem Gesichtsausdruck auf Tashja zu, den sie nicht ganz deuten konnte …Zu ihrer „Philosophie der kosmischen Ordnung“ zählt auch die Kunst des Chutram, welche auf die eine oder andere Weise von jedem der Amhasim praktiziert wird. Chutram dient dazu, durch körperliche Übungen den Geist zu stärken und weiterzuentwickeln. Chutram gibt es in verschiedenen Ausprägungen, die von der spirituellen Kampf­spor­tart über komplizierte Meditationsübungen bis hin zu körperlich und spirituell fordernden Liebes­tech­ni­ken reichen. Unterrichtet werden die Chutramtechniken in zwölf Akademien, die zugleich dafür zuständig sind, jungen Amhasim die Grundprinzipien der kosmischen Ordnung und ein gewisses Polster an Allgemeinbildung zu ver­mit­teln. Der Staat übt in Amhas enorme Kontrolle über fast alle Bereiche des Lebens aus. Vor allem die Erziehung des Nachwuchses obliegt staatlichen Organen, zumal die Amhasim wie viele andere Brokthar keine allzu festen Familienbande kennen. Lediglich die ersten fünf Jahre verbringen neugeborene Amhasim bei ihrer Mutter. Danach halten sie sich für einen Großteil ihres Lebens an den Schulen und Akademien der Stadt auf. Jeder der Amhasim bleibt seiner Akademie ein Leben lang treu. Dieses System verschafft jedem Amhasim mit der festen Gewissheit aus, zu den rechtmäßigen Herren der Welt zu gehören. Ganz gleich, ob ein Amhasim seine Sklaven gut oder schlecht behandelt oder gar – was in seltenen Fällen durchaus vorkommt – mit ihnen Freundschaft schließt, das Gefühl der Überlegenheit kann er niemals zur Gänze abschütteln.

 

Zu ihrer „Philosophie der kosmischen Ordnung“ zählt auch die Kunst des Chutram, welche auf die eine oder andere Weise von jedem der Amhasim praktiziert wird. Chutram dient dazu, durch körperliche Übungen den Geist zu stärken und weiterzuentwickeln. Chutram gibt es in verschiedenen Ausprägungen, die von der spirituellen Kampf­spor­tart über komplizierte Meditationsübungen bis hin zu körperlich und spirituell fordernden Liebes­tech­ni­ken reichen. Unterrichtet werden die Chutramtechniken in zwölf Akademien, die zugleich dafür zuständig sind, jungen Amhasim die Grundprinzipien der kosmischen Ordnung und ein gewisses Polster an Allgemeinbildung zu ver­mit­teln. Der Staat übt in Amhas enorme Kontrolle über fast alle Bereiche des Lebens aus. Vor allem die Erziehung des Nachwuchses obliegt staatlichen Organen, zumal die Amhasim wie viele andere Brokthar keine allzu festen Familienbande kennen. Lediglich die ersten fünf Jahre verbringen neugeborene Amhasim bei ihrer Mutter. Danach halten sie sich für einen Großteil ihres Lebens an den Schulen und Akademien der Stadt auf. Jeder der Amhasim bleibt seiner Akademie ein Leben lang treu. Dieses System verschafft jedem Amhasim mit der festen Gewissheit aus, zu den rechtmäßigen Herren der Welt zu gehören. Ganz gleich, ob ein Amhasim seine Sklaven gut oder schlecht behandelt oder gar – was in seltenen Fällen durchaus vorkommt – mit ihnen Freundschaft schließt, das Gefühl der Überlegenheit kann er niemals zur Gänze abschütteln.

Oft­mals kommt es zu langwierigen Streitereien zwischen einzelnen Akademien. Diese sind meist dermaßen esoterisch, dass Außenstehende unmöglich verstehen können, worum es überhaupt geht. Man sagt, Chutram könne den Geist so stark erweitern, dass der Chutram-Meister magieähnliche Kräfte entwickelt. Tatsächlich können Chutram-Meister anscheinend Gedanken lesen, willensschwache Sklaven hypnotisieren, Gegenstände bewegen. ohne sie zu berühren, oder selbst levitieren. Es ist also nichts Ungewöhnliches, in den Parkanlagen des Innersten Rings auf einen entspannt meditierenden Brokthar zu treffen, der im Lotossitz einen halben Schritt über dem Boden schwebt. Die unterschiedlichen Auffassungen ziehen allzu oft politische Intrigen zwischen verschiedenen Akademien oder politischen Parteien nach sich.

 

 

Chutram ist zunächst einmal nichts anderes als die amhasische Wissenschaft von Körper und Geist. Die Amhasim haben herausgefunden, dass jedes lebende Wesen von Lebensenergie durchströmt wird, dem „Ram“, wie die Amhasim es nennen. Diese Lebensenergie verläuft in gewissen Bahnen und kreuzt sich an sogenannten Nexus-Punkten. Das System funktioniert im Prinzip ähnlich wie der menschliche Blutkreislauf. In einigen Bahnen fließt „verbrauchte“, belastete Energie und in anderen frische, regenerierte. Die Reinigung des Energieflusses findet im Gehirn statt, und je weiter der Geist einer Lebensform entwickelt ist, desto besser kann er ihre Lebensenergie von schädlichen Einflüssen reinigen. Höhere Wesen haben also reinere Energie als niedere. Mit Hilfe dieses Wissens kann man verschiedene Wirkungen erzielen, weshalb die Lehre des Chutrams mehrere Aspekte umfasst. Man unterteilt vier große Hauptrichtungen:

 

Hyal-Chutram

Hyal-Chutram ist die amhasische Medizin – die Kunst, Chutram für positive, heilende Zwecke einzusetzen. Hyal-Chutram ähnelt stark dem indischen Ayurveda oder der traditionellen chinesischen Medizin. Krankheiten werden als energetische Blockaden oder Rückflüsse belasteter Energie verstanden und mittels gymnastischer Übungen oder mit Massagen behandelt. Ebenso bekannt sind Akupunktur und Edelstein-Medizin. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass jede Speise einen gewissen Einfluss auf die persönliche Energie des Essenden hat. Erkrankungen können durch spezielle Diäten behandelt werden. Der Übergang zwischen „Essen“ und „Medizin“ ist bei den Amhasim fließend. Bei schweren Erkrankungen greifen sie allerdings auf ihr alchimistisches Wissen zurück. Hyal-Chutram beinhaltet ebenfalls Yoga-ähnliche Übungen. Auf dem Gebiet der Chirurgie haben die amhasischen Ärzte noch gewisse Defizite, aber Infektionskrankheiten und Fleischwunden können sie sehr erfolgreich behandeln

 

Hakra-Chutram

Hakra-Chutram ist die Kunst, sein Ram gezielt zur physischen Vernichtung einzusetzen. Hakra-Chutram-Adepten lernen genau, welche Energiezuflüsse sie beim Gegner mit gezielten Schlägen unterbrechen müssen, um maximalen Schaden zu erzielen. Sie wissen außerdem, wie sie ihre Hände und Füße so mit Ram-Energie aufladen können, dass ihre Schläge und Bewegungen wesentlich kraftvoller und stärker werden. Man sagt, ein wahrer Hakra-Chutram-Meister könne mit bloßen Händen Felsen zertrümmern, aber solche Meisterschaft erlangt im Schnitt nur einer von tausend Adepten.

 

Rajka-Chutram

Rajka-Chutram ist die Kunst, das Ram zweier Wesen zu höherem Zweck in einer Synthese zusammenzuführen. Was sich abstrakt und esoterisch anhört, ist letztlich nichts anderes als verfeinerter Sex. Erkenntnisse aus dem Chutram werden gezielt genutzt, um beim Geschlechtsakt in vollkommen neue, höhere Bereiche der Extase vorzustoßen. Dadurch soll der Geist erweitert werden. Amhasim betreiben Rajka-Chutram zuweilen nicht nur untereinander, sondern auch mit ihren Lieblings-Sklaven. Da diese Chutram-Variante aber, wie fast alle anderen auch, mit komplizierten akrobatischen Verrenkungen verbunden ist, wird die „höhere Extase“ bei den Sklaven oft durch schmerzhaft überdehnte Gelenke getrübt.

 

Psykra-Chutram

Psykra-Chutram ist die Kunst, sein Ram rein geistig zu transformieren, um die äußere Wirklichkeit damit zu beeinflussen. Zu Psykra-Chutram gehören all die Gedankenlese-, Schwebe und Telekinese-Tricks, die vielen Senatoren nachgesagt werden. Psykra-Chutram ist sowohl die am schwierigsten zu erlernende und am Seltensten angewandte Variante des Chutram als auch die einzige, die ohne starke Körperbetätigung auskommt. Auch scheint es, dass nur wenige Amhasim überhaupt in der Lage sind, Psykra-Chutram zu meistern. Allerdings präsentieren diejenigen, die es tatsächlich beherrschen, ihre Kräfte nur allzu gerne. Das hat dazu geführt, dass viele Nicht-Amhasim der Meinung sind, alle Amhasim könnten Gedanken lesen oder schweben. Ein Irrglaube, der die Furcht vor den Amhasim schürt, weshalb sie keinen Grund sehen, die Fehlannahme aufzuklären.

Fast alle Amhasim kennen die Grundzüge des Hyal-Chutram und des Rajka-Chutram. Diese beiden Schulen sind am einfachsten zu erlernen – beim Hyal-Chutram zumindest die Gymnastik-Übungen und gewisse „gesunde“ Kochrezepte. Sie sind außerdem die beliebtesten – besonders das Rajka-Chutram. Allerdings würde nie ein Amhasim zugeben, dass er sich nur des Geschlechtsverkehrs wegen für diese Chutram-Schule interessiert. Zumindest einige simple Grundbewegungen der Kampftechnik des Hakra-Chutram sind fast allen Amhasim bekannt. Da das Erlernen von Hakra-Chutram aber mit hartem Training und einer Menge Disziplin einhergeht, gibt es nur relativ wenige Amhasim, die den Weg des Hakra-Chutram tatsächlich konsequent weitergehen. Der exklusivste Club sind die Adepten des Psykra-Chutram. Von ihnen gibt es nur etwa neunzig bis hundert, und auch unter diesen sind nur wenige wirkliche Meister zu finden. Das hängt damit zusammen, dass man für Psykra-Chutram eine angeborene magische Begabung benötigt, eine Erkenntnis, die von den Amhasim gern geleugnet wird.

 

Magieanwendung

Magie und Chutram sind für die Amhasim zwei verschiedene Dinge. Chutram entspringt ihrer eigenen Ram-Energie, erfordert viel geistige Kraft und einen weitentwickelten Intellekt. Magie ist roher und primitiver, denn sie benutzt nicht subtil die eigene Ram-Energie, sondern zapft grob und brutal die Energie Deres an. Laut den Amhasim ist es einfacher, der Umwelt kosmische Energie zu stehlen, als mit der eigenen vernünftig hauszuhalten. Die Zweckentfremdung kosmischer Energie hat im Gegensatz zu Chutram zahlreiche Nachteile und widerspricht der kosmischen Ordnung. Deswegen verwenden nur niedere Kreaturen Magie. Die Amhasim denken mehrheitlich, man sollte die Verwendung derartiger Praktiken schon allein im Interesse der kosmischen Ordnung strikt unterbinden. Die Kritische Essenz betrachten sie als Abwehrmechanismus, mit dem die Natur sich vor Fremdeingriffen zu schützen versucht.

 

Der Senat

Für Außenstehende wirkt Amhas wie eine brutale Diktatur, und aus Sicht der Sklaven mag dieser Eindruck stimmen. Für den Umgang mit Ihresgleichen jedoch haben die Amhasim ein enorm fortschrittliches und liberales Herrschaftssystem entwickelt. Amhas ist eine demokratische Republik. Regiert werden die Amhasim durch einen gewählten Senat, bestehend aus hundert Senatoren. Die Senatswahlen finden alle fünf Jahre statt. Jeder volljährige Bürger darf an den Wahlen teilnehmen oder sich selbst zur Wahl stellen. Allerdings kommt es nur selten vor, das ein junger Brokthar in den Senat gewählt wird. Die meisten Senatoren sind ältere, gesetzte Amhasim. Oft handelt es sich um hochrangige Chutram-Meister. Das hoch über der Stadt befindliche Senatsge­bäude, meist nur „Der Senat“ genannt, ist eine offene Säulenhalle, die unter einer riesigen goldenen Kuppel liegt. Bei den dortigen Diskussionen ist es gang und gäbe, die eigenen Fähigkeiten im Chutram dezent unter Beweis zu stellen. So könnte zum Beispiel ein Senator während einer Rede kurzerhand zwei Schritt in die Höhe schweben, „damit man ihn besser hören kann“. Unter den Senatoren gibt es unzählige politische Richtungen, doch momentan sind die Militaristen am Ruder. Sie wollen die Macht Amhas‘ ausdehnen und bereiten sich und die Stadt auf einen Krieg vor.

Die meisten politischen Fraktionen denken eher konservativ und traditionell und sind dem Glauben an die kosmische Ordnung eng verbunden. Es gibt aber auch einige abweichlerische Gruppen, von denen jedoch nur die Idealisten im Senat vertreten sind. Bei den Idealisten handelt es sich um eine kleine Gruppe junger Amhasim, die sich für die Verbesserung der Lebensum­stände der Sklaven einsetzt, oft im Geheimen. Zwar haben sie nicht weniger Standesdünkel als andere Amhasim, aber der Glaube an ihre Überlegenheit folgt einer anderen Aus­le­gung. Die philosophische Hauptströmung glaubt, dass die ordnende Hand von Amhas den niederen Völkern nutzt. Die Amhasim ordnen die Welt gemäß ihren Bedürfnissen, wovon auch die anderen Spezies profitieren, weil die Amhasim die chaotischen Elemente aus ihren Gesellschaften eli­minieren. Die Idealisten indes denken, dass die Amhasim als die erhabene Spezies für die Niederen verantwort­lich seien und aktiv an der Befriedigung ihrer Bedürfnisse mitwirken müssten. Die Bewegung ist nicht verboten, wird aber in der Regel belächelt und für ein wenig meschugge gehalten. Im Senat hat sie nur wenige Sitze und noch weniger Gehör.

 

Die Angurianer

Zu den Abweichlern zählen auch die Angurianer. Die im Yal-Hamat-Gebirge beheimateten Krieger, welche von ehemaligen Sklaven der Amhasim abstammen, unterhalten nach wie vor Kontakte in die Stadt. Da unter den Sklaven der Glaube an die kosmische Ordnung groß ist, scheuen sie sich zumeist, ihre amhasischen Herren an deren Feinde zu verraten, auch wenn diese einst waren wie sie. Um ihre Gegner auszuspionieren oder zur passenden Zeit Sabotageakte zu begehen, müssen die Angurianer deshalb selber Präsenz in der Stadt zeigen. Zu diesem Zweck mischen sie sich unter die Sklaven der Stadt, mal als Diener einer amhasischen Herrschaft, hoffend, das diese im Beisein ihres Besitzes allzu freimütig plaudert, mal als Schatten, der im Untergrund der Stadt haust und gelegentlich beiläufig und unauffällig am öffentlichen Leben teilnimmt. Sie sind damit eine durchaus ernstzunehmende Macht in der Stadt, jedoch haben sie dank ihrer Tarnidentität als Sklaven keinen politischen Einfluss. Schon gar nicht gestattet der Glaube an die kosmische Ordnung den Sklaven, Vertreter in den Senat zu entsenden.

 

Die Korsaren

Die Korsaren sind ein freies Sklavenlager auf einer der Inseln im Totenwasser. Sie kreuzen mit gekaperten Galeeren über das Binnenmehr und bemühen sich darum, die Eisenerz-Transporte nach Amhas und die Material- und Personaltrans­porte zu den Minen zu behindern. Verbündete der Korsaren versuchen, als Händler getarnt, Einfluss auf die am­hasische Politik zu nehmen – mit durchwachsenem Erfolg. Dazu mischen sie sich unter die fahrenden Händler, die von den Amhasim gelegentlich in die Stadt gelassen und für eine Weile dort geduldet werden.

 

Der Konsul

Der Senat bestimmt nach den Senatswahlen einen Konsul. Dieser ist Vorsitzender und Repräsentant des Senats und de facto das amhasische Staatsoberhaupt, auch wenn ihm offiziell eine solche Position nicht zuerkannt wird und er als Erster unter Gleichen gilt. Der derzeitige Konsul ist ein radikaler Konservativer namens Arikles, der den alten Krieg mit dem Erzfeind aus Ronthar wiederbelebt hat. Obwohl Arikles nach außen hin den Eindruck eines starken Konsuls erweckt, kann er nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Senat momentan eine „schwierige Phase“ durchmacht. Interne Streitigkeiten und Intrigen machen den heutigen Senat beinahe handlungsunfähig.

 

Sklavische Verehrung

Dass die Sklavenhaltergesellschaft auch nach so vielen Jahrhunderten noch immer stabil ist, liegt nicht zuletzt an den Sklaven selbst. Viele Sklavensippen leben bereits seit Generationen in Amhas. Anders als den frisch ver­schleppten Sklaven ist ihnen das Weltbild der Amhasim in Fleisch und Blut übergegangen. Sie halten ihre Peiniger tatsächlich für höhere Wesen, deren natürliches Recht es sei, sie zu beherrschen. Mehr als ein Sklavenaufstand ist bereits am Widerstand der alteingesessenen Sklaven gescheitert, die verhinderten, dass revoltierende Neuankömmlinge an der „natürlichen Ordnung“ rüttelten.

 

Die schönen Künste

Die Amhasim lieben die schönen Künste. Sklaven, die eine Kunst beherrschen, also zum Beispiel gut singen, Gemälde, Statuen oder andere Kunstwerke anfertigen können, führen ein angenehmes Leben im goldenen Käfig. Die von den Amhasim bewohnte Oberstadt von Amhas ist ein Hort unglaublicher Kunstwerke. Die Architektur ist beeindruckend, wenngleich etwas morbide. Klassische Säulen aus schwarzem Marmor und gewagte Kuppeln sind vorherrschend. Der Kriegerphilosoph Brutheus und seine Architekten haben mit der Baukunst des alten Amhas nahezu vollständig gebrochen.

 

Spätamhasische Dekadenz

Dekadenz und Sittenverfall stellen für die Amhasim ein großes Problem dar. Es gibt unter den Amhasim keine Unterschicht, diese zu bilden obliegt den Sklaven, die sich aus den Reihen anderer Spezies rekrutieren. Man widmet sich der Philosophie, der Baukunst, athletischen Kampfübungen, politischen Intrigen oder den Handwerken des Kriegers bzw. Sklavenjägers. Aus schierer Langeweile gehen viele Amhasim den absurdesten Freizeitbeschäftigungen nach. Besonders beliebt sind Orgien, die an Dekadenz kaum zu überbieten sind, und Wettspiele jeder Art. In puncto Sexualität verhalten sie sich nicht anders als andere Brokthar. Bei der Paarung mit Angehörigen der eigenen Spezies achten sie peinlich genau darauf, dass Kinder nur aus Verbindungen mit Partnern mit gutem Erbgut entspringen. Im Umgang mit anderen Spezies jedoch, wo Nachwuchs unwahrschein­lich oder gar unmöglich ist, gilt kaum etwas als Tabu, wenn es mit einem gewissen Anschein von kultivierter Dis­kre­tion praktiziert wird. Insgesamt neigen die Amhasim untereinander eher zu konventionellen Praktiken, während sie sich exotischere Gelüste für Experimente mit hübschen jungen Sklaven, vorzugsweise menschlichen, aufheben.

Der zu ihrer Philosophie gehörende Grundsatz „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“ verhindert, dass die Amhasim zu einem Haufen bewegungsunfähiger Fettklöße mit Magen- und Leberproblemen mutieren. Ob ihnen auch ein Außenstehender einen gesunden Geist bescheinigen würde, sei dahingestellt. Die körperliche Gesundheit wird durch intensives Training sichergestellt. Sport dient allerdings nicht nur der Erhaltung der Gesundheit, sondern soll auch die verbreitete Langeweile bekämpfen. Darüber hinaus verfügen die Amhasim über gewiefte Heilkunst. Diese zählt zu den am weitesten entwickelten Wissenschaften des Rieslands. Dies rührt nicht zuletzt daher, dass amhasischen Ärzten zahllose Sklaven als Versuchs­objekte zur Verfügung stehen und entsprechende Forschungen staatlicherseits gefördert werden.

Die wahre Natur der Amhasim liegt unter dem Deckmantel der Zivilisation verborgen. In Wahrheit sind sie ähnlich impulsiv wie alle Brokthar, doch das würden sie niemals zugeben. Sie verbergen sich unter einer meisterlichen Fassade aus ebenso ausgemachter wie aufgesetzter Höflichkeit. Man könnte sagen, dass sie beinahe erschre­ckend höflich und kultiviert agieren, und zwar selbst dann, wenn sie perverse, unaussprechliche Dinge mit einem wehrlosen Sklaven anstellen oder jemanden umzubringen versuchen. Nur sehr selten lassen sie offensichtliche Gefühlsausbrüche zu, die dann aber umso heftiger ausfallen.

 

Militär

An oberster Stelle steht der Senat, der über die Aktionen des Militärs befindet. Ähnlich wie in der römischen Republik der irdischen Antike kann der Senat per Stadtverfassung einen Diktator als Oberbefehlshaber einsetzen, aber das ist in der Geschichte von Amhas bisher erst einmal vorgekommen.

Als Kern des Militärs dienen die amhasischen Elite-Garden, die wie die Schwarzen Reiter in schwarzen Vollplatten herumlaufen und in der Regel im Hakra-Chutram geschult sind.

Sollte Amhas einmal größere Legionen benötigen, werden Sklavenregimenter aufgestellt, die von Elitegardisten befehligt werden. Das funktioniert erfahrungsgemäß recht gut, wenn man für die Regimenter in Amhas geborene Sklaven einzieht. Die sind normalerweise fast fanatisch loyal, da sie die Amhasim als gottgleiche Herren anbeten.

Die Militärdoktrin der Amhasim besagt seit rund zwei Jahrhunderten: Amhas ist an großen Gebietsgewinnen nicht interessiert und bildet lieber kleine, leicht zu verteidigende Enklaven an wichtigen strategischen Punkten. Das ist zumindest teilweise der weitläufigen Geographie des Rieslands geschuldet. Die Amhasim haben schlicht zu wenig Personal für ein richtiges Großreich, und zwischen wichtigen Punkten befindet sich meist reichlich Wildnis von geringem strategischen und wirtschaftlichen Wert, die zu verteidigen viel zu aufwändig wäre. Man überlässt solche Regionen lieber anderen Völkern, bei denen man dann neue Sklaven erntet.

Dass die Amhasim ihre Militäreinheiten zur Verteidigung nicht zur Gänze hinter die Mauern zurückziehen, liegt am Dauerkrieg mit Ronthar und an den Angurianern, die man beide als brandgefährliche Bedrohungen empfindet.

Die Sklavenjäger sind keine Angehörigen des Militärs, sondern schwer bewaffnete Zivilpersonen. Manche arbeiten im staatlichen Auftrag, andere im Auftrag von Unternehmen oder Zivilpersonen. Wieder andere handeln gefangene Sklaven auf dem freien Markt.

 

Das Totenwasser und der Fluss Byrastes

Still und trügerisch – wie ein Idyll – liegt ein klares, türkisfarbenes Binnenmeer im Reiche Amhas zwischen zerklüfteten, steil aufragenden Küsten und weiten, sandigen Stränden. Man kennt es als das Meer des Todes oder auch das Totenwasser. Seit jeher ist es berühmt für seine Gefährlichkeit und Tücke und macht seinem Namen alle Ehre, ist es doch nahezu tot, beinahe ohne jegliches Leben. Fische oder Seepflanzen sucht man vergebens. Die einzigen Wesen, die dem Schwarzen Wasser standhalten können, sind hässliche, tausendfüßlerartige Schlickwür­mer, deren Fleisch von der unheilvollen schwarzen Substanz getränkt und hochgiftig ist. Nur die mutigsten (oder dümmsten) Seefahrer wagen sich auf seine Wasser hinaus.

Schwarzwasser voraus!“, durchdringen ängstliche Schreie die Stille und nennen das Unheil beim Namen. Sie quellen hervor aus den Untiefen dieses verfluchten Meeres: Schwarze Schatten und Schlieren, öliger Schlick und stinkender Schleim. Ätzend zersetzten sie alles organische Material, jede Planke, jedes Seil und warten nur darauf, auch den letzten Mann zu verschlingen. Wenn die schwarzen Schlieren dann wieder in der türkisfarbenen Tiefen verschwinden, ist nichts mehr übrig außer Metallteilen und den Knochen der unglückseligen Besatzung, die lang­sam auf den Grund sinken.

Seit der Zeit des Kataklysmus wird dieses Gewässer immer wieder vom Fluch des Schwarzen Wassers, das auch Schwarze See, Abyssalströmung oder Schattenbracke genannt wird, heimgesucht. Die Gelehrten sagen, es sei Schlick aus giftiger Kometenasche, der durch Stürme an die Oberfläche gewirbelt wird. Einige behaupten jedoch, das schwarze Wasser sei ein Dämon, ein unheilvolles Lebewesen oder gar eine Strafe der Götter. Tatsächlich soll schon beobachtet worden sein, wie sich das schwarze Verderben entgegen der Strömung bewegt oder gar wie ein Raubtier, das seine Beute schlagen will, die Richtung wechselt und auf ein Schiff zutreibt. Dies nährt die Gerüchte, das Schwarze Wasser habe magische Kräfte oder ein unheimliches Eigenleben.

Seit alters her versuchen die wagemutigsten Seefahrer, dem schwarzen Verderben ein Schnippchen zu schlagen. Schiffe aus Holz haben nur eine geringe Chance, wenn sie ins Schwarzwasser geraten. Dieses ist sofort tödlich, wenn es geschluckt wird, denn es ist hochgradig ätzend und löst den Körper von innen heraus auf. Entsprechend aggressiv verhält es sich gegenüber anderer organischer Materie, so wie Holz, das innerhalb von Minuten zischend und Blasen werfend zersetzt wird. Nur Metalle werden langsamer angegriffen. Deshalb haben die Amhasim vor kurzem begonnen, ihre Schiffe mit eisernen Beschlägen zu versehen. Eine exorbitant teure Schutzmaßnahme, die sich zudem als unzureichend erwiesen hat. Das Schwarze Wasser kriecht zwischen Holz und Eisenplatte hindurch und frisst sich weiter durch das Holz. Der einzige Vorteil der Schutzmaßnahme besteht darin, dass das eisengesicherte Schiff langsamer sinkt. So kommt es, dass viele Schiffe und Boote auf dem Totenwasser aus den Knochen großer Titanenechsen gefertigt sind. Solche Knochenboote bieten einen abenteu­er­lichen und morbiden Anblick, erhöhen aber drastisch die Chance, lebend aus der öligen Verdammnis entkommen zu können.

Das mächtige Amhas liegt am Ostufer des Totenwassers. Die Metropole aus schwarzen Säulen und goldenen Kuppeln ist auf den Schiffsverkehr über das Totenwasser angewiesen. Die Minen, aus denen Amhas das Eisen für seine Rüstungsproduktion bezieht, liegen jenseits des Binnenmeeres in den Feuerbergen, welche das Totenwasser von der Aschenwüste trennen. Also pendeln stets Erzfrachter und Sklavenschiffe zwischen Amhas und den Minenkolonien hin und her. Schwer beladene Frachtschiffe entladen ihre kostbare Fracht in der Stadt der Sklavenjäger und nehmen dafür jene unglückseligen Seelen an Bord, die dazu verdammt wurden, ihr kurzes Leben in den höllischen Eisenminen von Amhas auszuhauchen. Bei jeder Fahrt verschwindet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mindestens eines der Schiffe, sei es durch das Schwarze Wasser, durch die gefährlichen Herbststürme oder die Korsaren des Totenwassers.

Die Amhasim sind nämlich bei weitem nicht die einzigen, die sich auf das Totenwasser wagen. Unzählige kleine Inseln liegen im Meer des Todes, und auf einigen dieser zerklüfteten Eilande wachsen sogar kleine Oliven- und Zedernhaine, die dort im warmen Klima gut gedeihen. Es gibt sprudelnde Quellen, die freilich zuweilen auch nur schwarze Säure ausströmen. Auf diesen Inseln haben sich geflohene Sklaven angesiedelt, die hoffen, dort nicht von den Schiffen der Amhasim entdeckt zu werden. Die größte Gruppe allerdings hat sich entschlossen, zurückzuschlagen. Die Inselgruppe der Grogtopylen liegt tief im Totenwasser und bietet ein reichhaltiges Angebot an Nahrung und Trinkwasser. Knapp zweihundert Jahre soll es her sein, dass es die Vorfahren der Korsaren hierher verschlug. Sie entstammen zum großen Teil dem Volk der Orks, doch auch wenn man die Korsaren des Öfteren „See-Orks“ nennt, leben auch Angehörige anderer Völker auf den Grogtopylen. Vor allem Menschen und Brokthar stärken die Reihen der Piraten. Eines der Korsarenschiffe ist sogar komplett mit Donari bemannt.

Man sagt, die ersten Siedler seien Überlebende eines Sklavenschiffes, das vom Schwarzen Wasser versenkt wurde. Wie durch ein Wunder konnten sich die Sklaven auf eine der Inseln retten und waren in Sicherheit. In den ersten Jahren versuchten sie noch, die Existenz ihrer kleinen Gemeinschaft Schiffbrüchiger geheim zu halten. Doch als die Siedlung mit den Jahren wuchs, war das nicht mehr möglich. Die Korsaren sind mittlerweile darauf angewiesen, Frachtschiffe zu überfallen, um zu überleben, denn auf Dauer sind die Inseln nicht für eine so große Zahl von Siedlern geeignet. Der Kampf um die Seehoheit wogt hin und her. Mal wähnen sich die Amhasim als die Herren des Totenwassers, mal beherrschen die Korsaren die See.

Über die Grogtopylen sind eine Vielzahl abenteuerlicher Legenden im Umlauf. Eine soll ein Kloster einer Froschgottheit beherbergen, andere Stützpunkte von Piraten sein. Es wird von fleischfressenden Inseln erzählt oder davon, dass einst mit Olivenhainen bewachsene Eilande über Nacht im Schwarzen Wasser verschwanden.

Auf einem Eiland im Norden des Gewässers einer der seltenen Brokthar-Zauberkundigen eine Festung errichtet haben und auf Rache sinnen, weil man ihn, wie so viele Magiebegabte seines Volkes, als Kind zu töten versucht hat.

An der Südküste des Totenwassers findet man selten Korsarenschiffe. Dort entspringt der Fluss Byrastes dem Totenwasser, fließt durch die verfluchte Geistersteppe und mündet schließlich in den Unbezwingbaren Ozean. Prinzipiell ist es möglich, den Fluss als Passage zwischen Binnenmeer und Meer zu verwenden. Unglücklicher­weise gibt es viele seichte Stellen, sodass Flussschiffer häufig auf Schwarzes Wasser stoßen oder auf Sandbänke auflaufen können. Wer nicht genau weiß, was er tut, und die sicheren Passagen nicht kennt, gerät rasch in Lebensgefahr. Nur die besten Schiffsmeister der Amhasim kennen alle Tücken des Byrastes und können Schiffe unbescha­­det nach Amhalashal, den verrufenen Ozeanhafen der amhasischen Republik an der Flussmündung, steuern.

Die Ufer des Byrastes sind nahezu so tot wie Binnenmeer und Fluss, schlickverpestet und lebensabweisend wie die giftigen Sümpfe am Südufer des Totenwassers, die eine kahle, tote Schlammfläche mit unzähligen Sielen und brackigen Tümpeln bilden. Legenden zufolge soll es hier giftresistente Riesenwürmer geben, aber niemand ist wahnsinnig genug, in dem toxischen und ätzenden Schlamm herumzuwaten, um sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Einzig die Amhasimfestung Osh’Traiastos wacht hier über das „Quellgebiet“ des Byrastes. Es handelt sich um einen schwarzen Felsen, auf dem eine nicht minder schwarze, massive Festungsanlage in die Höhe ragt. Da hier häufiger als an anderen Stellen das Schwarze Wasser an die Oberfläche gespült wird, ist die Festung oft für Wochen oder gar Monate vom Festland abgeschnitten und muss daher stets ausreichend Wasser und Nahrung vorrätig halten.

Allgemeines Bild: Türkisfarbenes Wasser, Binnenmeer ohne nennenswerten Tidenhub. Das Wasser selbst ist absolut steril.
Inseln: Mehrere kleine Inseln in der Mitte des Totenwassers, die oft als Piratenunterschlupf dienen.
Fanggründe: Keine
Bedeutende Häfen: Amhas, Amhalashal, diverse kleine Naturhäfen der Sklavenkolonien.
Seemächte: Amhas
Mysterien: Schwarzes Wasser
Gefahren: Piraten, Schwarzes Wasser, Sklavenjäger aus Amhas.

 

 

Ein Hexfeld sind 7,5 DSA-Meilen (also km). Von Amhas aus einmal quer rüber sind es etwa 25 Felder, das heißt etwa 187,5 Meilen (km). Bei einer Geschwindigkeit von 10 Meilen/Stunde brauchen Kleine Knochengaleeren etwa 18 Stunden, um die Strecke zurückzulegen. Mit Pausen, sich ändernden Windverhältnissen und Zufallsbegegnungen also etwa 2 Tage.

 

Galeere aus Amhas

In Rakshazar gibt es ein Volk, das für sich in Anspruch nimmt, der Nabel der zivilisierten Welt zu sein, die anderen Völker technologisch zu dominieren und – frei von allen Göttern – selbst gottgleich zu herrschen: Die Amhasim. Um diesen Anspruch auch auf dem großen Binnenmeer, dem Totenwasser, und – von Amhalashal kommend – auf den Meeren des Südens durchsetzen zu können, hat man in Amhas einen Galeerentyp entwickelt, der auf Dere Seinesgleichen sucht. Zwei Rümpfe sind durch eine Plattform verbunden. So entsteht eine Art Katamaran. Die Plattform selbst bietet Platz für eine ganze Batterie von Geschützen, welche es den Amhasim ermöglicht, die Korsaren des Totenwassers in die Schranken zu weisen. Das eigentlich Auffallende ist jedoch die ungewöhnliche Bauweise. Zu einem großen Teil bestehen die Galeeren aus Knochen. Von den Gestaden der Gebeinküste werden Rippenbögen der dort gestrandeten Kreaturen, hauptsächlich von Seeschlangen, Walen und großen Echsen, importiert und in der Werft in Amhas – der einzigen der Amhasim – zusammen mit Hölzern aus den Ausläufern des nahen Yal-Hamat-Gebirges zu einzigartigen Schiffen verarbeitet. Die Rippenbögen werden nicht nur als Spanten im Inneren der Rümpfe verbaut – gut die Hälfte der verbauten Knochen befinden sich auf der Außenseite der Schiffsrümpfe. Dort verstärken sie die Schiffskonstruktion und ermöglichen so die Herstellung von Galeeren mit nahezu riesigem Ausmaß. Angetrieben werden die riesigen Schiffe von drei Reihen Ruderern, welche übereinander angeordnet sind. Die Segel an den beiden Masten dienen nur zur Unterstützung. Zum Schutz gegen das „Schwarze Wasser“, einem öligen, ätzenden, schwarzen Teppich, der Schiffe innerhalb von Minuten sinken lässt, werden die Galeeren mit Eisenbeschlägen versehen. Eine teure und nicht besonders langanhaltende Schutzmaßnahme. Das „Schwarze Wasser“ sickert mit der Zeit langsam aber sicher zwischen den Beschlägen und den Kochen, die vom „Schwarzen Wasser“ kaum angegriffen werden, hindurch und frisst das Holz der Rümpfe regelrecht auf. Selbst Teer, der extra aus dem Ödland(t) importiert wird, schützt nicht auf Dauer gegen dieses Phänomen. Über die Tatsache, dass die Galeeren aufgrund ihrer Größe alles andere als schnell und wendig sind, wird im Senat gern hinweggesehen. Dort ist man der Ansicht, dass die Schiffe ein passables Gegenstück zu den Schwimmenden Festungen der Sanskitaren bilden.

 

Die „Senat von Amhas“

Das Flagschiff „Senat von Amhas“ trägt schon seit Jahren zur Dominanz der Amhasim auf dem Totenwasser bei. Die Hauptaufgabe des Schiffes, das stets gemeinsam mit seinen Schwesterschiffen „Brutheus“ und „Senator Tolmar“ operiert, ist die Jagd auf die Korsaren des Totenwassers und die Erforschung des Binnenmeeres, denn noch immer sind weite Teile des Totenwassers unkartographiertes Gebiet. Berühmt wurde das Schiff vor ein paar Jahren, als es im Auftrag des damaligen Senators Diomekis „Schwarzes Wasser“ für ein Experiment zur Bestrafung von aufsässigen Sklaven besorgte. Damals wäre das stolze Schiff beinahe verlorengegangen. Das Experiment sorgte dafür, dass Diomekis nach Amhalashal strafversetzt wurde. Berüchtigt ist die Galeere auch wegen des riesigen Tonkruges voller hungriger Krebse, in den der Kapitän der „Senat von Amhas“ gefangene Piraten und aufsässige Sklaven sperren lässt, damit sie zur Belustigung der Mannschaft von den Schalentieren bei lebendigem Leibe aufgefressen werden.

 

Takelage: II (R1,R1) (80)
Riemen: 6×30 (180)
Länge: 40 Schritt
Breite: 10 Schritt
Tiefgang: 2,5 Schritt
Schiffsraum: 360 Quader (180)
Frachtraum: 120 Quader
Besatzung: 360 R, 25 M, 100 Kriegssklaven, 10 Schwarze Reiter samt ihren Reittieren für Operationen an Land, 25 Gastrapetenschützen, 25 G
Struktur: 15, Härte: 1
Beweglichkeit: niedrig (2)
Geschwindigkeit vor dem Wind: 4 Meilen/Stunde (3); mit raumem Wind: 8 Meilen/Stunde (4); am Wind: 1 Meile/Stunde (1); gerudert Marsch: 6 Meilen/Stunde (2); gerudert Rammern: 12 Meilen/Stunde(4)
Bewaffnung: 2 Onager voraus, 1 schwenkbare Überschwere Ballista Mittelschiffs, 2 Morfus am Heck

 

Kleine Knochengaleere aus dem Totenwasser

Aus Knochen von der Gebeinküste und Holz aus den Ausläufern des Yal-Hamat fertigt man diese Galeeren, die kleinere Variante der großen Galeeren aus Amhas. Die Knochen werden vor allem für die Konstruktion von Bug und Heck sowie für die Planken unterhalb der Wasserlinie verwendet. Sie stammen von Seeschlangen, anderen Meeresbestien und großen Echsen und können dem berüchtigten „Schwarzen Wasser“ länger standhalten als herkömmliche Schiffe aus Holz. Dieser Galeerentyp wird vor allem für den Transport von Waren von und zu den Lagern im Marhamal und im Ödland(t) genutzt, aber er eignet sich auch hervorragend für schnelle Strafaktionen gegen Aufständische und zur Vereitelung von Piratenüberfällen.

Letzteres ist der Grund dafür, dass sich dieser Schiffstyp vor allem bei den freiheitsliebenden Korsaren des Totenwassers sowie bei den Plünderern, die im Dienste Gouverneur Diomekis von Amhalashal die Gebeinküste und die Sumocolbucht unsicher machen, großer Beliebtheit erfreut.

Während letztere die Schiffe gegen reichlich Gold und gute Beziehungen in Amhas beziehen können, fertigen die Korsaren die Galeeren in ihren Verstecken selbst. Dabei müssen sie oft auf minderwertige Knochen und überteuerte Schmuggelware zurückgreifen. Amhalashal kontrolliert genauestens, wer welche Waren ins Herz des Reiches verschifft.

 

Die RashRagh-Hay

Seit fünfzehn Sommern befehligt der Ork Quwutaar die RashRag-Hay, eines der typischen Korsarenschiffe des Totenwassers. Die Ruderer der RashRag-Hay sind allesamt ehemaligen Sklaven der Ahmasim. Ursprünglich gebaut wurde die Galeere in Amhas, also vom Feind aller freiheitsliebenden Korsaren. Quwutaar hat das Schiff damals direkt unter den Augen des Senats aus dem Hafen gekapert. Seither jagt er vor allem in den Küstengewässern nördlich des Yal Hamat nach Schiffen, die von Amhalashal nach Amhas segeln.

Der Heimathafen des Schiffes liegt auf den Grogtopylen, einer Inselgruppe im Herzen des Totenwassers. Dort liegt die Galeere momentan auf Reede, da ihre letzte Begegnung mit Schwarzem Wasser beinahe in einer Katastrophe geendet hätte.

 

Takelage: I (R1) (40)
Riemen: 2×40 (80)
Länge: 35 Schritt
Breite: 5,5 Schritt
Tiefgang: 1,5 Schritt
Schiffsraum: 96 Quader (48)
Frachtraum: 32 Quader
Besatzung: 90 Korsaren des Totenwassers
Beweglichkeit: hoch (4)
Struktur: 13, Härte: 1
Geschwindigkeit vor dem Wind: 8 Meilen/Stunde (3); mit raumem Wind: 10 Meilen/
Stunde (4); am Wind: 1 Meilen/Stunde (1); gerudert Marsch: 9 Meilen/Stunde (3); gerudert Rammern: 20 Meilen/Stunde(6)
Bewaffnung: leichte schwenkbare Bastille mittelschiffs

 

Die Totenwasserkönigin – Piratenjäger aus Amhas

Die Totenwasserkönigin ist ein extrem großes Schiff, das vor wenigen Jahren in Amhas gebaut wurde. Hauptaufgabe der Königin ist die Jagd auf Piraten, welche von Zeit zu Zeit die Küsten des Totenwassers heimsuchen. Meist sind die Jagden erfolglos, und so ist die Königin auf Betreiben des Senats momentan stark unterbesetzt.

 

Takelage: II (R1,R1) (80)
Riemen: 6×30 (180)
Länge: 75 Schritt
Breite: 20 Schritt
Tiefgang: 2,5 Schritt
Schiffsraum: 1.750 Quader (875)
Frachtraum: 583 Quader
Besatzung: 360 R, 25 M, 50 Kriegssklaven, 25 Gastrapetenschützen, 15 G
Struktur: 15, Härte: 1 Beweglichkeit: niedrig (2)
Geschwindigkeit vor dem Wind: 4 Meilen/Stunde (3); mit raumem Wind: 8 Meilen/Stunde (4); am Wind: 1 Meilen/Stunde (1); gerudert Marsch: 6 Meilen/Stunde (2); gerudert Rammen: 12 Meilen/Stunde (4)
Bewaffnung: 2 Onager voraus, 1 schwenkbare Überschwere Balista mittelschiffs, 2 Morfus am Heck

 

Szenario: Auf einem kargen, einsamen Fels im Totenwasser, umspült vom gefährlichen Schwarzen Wasser, entdeckt der Ausguck eine Schwarze Rüstung. In ihr stecken die Überreste von Xolimos, einem Klingenmagier, der hier von Piraten zum Sterben zurückgelassen wurde und elendig an Durst und Hunger krepiert ist. Der Kapitän der Totenwasserkönigin entscheidet sich, die Überreste an Bord zu nehmen und nach Amhalashal zu überführen. Schon in der ersten Nacht spukt der Geist von Xolimos an Bord herum und beschädigt das Steuerruder, verdirbt Wasser und Lebensmittel und zerstört die Segel. Xolimos will das Schiff aus Rache für seinen Tod ins Unheil stürzen. Zudem hofft er, dass ihm sein dunkler Gott so neues Leben schenken wird. Um den Geist zu bannen, müssen seine Überreste samt Rüstung und Waffen von Bord verschwinden. Xolimos wird dies zu verhindern versuchen, indem er in die Rüstung fährt und als belebte Rüstung gegen jeden antritt, der seinen Knochen zu nahe kommen will.

 

Die Faust im Nacken

Der ehemalige Schwarze Reiter Monolus, Sohn eines Senators, übernahm vor etlichen Sommern diese Galeere im Hafen von Amhalashal. Seither hat Monolus schon alle Meere Rakshazars befahren und Schätze und Sklaven im Nahmen von Amhas erbeutet. Zurzeit soll Monolus an den Stränden der Blutigen See nach Beute suchen. Berüchtigt ist die „Faust Im Nacken“ für ihre Geschütze, zwei Morfus voraus, die die Decks gegnerischen Schiffen leerfegen.

 

Takelage: I (R1) (40)
Riemen: 2×40 (80)
Länge: 33 Schritt
Breite: 5 Schritt
Tiefgang: 1,3 Schritt
Schiffsraum: 72 Quader (36)
Frachtraum: 29 Quader
Besatzung: 80 R, 35 Piraten, 6G
Beweglichkeit: hoch (4)
Struktur: 15, Härte: 1
Geschwindigkeit vor dem Wind: 10 Meilen/Stunde (4); mit raumem Wind: 13 Meilen/Stunde (4); am Wind: 1,5 Meilen/Stunde (1); gerudert Marsch: 10 Meilen/Stunde (3); gerudert Rammen: 22 Meilen/Stunde(6)
Bewaffnung: Zwei Morfus voraus

 

Amhalashal, die schwarze Seele von Amhas

 

 

An den stürmischen Gestaden des unbezwingbaren Ozeans, schroffe Klippen an der Seeseite und die öde Geistersteppe an der Landseite, erhebt sich – hart und abweisend – ein uralter, kantiger Festungsbau über die Mündung des verdammten Flusses Byrastes: Castrum Amhalashal, dessen rund 80.000 Einwohner sich aus 20.000 Amhasim und 60.000 Sklaven rekrutieren. Der gefährliche, da vom Schwarzen Wasser durchzo­ge­ne Strom, welcher die Weiten der Geistersteppe durchschneidet, die ebenso leblos scheinen wie er selbst, ist dennoch eine wichtige Lebensader für Amhas, die ferne Hauptstadt der Amhasischen Republik. Er verbindet das Totenwasser, an dem Amhas liegt, mit dem Unbezwingbaren Ozean und garantiert den Handels­schiffen und den Großen Galeeren der Sklavenjägernation somit Zugang zum Meer. Amhalashal ist die Pforte dorthin und zudem von enormer strategischer Bedeutung, da eventuelle Invasoren, Freibeuter konkurrierender Nationen und feindliche Piraten an dieser Position dank der Festung bereits frühzeitig gestoppt werden können. Zu Zeiten des Imperiums war dies Maru-Gebiet. Nach dem Kataklysmus wurde die Region von den menschlichen Amhasiern kontrolliert, seit der Herrschaft des Brutheus dann von den Brokthar. Die Festungsanlage wurde zeitweilig von Sanskitarischen Kriegsherren besetzt, ist heute aber fest in der Hand der Amhasim. Von hier aus kontrollieren sie den Zugang vom Ozean zum Totenwasser und umgekehrt. Amhalashal ist die erste und wichtigste Zwischenstation der berüchtigten amhasischen Sklavenschiffe.

Stolz, schroff, uneinnehmbar und einschüchternd thronen die drei Türme von Castrum Amhalashal über einer Ansiedlung, die sich wie ein Ertrinkender an die Klippen der Steilküste zu klammern scheint. Am Fuße der Festung befindet sich eine Stadt, die unter den vielen wenig anheimelnden Ortschaften des Rieslands zu den ungemüt­lichs­ten zählt. Klein-Amhas, Südfeste, Wächterin des Flusses – Amhalashal (ursprünglich: „Landung des Amhas“, „der Ort, an dem Reichsgründer Amhas an Land gegangen ist“) ist unter vielen Namen bekannt. Ein hässlicher, überfüllter Flecken Dere inmitten einer schier endlosen Ödnis. Die Amhasim wissen die Profitgier der „niederen Rassen“ auszunutzen. Deshalb finden sich hier nicht nur amhasische Sklavenjäger, sondern Abschaum aus dem gesamten südlichen Riesland, der sich in dem elenden, verrufenen Kaff versammelt. Kopfgeldjäger, Piraten, Abtrünnige, Hexer und Sklavenhändler jeder Couleur hausen in windschiefen, baufälligen Holzhütten und löchrigen, hastig errichteten Lehmziegel-Pueblos. Hin und wieder finden sich schlammverkrustete Schreine zu Ehren niederer Gottheiten, die sich mit Arenen, Bordellen und im Eiswind flatternden Zeltwänden abwechseln. Den amhasischen Herren der Stadt ist es egal, was für Geschmeiß sich dort unten ansammelt, solange keinem der Ihren ein Leid geschieht und genügend Skla­ven den Byrastes hinauf nach Amhas transportiert werden.

Wie eine Perlenschnur zieht sich dieser Streifen aus Dreck und Unrat gut vier Meilen den Byrastes hinauf, immer wieder unterbrochen von kleinen Kais, auf denen Kaufleute aus aller Herren Länder, oftmals direkt von ihren Kähnen aus, ihre Waren feilbieten. Manche von ihnen leben auch in windschiefen Katzen, wo sie ihre Profite zählen und ihre Sklaven züchtigen. Währenddessen kämpfen sich jeden Tag die berüchtigten Schwarzen Galeeren stromaufwärts und lassen die Schreie der armen Seelen in ihren Bäuchen zum Ufer hinüberwehen.

 

Das Stadtzentrum

Das Zentrum der Stadt liegt an der Südspitze jener bergigen Landzunge, die vom Byrastes auf der West- und vom Meer an der Süd- und Ostseite umschlossen ist. Während die Festung auf dem Stadtfelsen hoch über den Dächern von Amhalashal thront, befindet sich die eigentliche Stadt – von zwei gewaltigen Mauerabschnitten im Süden und Westen begrenzt – tief unter ihr.

Als die Mauern vor mehr als zwei Jahrtausenden errichtet wurden, war niemandem bewusst, dass dieser Ort einmal ein wichtiges Zentrum für den Handel im westlichen Riesland werden würde. Dementsprechend eng geht es im Stadtzentrum zu, das nur eine größere freie Stelle sein Eigen nennt. Dieser zentrale Platz, das Forum, darf ausschließlich für militärische Zwecke genutzt werden und dient als Aufmarschplatz der ‚Schwarzen Garde‚. Es ist durch eine breite Hauptstraße, welche als ‚die Schneise‘ bekannt ist, mit den beiden zu Garnisonen ausgebauten Stadttoren verbunden,

Immer wieder versuchen die Anrainer und Händler, sich diese letzte freie Stadtfläche als Markt oder Baugrund nutzbar zu machem. Dafür ist ihnen kein Trick zu schmutzig und kaum ein Bestechungsgeld zu hoch. Spätestens jedoch, wenn die Garde zur jährlichen Inspektion nicht mehr in den vorgeschriebenen acht Gliedern durch den Moloch marschieren kann, wird die Schneise mit unvorstellbarer Brutalität neu geschlagen. Dann werden Marktstände in Brand gesteckt und neu errichtete Hütten kurzerhand abgerissen.

Aber auch abseits der Hauptstraße von Amhalashal ist nahezu kein Gebäude aus festem Stein erbaut. Geeigneter Baugrund ist rar, und so versucht man ihn schwächer scheinenden Eigentümern abzujagen. Immer wieder werden Bauwerke niedergebrannt oder sonst wie zerstört und ihre einstigen Bewohner vertrieben oder erschlagen. Auf den Trümmern errichten die künftigen Besitzer neue Hütten oder Warenlager. Eine schmuddelige Taverne grenzt an die nächste, und auf den Straßen versuchen Huren und Prediger, neue Freier und Anhänger zu gewinnen. Der in der Amhasischen Republik normalerweise staatlich verordnete Atheismus wird in Amhalashal nicht sehr ernst genommen, sodass die Stadt auch verbotenen Kulten aus der Hauptstadt der Republik oder flüchtigen religiösen Aufrührern aus anderen Regionen Zuflucht gewährt.

Auf der See- und Flussseite dominieren gigantische Anleger für die Flotte aus riesigen Sklavengaleeren das Stadtbild. Amhalashal ist die erste und wichtigste Zwischenstation der berüchtigten amhasischem Sklavenschiffe, die mit den Nagah oder den Sanskitarischen Stadtstaaten Handel treiben oder – häufiger – in ihren Gewässern als Piraten auf Beutezug gehen. Den Amhasim tolerieren, dass Amhalashal als Umschlagplatz für Hehlerware, Schmuggelgut und andernorts verbotene Güter dient. Selbst das regelmäßige „Verschwinden“ kleinerer Mengen von amhasischen Waren, die später auf dem Schwarzmarkt wiederauftauchen, nehmen sie in Kauf. Der Senat vermeidet jede Maßnahme, die dazu führen würde, die Attraktivität des Handelszentrums zu schmälern. Immerhin kommt es zuweilen zu Lieferengpässen, wenn die Expeditionen der Sklavenjäger nicht allzu erfolgreich verlaufen. In solchen Fällen lassen sich die Lücken bequem mit Einwohnern der Stadt schließen. Hier gehört es zum Alltag, dass Personen plötzlich verschwinden, ob es ein paar mehr oder ein paar weniger sind, fällt überhaupt nicht auf.

Amhalashal ist dennoch kein Ort, an dem sich ein zivilisierter Brokthar für längere Zeit aufhalten würde. Die Amhasim verabscheuen das dreckige Amhalashal. Manche fürchten sich regelrecht, sich dort mit der Wildheit der „primitiven Rassen“ zu infizieren. Trotzdem kommen immer wieder einige von ihnen aus der Hauptstadt in die Südfeste, um für ein paar Tage ihren niederen Instinkten und dunklen Gelüsten nachzugeben.

 

Die Barackensiedlung

Vor dem Nordtor, das fast immer offensteht, erstreckt sich die Barackensiedlung. Sie unterscheidet sich nur insofern vom Stadtkern, als dass hier weder geordnete Straßenzüge noch eine funktionierende Infrastruktur zu erkennen sind. Das Bild der Nordstadt ist geprägt von wild zusammengezimmerten Hütten und Zelten, welche von all jenen bewohnt werden, für die in der eigentlichen Stadt kein Platz mehr ist. Auch hier gilt das Recht des Stärkeren, und auch hier schert sich die Schwarze Garde nicht um die Bewohner, vielleicht noch etwas weniger als im Stadtzentrum. Die Bewohner der Barackensiedlung und des Stadtzentrums beäugen einander mit Arg­wohn, und nicht selten streiten sie um Grenzterritorien, Handelsplätze, Waren oder zahlende Kundschaft. Die üblicherweise anfallenden fünf bis zehn Leichen pro Nacht, die aus diesem steten Kampf erwachsen, werden im Byrastes entsorgt und landen meist stromabwärts in den Hafenanlagen und Fischerreusen der wütenden Innenstadtbewohner.

Ein Stück flussaufwärts, eine knappe Stunde außerhalb der Stadt, steht der Palast des Kriegsherrn Nemekles auf einer Klippe über der Gebeinküste. Es handelt sich um ein großes, dreistöckiges, festungsartiges Gebäude, in dem der Kriegsherr von seinen Feldzügen entspannt, Gäste empfängt, Beute verteilt und seine nächsten (Un-)Taten plant. Die mit weitläufigen Gärten versehene Anlage ist von einem Palisadenwall umgeben. In ihrem Inneren lagert in einer kleinen Zeltstadt der rund zweihundert Köpfe zählende bewaffnete Trupp des Kriegs­herrn, bestehend aus Kriegssklaven und abenteuerlustigen Ronthar. Wenn Nemekles in die Schlacht zieht, bleibt hier nur eine Stammbesatzung zurück, bestehend aus wenigen Wächtern.

Nemekles ist ein in Kurotan geborener Ronthar-Brokthar in den besten Jahren, welcher es in der Vergangenheit auf seinen Streifzügen zu großem Reichtum gebracht hat. Gemeinsam mit Kornur, der zunächst sein Sklave war und später sein Freund und bester Kämpfer wurde, rief er eine Truppe aus Halsabschneidern und Wegelagerern ins Leben, welche Karawanen, Xhul-Dörfer und Orks überfiel und sogar das Umland von Yal-Mordai terrorisierte. Nachdem man genügend Reichtümer geraubt hatte, wurde Nemekles in Amhalashal sesshaft und konzentrierte seine Überfälle künftig mit Duldung durch Gouver­neur Diomekis auf das Dreistromland. Nemekles gibt sich zivilisiert, ist in Wahrheit jedoch ein brutaler, verschlagener Kriegstreiber, der keinen Widerspruch duldet, noch nicht einmal durch seinen Freund Kornur. Einzig seiner Tochter Vea gegenüber gegenüber ist der Brokthar nachgiebig und weichherzig.

Den Herren der Stadt ist seine Anwesenheit gleichgültig. Der Gouverneur schätzt es insgeheim sogar, dass die nördliche Landseite von hunderten seiner kriegslüsternen Söldner verteidigt wird, die er erfreulicherweise nicht aus der Stadtkasse bezahlen muss. Doch die Amhasim schätzen die Neutralität des Kriegerfürsten falsch ein. Unter Nemekles‘ engsten Vertrauten befinden sich einige Angurianer, die ihn für ihre Sache gewinnen wollen.
 

Die Festung von Amhalashal

Die Burg hat eine ungewöhnliche Architektur: Drei gigantische Türme sind mit hohen Mauern zu einer drei­ecki­gen Wehranlage verbunden. Jeder Turm stellt eine autarke Befestigung zur Verfügung, die im Notfall völlig un­ab­hän­gig von den anderen betreten und verteidigt werden kann. Auf jedem der drei Türme haben die Amhasim ein Katapult installiert, welches sowohl Ziele auf dem Fluss als auch auf dem nahegelegenen Meer beschießen kann. Im Bedarfsfall lässt sich sogar das Stadtinnere unter Beschuss nehmen.

Zu imperialen Zeiten kontrollierten die Marus das verwitterte Gemäuer, das älter ist als der Rest der Stadt. Später versuchten Sanskitarische Kriegsherren ihr Glück, besetzten die Feste und übten damit Druck auf die Bewohner der Stadt aus. Es gab Zeiten mit zwei, ja, kurzzeitig sogar drei Burgherren, welche nebeneinander in verschiedenen Türmen residierten und einen jahrzehntelangen Festungskrieg ausfochten. Heute ist das Gemäuer fest in der Hand der amhasischen Republik. Gouverneur Diomekis macht sich dann und wann einen Spaß daraus, die Barackensiedlung zu Übungszwecken mit Brandsätzen oder Fäkalien beschießen zu lassen.

 

Das Leben in Amhalashal

Offiziell gilt in Amhalashal dasselbe Rechtssystem wie in Amhas selbst, allerdings wird es sehr viel seltener durchgesetzt. Der in den Augen der amhasischen Herren „primitive Abschaum“ kann die meiste Zeit des Jahres unten in seinen Hütten tun und lassen was er will. Messerstechereien, wüste Gelage, Drogenmissbrauch, Mord und Totschlag – all das interessiert die Herren der Festung wenig, solange die niederen Spezies diese Dinge allein unter sich ausmachen. Ist jedoch nur ein einziges Mal ein Amhasim bedroht, rückt die Schwarze Garde aus, eine Hundertschaft im Chutram-Kampf geschulter und in Eisen gerüsteter Amhasimkrieger, welche mit so ziemlich jedem Gelichter, das sich ihr in den Weg stellt, kurzen Prozess macht. In einem solchen Fall werden auch schon einmal kurzerhand einige Stadtbewohner zur Abschreckung hingerichtet, wobei diese nicht zwangsläufig etwas mit dem „Aufruhr“ zu tun gehabt haben müssen.

Auch bei der alljährlichen Festungsinspektion durch einen Gesandten des Senats sollte ein Nicht-Amhasim in Amhalashal extrem vorsichtig sein. Das Ereignis gilt als der „blutige Höhepunkt“ eines jeden Jahres. Gouverneur Diomekis und seine Garde ziehen eine Schau ab, bei der sie dem Inspekteur Amhalashal als Mustereinrichtung präsentieren. Eine Woche lang stromern die Gardisten pflichtbewusst durch die Gassen, verteilen für jede Kleinig­keit Prügel und richten Dutzende „potenzielle Unruhestifter“ hin. Oben in der Festung versucht der Gouver­neur, den Gesandten bei Schmeichelei und üppigem Festessen mit gefälschten Bilanzen und üppigen Festessen zu blenden. Der genaue Termin für den Besuch steht immer für ein Jahr im Voraus fest, sodass sich die Herren von Amhalashal und die Einwohner der Stadt darauf einstellen können. Nichts, was dem Gesandten präsentiert wird, entspricht der Realität, die gnadenlos beschönigt wird. Der Senat in Amhas weiß, wie die Festung tatsächlich geführt wird. Gouverneur Diomekis, der auf Lebenszeit nach Amhalashal abgeschoben worden ist und deshalb wenig Wert auf die Meinung des Senats legt, weiß, dass der Senat das weiß. Der Gesandte weiß, was der Senat weiß. Der Senat interessiert es wenig, wie die Festung geführt wird, solange sie ihren Beitrag zur Sicherheit der Hauptstadt leistet. Die Inspektion ist ein aufwän­dig inszeniertes politisches Spektakel, in dem es vor allem darum geht, Loyalitäten zu sichern und Machtstrukturen zu zementieren. In Diomekis‘ speziellem Fall bedeutet dies, ihn daran zu erinnern, was ihm blüht, sollte er sich aus gekränkter Eitelkeit gegen Amhas positionieren und den Feinden des Reiches zuzuarbeiten. Das Treffen dient zudem als Anlass, politische Gegner, Agitatoren und Klein­kri­minelle verschwinden zu lassen, die im Laufe des Jahres negativ aufgefallen sind.

Da Amhalashal weit von Amhas entfernt liegt, könnte man mutmaßen, dass die hier stationierten Amhasim ihre Rassenideologie womöglich etwas lockerer sehen, aber das ist weit gefehlt. In Amhalashal kommt es – von Geschäftsverhandlungen und den oft gezahlten, üppig ausfallenden Bestechungsgeldern einmal abgesehen – zu noch viel weniger zu Kontakten zwischen Amhasim und den sogenannten „Niederen“ als in Amhas selbst. Die einzige Ausnahme bilden die dem Gouverneur loyal ergebenen echsischen Kopfgeldjäger, welche er einsetzt, um „delikatere Angelegenheiten“ zu regeln. Die Amhasim in der Festung versuchen krampfhaft, eine Art „Klein-Amhas“ aufzubauen und aufrechtzuerhalten, in dem sie sich selbst als die Herren der Sieben Sphären aufspielen. In Amhas können Privatsklaven wenigstens im häuslichen Bereich relativ ungezwungen mit ihrem Herren umgehen, solange sie gewisse Konventionen einhalten. In der Festung jedoch lässt man sie ihre niedere Stellung mit aller Deutlichkeit spüren. Das verkommene Treiben unten in der Stadt sehen die Amhasim der Festung als Bestätigung ihrer selbsterklärten enormen moralischen Überlegenheit, welche von ihnen geradezu rituell zele­briert wird. In diesem Fall steckt deutlich mehr als der übliche amhasische Selbstbetrug dahinter, denn wer vom Senat in Amhalashal stationiert wird, ist mit Sicherheit in Amhas in Ungnade gefallen. Der Dienst in der Festung wird jenen zugeteilt, die in der Hauptstadt als untragbar gelten, sich für eine Hinrichtung aber nicht genug haben zuschulden kommen lassen. Ein klassischer Abschiebeposten an einen weit entfernten Ort mitten im Nirgendwo. Die Herren der Festung verbergen hinter ihrer Maske aus Arroganz also ihr eigenes Versagen.

Die Besatzungen der in Amhalashal stationierten amhasischen Kriegsschiffe hingegen sind in der Regel unbeschol­ten und können nach einjährigem Dienst nach Amhas zurückkehren, etwas, wofür die Festungsbesatzung sie leidenschaftlich hasst. Eine Abscheu, die auf Gegenseitigkeit beruht. Die Schiffer verabscheuen den Gouverneur und die Schwarze Garde hingebungsvoll für ihre Korruption, ihre Willkür und ihre schlampige Arbeit. Weniger unbescholten sind die Freibeuter im Dienste des Reiches und die in der Stadt geduldeten Piraten, die in aller Regel versuchen, sowohl der Festungsmannschaft als auch den Besatzungen der Kriegsschiffe aus dem Weg zu gehen.

Im Hinblick auf die Untragbarkeit der in der Region stationierten Amhasim geht Gouverneur Diomekis, der wohl berühmteste Delinquent der amhasischen Republik, mit schier leuchtendem Beispiel voran: Er gilt als vollkommen unberechenbarer Soziopath und Sadist. In Amhas at­me­ten zahllose Würdenträger auf, als er nach Amhalashal versetzt wurde, und insgeheim hegten einige von ihnen den Wunsch, seine Barke möge auf dem Weg dorthin im Byrastes versinken. Unbeliebt war Diomekis schon im­mer, doch bracht er das Fass zum Überlaufen, als er vor dem Senat eine neue Hinrichtungsmethode für auf­müp­fige Sklaven präsentierte. Was genau vorgefallen ist, hat bislang kein Außenstehender in Erfahrung bringen können, aber seine Technik muss selbst für die im Hinblick auf Folter und Sadismus nicht eben zimperlichen Senatoren zu viel des Schlechten gewesen sein. Man spricht über diesen extremen Eklat an unzivilisierter Barbarei nur hinter vorgehaltener Hand und bezeichnet ihn stets als „diese ekelerregende Schweinerei damals“. Besten­falls ist noch zu vernehmen, dass es um eine Art Dusche ging und einen Eimer schwarzen Schlicks aus dem Toten­wasser. Etlichen Senatoren war nach der halbstündigen Präsentation speiübel, und Diomekis‘ gesellschaftlicher Ruf war nachhaltig beschädigt.

Die Existenz von Amhalashal respektive die Tatsache, dass die Amhasim es kontrollieren, ist Sultan Arkamin IV. von Shahana seit langem ein Dorn im Auge. Die Sklavenjäger der Stadt fallen des Öfteren in abgelegene Dörfer des Dreistromlandes ein und schaden dadurch der shahanischen Wirtschaft nachhaltig. Schon mehrfach ist es zu Scharmützeln zwischen amhasischen und shahanischen Schiffen gekommen. Niemand zweifelt daran, dass sich die Angelegenheit mittelfristig zu einem größeren Seekrieg ausweiten wird. Berichten amhasischer Spione zufolge soll die Kshatria, die gefürchtete Stadtgarde Shahanas, Sultan Arkamin bereits konkrete Eroberungpläne vorgelegt haben.

 

Gebeinküste

Die Gebeinküste erstreckt sich von der Geistersteppe über die amhasische Republik bis ins fruchtbare Dreistromland. Berühmt ist diese Region vor allem für die Knochen riesiger Meeresungeheuer, die bei Ebbe aus dem Wasser ragen und bei Flut ein Labyrinth aus befahrbaren Gassen und Riffen bilden. Die Knochen der Ungeheuer, die zum Sterben hierher kommen, sind ein begehrter Rohstoff für die Amhasim, die hieraus ihre schwarzen Galeeren fertigen. Von seiner Schwimmenden Festung aus (eher ein schwimmender Palast), einem uralten Artefakt aus der Zeit vor dem Großen Weltenbrand, herrscht Sultan Arkamin IV. von Shahana über sein Volk und die freigelassenen Parnhai-Sklaven.

Allgemeines Bild: Durch Sedimente schmutzig-braun gefärbtes Wasser. Tidehub 1 Schritt.
Inseln: Kleinere Sandbänke
Fanggründe: Zahlreiche, ergiebige Fischgründe, Wale.
Bedeutende Häfen: Shahana, Amhalasha, diverse kleine Naturhäfen und Küstendörfer.
Seemächte: Amhas, Shahana.
Mysterien: Knochen gestrandeter Seeungeheuer, verschollene Stadt Namakari samt Schwimmender Festung (falsch, die Stadt liegt auf den Jominischen Inseln), Schwimmende Festung in Shahana.
Gefahren: Sklavenjäger aus Amhas, Seeschlangen, Hummerier (gelegentlich), Piraten, Sandbänke und Knochen.

 

Lotoswald

Wir wenden unseren Drachen nach Osten und gleiten über die Berge der Schwefelklippen hinweg. Bald weitet sich das Land. Unter uns erstreckt sich karges, ödes Land, die berüchtigte Geistersteppe. Die Berge verschwinden hinter uns, ebenso wie die Aschewolken, welche die dort befindlichen Vulkane ausspeien. Die karge Ebene unter uns begleitet uns tagelang, und das bange Gefühl, dass sie niemals enden wird, umkrampft mit seinem stählernen Griff unsere Herzen. Dann jedoch beginnen riesige, graue Wolkenmassen über uns hinwegzuziehen, die uns den Blick auf den Himmel versperren. Wir sind umringt von grellen Blitzen und dumpfem Donnergrollen, und der drohende Wolkenbruch wird nicht lange auf sich warten lassen. Nach einer unruhigen Nacht sind wir vollkommen durchnässt. Unter uns erstreckt sich ein riesiger, von unzähligen brodelnd-heißen Quellen durchzogener Urwald, aus dem sich gewaltige Dampfschwaden erheben. Dank unserer Recherchen wissen wir, dass sich zwischen dem Hügelland der auslaufenden Geistersteppe und dem den Bergen des Marhamal erstreckt und somit in einer Art Talkkessel liegt. Hier und da blitzen Sumpflöcher auf, und immer wieder sieht man gewaltige Echsen, die allein oder in Herden die Region durchstreifen. Darunter befinden sich Blutzähne ungeahnter Größe ebenso wie Donnerechsen, die ihre langen, eleganten Hälse über das Blätterdach hinweg recken, um die jungen Triebe der Bäume abzugrasen. Über der Szenerie, aber noch immer unter uns ziehen grässliche Flugechsen ihre Bahnen und stoßen immer wieder auf die Bäume herab, um dort befindliche kleinere Baumechsen zu erbeuten. Spuren von Zivilisation sind nicht zu entdecken, jedenfalls weigern wir uns, die in Höhlen am Rand des Tals lebenden, weißpelzigen Kopfjäger als solche anzuerkennen. Ein Stamm von Rochkotaii hat sich in dieser unwirklichen Gegend niedergelassen, Warkashii vermutlich, die ihren Ahnherrn vergöttlicht haben. Da die Orks ihm die Köpfe getöteter Feinde als Opfer darbringen, kann kein Zweifel bestehen, dass der Kult in Wahrheit dem Namenlosen huldigt.“

Der Lotoswald, auch Lotuswald, Lotoswälder oder Lotuswälder genannt, ist nicht mit dem “See der Träume” zu verwechseln, einer Sumpflandschaft innerhalb der Vaestfogg, die von giftigem Lotos überzogen ist. Es handelt sich vielmehr um ein Gebiet nordöstlich der Geistersteppe, südwestlich des Marhamal-Gebirges und westlich des Totenwassers, das geographisch und politisch zum Reich der Amhasim gehört. Es ist ganz überwiegend von einem dichten Urwald und von Sumpfland geprägt. In dieser Region ist es oft glühend heiß und feucht, sodass man von einem tropischen Regenwald reden muss. Die Hitze und die Feuchtigkeit findet ihren Ursprung nicht im natürlichen Klima der Region, das normalerweise eher gemäßigt oder gar kalt wäre, sondern in ausgeprägtem Vulkanismus, der sich vor allem in Form von heißen Quellen bemerkbar macht. Die von ihnen aufziehenden Dampfschwaden hüllen die Lotuswälder in stetigen Nebel.

Der Regenwald und der Sumpf sind ein Paradies für kleinere Flugechsen, Baumechsen, den Boden bewohnende Echsen wie Raptoren, Donnerechsen, Blutzahn, Dreihorn, Langhals, Sichelkrallen und andere Arten, dazu Knochenwüter sowie riesige Insekten. Zu den Echsen dieser Region zählt mit den auf dem Rückzug befindlichen Tharai auch eine kulturschaffende Variante. Die größte Gefahr für Kulturschaffende, die zu Fuß reisen, stellen jedoch die Mukat dar, riesige, hochgiftige Tausendfüßler.

Die Lotuswald-Tharai leben als Jäger und Sammler in kleinen Familiengruppen von etwa fünf bis fünfzehn Individuen. Sie vermeiden es, den Waldboden zu betreten, und leben in ständig wechselnden Baumhäusern. Die Steinechsen teilen den Glauben ihrer Verwandten aus den Steppen, scheinen jedoch über eine primitiv-alchimistisch geprägte Magietradition zu verfügen. Ihr Wissen um Gifte und Drogen, tierische wie pflanzliche, ist phänomenal und hat ihnen in der Vergangenheit einen bescheidenen Reichtum eingebracht. Da die Sklavenjäger der Amhasim aber jeden auftreiben, der sich insbesondere an dem namensgebenden Lotos der Region vergreift, wagen sie sich kaum noch an die Pflanze heran. Dadurch droht ihr Nachschub alsbald zu versiegen, was sich als fatal erweisen könnte, ist doch nicht nur ihr Handel praktisch zum Erliegen gekommen, sondern zudem eine Mehrzahl der Steinechsen süchtig nach der Droge.

Eingerahmt ist das Gebiet von einer Nebelwaldzone an den Berghängen, welche den Talkessel im Südwesten und Nordosten von den Nachbarregionen abgrenzen. Hier lebt das Gros der Lotoswald-Orks, von deren einstiger Steppenreiterkultur heute nichts mehr übrig ist. Sie leben von dem, was Dschungel und Sumpf hergeben, machen Jagd auf sämtliche Kulturschaffenden, die wahnsinnig genug sind, sich hierher zu verirren, um sie in bester Kannibalenmanier zu verspeisen, und beuten mit einfachen Mitteln die Erzvorkommen der Region aus. Das Zentrum des Tals überlassen sie den Echsen. Die Weißpelze bilden einen östlichen Ausläufer der Rochkotaii-Kultur, die primär im Tal der Klagen beheimatet ist. Ihr vergöttlichter Anführer Warkash, dem sie vermeintlich folgen, ist kein echter Gott, sodass der Kult im Wahrheit dem Namenlosen dient, dem der Stammesgründer zu Lebzeiten verfallen war. Nicht nur die Tierwelt sorgt also dafür, dass die Lotoswälder sich als ziemlich ungastliche Region präsentieren.

Seinen Namen hat das Land vom geheimnisvollen Dämmerlotus, einer bunten Lotuspflanze, welche die Dschungel und Sümpfe an vielen Stellen dominiert. Aus ihr lässt sich eine starke Droge gewinnen, die vor allem an den Höfen der sanskitarischen Sultane und der ihnen unterstellten Herrscher begehrt ist. Al’Hrastor selbst verwendet sie für finstere Rituale, die unglückseligen Sklaven ihre Lebensenergie entziehen, aber sie kann auch als starkes, rasch süchtig machendes Rauschgift zum Einsatz gebracht werden. Von Yal-Mordai, Teruldan und Shahana aus brechen immer wieder gewagte Expeditionen in den Lotuswald auf, um an die begehrte Substanz zu kommen. Die Pflanzen selbst zu bergen ist hochgradig riskant. Die Amhasim halten das Monopol auf die Ernte des Lotos und setzen es rigoros durch, um ihren Handelspartnern völlig überzogene Preise aufnötigen zu können. Deshalb geraten illegale Pflücker allzu oft in den Fokus amhasischer Sklavenjäger.

Auch Al’Hrastors Spione, die sich in Amhas angesiedelt haben, um schwarz geernteten oder geschmuggelten Lotos anzukaufen und nach Yal-Mordai zu bringen, leben ein gefährliches Leben, und das zuweilen nicht allzu lang.

 

Dan. Ein Amhasisches Schicksal.

 

 

Eine kühle Brise strich sanft über die großen Steinplatten des Forums. Sie wehte einen Schauer feiner Wassertropfen von der Saliente des großen Cales auf Dan herab. Auf seiner nackten Haut fühlten sie sich wie das Prickeln tausend feiner Nadelstiche an. Dan hielt nur mühevoll mit seiner Herrin und dem Boten des Senats schritt. Weit ausholend marschierten sie über das nächtliche Forum. Dan bewunderte wie die feine teruldanische Seide den Körper seiner Herrin im Wind umspielte. Von hohem Wuchs war sie, kräftig und muskulös gebaut und doch feingliedrig und geradezu grazil in ihrer Haltung und Bewegung. Das volle schwarze Haar umspielte, vom Wind aufgewühlt, ihren langen Hals.

Welch vollkommene Schönheit sie war! Es war klar, die Amhasim waren die Herren des Stahls, mächtige Krieger und große Philosophen; doch für Dan war ihre schiere Schönheit immer der klarste Beweis für die Größe der Amhasim gewesen. „Ebenmaß ist das Abbild innewohnender Ordnung“ hatte der große Leodates in der „De Natura“ geschrieben. Dan war überzeugt, so wie die an Anmut unübertroffenen Amhasim unter den Rassen Deres zur Herrschaft bestimmt waren, so war die junge Saliah unter den Amhasim zu Höchstem bestimmt. Und vielleicht war diese Nacht, dieser eilige und heimliche Ruf des Senats der Beginn ihrer großen Zeit.

Dan musste einen schnellen Schritt anschlagen, um seiner Herrin und dem Gesandten zu folgen. Sie erreichten bald die Stufen des Enneon, wo die Gremien des Senats tagten. Dan spürte, wie sein Herzschlag sich vor Aufregung beschleunigte. Es war eine große Ehre für einen Sklaven, ein Gebäude der Republik zu betreten. Nur die vertrauenswürdigsten Mitglieder der alten Familien durften dort dienen. Er konzentrierte sich auf sein Herz und senkte dessen Geschwindigkeit wieder etwas herab. Er musste jetzt unbedingt einen kühlen Kopf bewahren. Eine impulsive Handlung konnte, dass spürte er instinktiv, sein Leben kosten, oder sogar ihres.

Sie bestiegen die mächtige Treppe zum Haupteingang des Enneons. Die hohen Stufen waren nur für die hochgewachsenen Herren der Stadt würdevoll zu nehmen. Ein Sklave musste sich hier niederwerfen und Stufe für Stufe mühsam erklettern. Das war genau der Effekt, den der Architekt erzielen wollte; eine geniale und einfache Demonstration der Überlegenheit der Amhasim. Obwohl Dan großgewachsen war und die Stufen hätte nehmen können, ließ er sich bei jeder Stufe auf ein Knie nieder und erhob sich wieder. Saliah hatte bemerkt, dass ihr Leibsklave zurückblieb und sich umgedreht, um ihm einen Wink zu geben. Es war keine Zeit, um die Formalia zu beachten. Dan schloss mit einigen schnellen Sätzen zu ihr auf und gemeinsam erreichten sie das Epistyl.

Tag und Nacht standen Calesaten, schwergerüstete Elitesoldaten des inneren Ringes der Stadt, zwischen den neun Marmorsäulen des Senatsgebäudes, die im Schein der vollen Marhyna schwarz glänzten. Mit einer knappen Grußformel ließ man sie ein. Das Atrium war nicht beleuchtet, doch das Hallen ihrer Schritte auf dem Mosaik ließ Dan auf einen hohen Kuppelsaal schließen. Sie wurden in einen kleinen Seitenraum geführt; die Opifizie eines Senators, vermutete Dan. Der kleine Raum war nur von einigen kostspieligen Hanuraskerzen in purpurnes Licht getaucht. Er wurde von einer großen Mense aus poliertem Granit dominiert. Sie stand auf vier gebogenen Elfenbeinfüßen die von figürlichen Reliefs überzogen waren. Man hatte in der Eile einfache Holzhocker um die Mense gestellt, die in scharfen Kontrast zu der luxuriösen Ausstattung der Opifizie standen. Allein das Regal mit zahlreichen Libren, Werke der hohen Staatskunde, wie Dan vermutete, musste ein Vermögen wert sein.

Fünf ältere Herren, in ausladende Roben des Senas von Amhas gekleidet, erhoben sich kurz und grüßten Saliah wortlos. Während seine Herrin sich in die Runde der Senatoren setzte, schloss ihr Leibsklave die Tür von innen und blieb neben ihr stehen. Einer der Senatoren, ein weißhaariger kleinerer Amhasim, dessen hageres Gesicht mit zahlreichen Narben übersät war, trat zu Dan und musterte den nackten Sklaven lange. Er strich mit seiner Hand über die Hohen Wangenknochen und fasste schließlich Dans breite Schultern mit beiden Armen. „Erstaunlich, Saliah, das ist er also.“ Die Aufmerksamkeit der ganzen Runde galt nun dem Leibdiener. „Wenn ich es nicht wüsste, hielte ich ihn für einen von uns.“ Zustimmendes Gemurmel. „Dan stammt aus einer Reihe von siebenundfünfzig Generationen gezielter Verpaarungen. Er ist das unser vollkommenster Zuchterfolg. Die Zukunft von Amhas!“, entgegnete Saliah stolz. „Oder sein Untergang“ antwortete der Hagere während er tief in Dans Augen sah.

Dan spürte eine anflutende Hautrötung und reagierte sofort. Durch äußerste Konzentration rief er eine Stauung hervor und verhinderte den instinktiven Rubor facialis. Mit einer schellenden Ohrfeige streckte der hagere Senator den Sklaven zu Boden. „Er hat Chutram angewandt; beinahe hätte ich es nicht gemerkt, aber er hatte eine charakteristische Pupillenreaktion. Bist du dafür verantwortlich, Saliah?“ Ohne eine Pause und scheinbar ungerührt antwortete sie „Ja, ich habe es ihn selbst gelehrt.“ Empörung stand in den Gesichtern des Anwesenden. „Das ist unerhört, Chutram ist claustrum sublimis, nur uns vorbehalten!“ Dan wischte das Blut von seinen Lippen und erhob sich. „Er ist vollkommen, meine Herren Senatoren. Er ist mein Geschöpf; eine vollkommen neue Dienerrasse steht vor euch. Wie könnte ich seine Überlegenheit besser demonstrieren als durch das Chutram?“

Der Hagere erhob den Finger zu einer Antwort doch er kam nicht zu Wort. „Setz dich, Sokas. Wir sind nicht hier, um das Zuchtprogramm zu disputieren!“ Nach einer kleinen Pause führte Reklides, der Praete des Gremiums, das Anliegen des Senats aus. Dans Aufregung wuchs beinahe mit jedem Wort. Diese Sätze klangen wie der Beginn einer großen Historie. Doch alles stand auf Messers Schneide. Sie mussten noch zu dieser Stunde aufbrechen. Auf dem Weg zu ihrer Dome blickte Saliah ihren Diener an. Ihre eisblauen Augen blitzten zornig: „Das war sehr dumm von dir! Du hättest heute sterben können, und ich mit dir, mein schöner Dan.“

***

Gedankenversunken saß Dan in der schmierigen Kascheme am Hafen von Amhalashal. “Hätte nicht allein gehen dürfen”, dachte er bei sich. Andererseits hätten sie anders auch nicht ihre Bekanntschaft geheimhalten können. Es war für Dan ohnehin nur unter äußerster Konzentration möglich gewesen, unter den Seesöldnern der Citolaserva nicht aufzufallen. Er hätte es beinahe nicht über sich gebracht, das kleine Ipexcomädchen für den Fluchtversuch auszupeitschen. Wenn er dort gezögert hätte, wäre die gesamte Allegatio des Senats fehlgeschlagen. Kriegszeiten erfordern Opfer, sagte Dan zu sich selbst. Aber sein Gewissen nagte an ihm und lenkte ihn kurz von seinen Sorgen ab.

Der Bursche des nordländischen Wirtes, scheinbar ein Retarde, ging mit einem Krug durch die Schenke und bediente die Besatzung der Citolaserva. Außer den Amhasim saßen auch einige Tharai in der Schenke. Dan erschien es seltsam, dass diese gefährliche Spezies in dieser Stadt frei und bewaffnet herumlief. Das Erstaunlichste war jedoch, dass sie Seite an Seite mit Amhasim speisen durfte. Als der zurückgebliebene Bursche bei den Echsen angelangt war, war der Krug aber schon leer, und so wandte er sich zur Theke um. Dan sah, wie die kleinste der drei Echsen ihren Schwanz quer zum engen Durchgang stellte. Der Retarde stolperte darüber und stürzte auf den Tharai, der sich als Anführer der Bande aufspielte. Mit einem Zischen sprang die Echse auf und warf den Burschen gegen die Wand. „Du Misssgeburth!“, zischte sie böse. Allgemeines Gelächter erhob sich. Der Wirt wollte zu seinem Sohn eilen, doch Treas, der Steuermann der Citolaserva, hielt ihn zurück. „Krrrüpphel!“, lachte die kleine Echse, die den Retarden zu Fall gebracht hatte, lautlos und begann, mit den Knochen, die von ihrem Mahl übriggeblieben waren, nach dem Retarden zu werfen. „Dah hath Dein Papahh wohl nen Esssel besssprungen“, stimmte der schwärzliche Tharai, der dritte der Bande, mit ein. Als die Echsen nichts mehr auf dem Teller hatten und der Bursche verdreckt und heulend in der Ecke lag, verloren die Amhasim das Interesse an dem Spiel und wandten sich wieder ihren Gesprächen zu. Der Vater jedoch wagte es nicht, an den Tharai vorbei zu seinem Jungen zu eilen. Mit den Worten „Kommth Jungsss, wir machen mal sssauber“, schleifte der Anführer der Bande den zitternden Burschen aus der Schenke.

Dan, der dem Treiben widerwillig zugesehen hatte, stand nach einer kurzen Pause auf und ging ihnen unauffällig nach. Sie hatten den Retarden ins Hafenbecken geworfen und amüsierten sich nun, während der Junge um sein Leben strampelte. Sobald er, der scheinbar nicht schwimmen konnte, den Kopf aus dem Wasser hob, bewarfen die Tharai ihn zielsicher mit Steinen. Das Wasser war von einigen Platzwunden des Jungen schon blutrot gefärbt. Der Vater hatte sich auch aus der Schenke geschlichen und flehte die sadistischen Echsen verzweifelt um das Leben des Sohnes an. Dan konnte es nicht mehr mit ansehen. Er vergewisserte sich kurz, dass keiner der Amhasim ihn beobachtete, und lief dann lautlos zur Ponticule. Er konzentrierte sich auf die Formel des Kriegers. Das Mitleid, die Abscheu, seine Gewissensbisse und Sorgen fielen von ihm. Er spürte, wie die Kälte durch ihn ging. Er sah die Bewegungen seiner Gegner vor sich, wo sie waren, wohin sie sich in den nächsten Sekunden bewegen würden. Instinktiv sah er den kürzesten Weg und die Schritte des Angriffs vor sich. Er spannte seine Muskulatur und löste die gesehenen Bewegungen reflexartig nacheinander aus.

Ohne es zu merken, beschleunigte Ellie ihren Gang. Eine innere Unruhe hatte sie erfasst, seit sie Diomekis heute gesehen hatte. Es war nicht nur der übliche Widerwille und Ekel, den sie empfand, wenn er mit seinen fleischigen Händen nach ihr griff. Diesmal hatte der Gouverneur ein Funkeln in den Augen gehabt, wie es Ellie noch nie gesehen hatte. Etwas Furchtbares war im Begriff zu geschehen, das war alles, was sie spürte. Die Questora Extraordinaria war ihr eigentlich egal. Auch wenn es sie sehr erstaunt hatte, dass die hohe Gesandte des Senats so schnell erkranken konnte. Ellie hatte sie am Abend des letzten Tages noch selbst bedient. Sie hatte jung und kräftig ausgesehen und war mit ihren strengen, eisblauen Augen eine außergewöhnliche Schönheit. Insgeheim hatte Ellie gehofft, dass Diomekis über die Gesandte das Interesse an ihr für eine Weile verlieren könnte. Die Abmachung mit ihrem Vater besagte ohnehin, dass er sie erst an ihrem dreizehnten Geburtstag haben sollte.

Dafür bezahlte der Vater einen hohen Preis, das wusste sie, doch konnte sie keine Dankbarkeit empfinden. Bei dem Gedanken an ihren Geburtstag wurde Ellie von Ekel übermannt. Erst heute hatte Diomekis sich wieder eine scheinbar endlose Zeit an ihr gerieben. Als er sich endlich ergoss und Ellie die Schürze wechselte, hatte er sie zum Hafen geschickt, um bei der Besatzung des Sklavenschiffes, das die Gesandte gebracht hatte, nach einem Glandularius zu fragen. Die Questora Saliah spucke schon die ganze Nacht schwarze Galle.

Ellie war zügig zum Hafen geeilt und hatte nun beinahe die Schenke ihres Vaters erreicht, als sie Lärm vom Steg hörte. Sie sah einen amhasischen Seefahrer in das Hafenbecken springen. Dann fiel ihr auf, dass ihr Vater am Wasser kniete, die Schürze blutüberströmt. Ellie lief so schnell sie konnte zum Steg hinüber. Zu ihrem Entsetzen sah Ellie die Leichen dreier Kopfgeldjäger auf dem Steg, aber ihr Vater war scheinbar unverletzt. Chrrs, der Anführer der Bande, war geköpft worden und hatte scheinbar sein Blut über ihren Vater ergossen. Neben ihm stak ein großes amhasisches Stahlschwert im Holz des Stegs.

Ellie fiel ihrem zitternden Vater in die Arme. Über seine Schulter hinweg sah sie nun, wie der fremde Seefahrer ihrem verwundeten Bruder aus dem Wasser auf den Steg hob. Mit einem Satz war er neben ihnen. Ellie riss sich vom Vater los und warf sich erschrocken neben dem blutenden Bruder auf die Knie. „Verzeih“, hauchte der Fremde und riss einen Fetzen von Ellies weißer Schürze. Noch bevor sie protestieren konnte, hatte der Amhasim diesen fest um Annos Kopf gewickelt. „Wie kann ich euer Hoheit für eure Güte danken?“, fragte der Wirt, noch sichtlich vor Angst zitternd. „Indem du hierüber kein Wort zu irgendjemandem verlierst!“, antwortete der Fremde ohne zu zögern. „Das wird die Sanguisation stoppen, behandelt die Wunde mit Hegathwurzel und Zwiebelextrakt, sonst riskiert ihr eine Inflame“, fügte er hinzu. „Demnach seid ihr ein Heiler?“, fragte Ellie, die endlich zu Worten fand. Ohne seine Entgegnung abzuwarten, fügte sie hinzu: „Eure Dienste werden im Fort gebraucht. Die Questora ist schwer erkrankt!“ Wie von Donner gerührt starrte Dan das hübsche Mädchen an. Dann stützte er ohne ein Wort des Abschieds davon.

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Stille hüllte das weite trockene Tal ein. Die Sonne stand hoch am Himmel, und heiße Luft stieg flimmernd vom trockenen, staubigen Erdreich auf. Dan ging langsam den ansteigenden Pfad durch den lichten Olivenhain hinauf. Lose führte er das Maultier hinter sich beständigen Schrittes hinauf. Seine Augen mit der rechten Hand beschattend blickte er zum Kamm des An’Mori hinauf. Erst vom Pass von An’Mor würde er das Gurmassiv in der Ferne erblicken. Doch auf dem Pass begann die Reise erst für ihn. Die Aufständischen, die diese Täler bewohnten, waren äußerst gefährlich. Dan wusste, sie würden zuerst angreifen und später fragen. Trotz der Gefahren musste er weitergehen. Was ihm am Ende blieb, war der Weg zur Felsenstadt, der Weg zum verheißenen An’Khoral. Er musste sie finden oder bei dem Versuch sterben. Dieses eine mal konnte er etwas in seinem Leben tun, was wirklich von Bedeutung war.

Er kontrollierte die Aktivität seines Körpers; nur so viel Anstrengung, wie der Wind zuließ. Im Sommer konnten die Täler des Yal-Hamat so trocken sein, wie die Wüste Lath. Der Wind reichte aus um zwei oder zweieinhalb Horamillia anzuschlagen. Ginge er schneller, so würde sein Körper nur mit Hilfe von Sudation die Temperatur halten können. Da er aber seit Tagen kein Wasser gefunden hatte, musste Dan streng haushalten. Die schwarze Silhouette eines Vogels zeichnete sich über dem Pass am blauen Himmel ab. Anhand seiner Fluggeschwindigkeit und Größe schätzte Dan, dass es sich um einen gewaltigen Raubvogel handeln müsse. Wahrscheinlich ein Kalkarim, den sie auf mich angesetzt haben, dachte er. Der Verdacht, mitten in eine ausgelegte Falle zu laufen, hatte sich im Verlauf der letzten Tage immer weiter erhärtet. Dan war an drei Bergbächen vorbeigekommen, doch keiner führte Wasser. Das feuchte Bett und die zarten Uferpflanzen verrieten Dan, dass diese Gewässer unvermittelt zu fließen aufgehört haben mussten. Das war eine Zermürbungsstrategie der Angurianer, von der Dan schon einmal gehört hatte.

Sie leiteten das Wasser im Sommer in Höhlensysteme um, um Eindringlinge von der Wasserzufuhr abzuschneiden. Hatte der Eindringling das Gewässer hinter sich gelassen, so ließen sie dem Bach wieder die natürliche Verlaufsrichtung. Als Kundschafter standen ihnen dabei die intelligenten Aasgeier des Yal-Hamat, die Kalkarim, zur Seite. Es war ungeheuerlich, mit welchem Einfallreichtum diese ehemaligen Sklaven sich vor dem Zugriff der Amhasim schützten. In höheren Lagen, so wusste Dan von zahlreichen Berichten der Sklavenjäger, musste er sich sogar vor gezielten Steinlawinen in Acht nehmen. Einen direkten Angriff würden die Angurianer erst ganz zuletzt folgen lassen. Sie wussten um ihre corpale und armale Unterlegenheit und machten sie durch eine ungeheure Accomodatio naturalis wieder wett. Wie stark das sogenannte einfache Leben doch war? Wie sehr sträubt sich eine Distel, eine Kakerlake oder ein Angurianer gegen den Tod? War nicht mehr Lebenswille in einem einfachen angurianischen Stammeskrieger als in dem höchsten Chutrammeister von Amhas?

Mit jedem Schritt den Dan von seiner alten Heimat tat, sah er sein Leben klarer. Oh ja, die Amhasim waren starke Herren. Mächtige Handwerker und Krieger und hohe Gelehrte, doch sie hatten etwas verloren, das war Dan nach vielen Jahren des Kampfes klar geworden. In ihrem steten Streben nach Höherem hatten die Amhasim dem wahren Geschenk des Lebens entsagt. Sie hatten die Freiheit verloren und das Glück. Und war nicht der stete Widerspruch dieser zwei Prinzipien, das feine Equilibium, das eigentliche höchste Ziel des denkenden Lebens? Mit ihrer Macht und Herrschaft über das niedere Leben wollten all die Senatoren ad finitum doch nur diese Ziele erreichen. Sie versklavten, um selbst frei von Arbeit zu sein, doch in ihrer toten Stadt sperrten sie sich in Ringe von Mauern, riefen mächtige Krieger zu ihrer Wache und trautem keinem mehr, nicht einmal ihren eigenen Kindern. Sie gaben sich Orgien und Wettkämpfen hin, frönten hoher Dichtkunst und Philosophie, doch sie erreichten nie Zufriedenheit und verloren das unbeschwerte Lachen.

Sein ganzes Leben lang hatte Dan versucht, einer vorn ihnen zu sein. Er war ein wahrer Meister des Chutram geworden. Er hatte ihre Historie und Medica, die Staatskunst und die Philosophie studiert. Er war ein exzellenter Schwertführer und ein Meister des Chutram geworden. Er hatte dem Senat und der Republik sein ganzes Leben lang treu gedient. Und schließlich hatte er erreicht, was keinem Sklaven zuvor gewährt worden war. Man hatte ihn zum Bürger von Amhas ernannt. Doch was hatte es ihm genutzt. Endlose Tage in seiner Dome hatte er nur dagesessen und ins Leere gestarrt. Er hatte immer nur an diese wenigen Augenblicke denken können, die Tage in Amhalashal. Er hatte nur immer an sie denken können. Ihre gütigen, braunen Augen; Das weiche blonde Haar, das sich an ihre zarten Schultern schmiegte. Ihre feine Clavicula, die darunter eine kleine Mulde bildete. Das glockenhelle Lachen, das nur selten unbeschwert klang.

Diomekis hatte für seinen Verrat bezahlen müssen. Doch Dan hatte auch bezahlt. Und der Preis, so wusste er nun, war seine Seele gewesen. Etwa eine Stunde vor dem Pass blieb sein Maultier stehen. Dieses störrische Geschöpf ließ sich, vielleicht aus Angst, durch keinen Versuch Dans dazu bewegen, weiter hinaufzusteigen. Also nahm Dan, der entschlossen war, den Pass an diesem Tag noch zu überqueren, dem Maultier die Packtaschen ab und befreite es vom Halfter. Dann schulterte er die Taschen und schritt kräftiger voran. Eine innere Stimme sagte ihm, dass sein Wasser nur für heute reichen müsse. Noch bevor die Sonnenscheibe den letzten Weg hinter den Horizont antrat, erreichte der Alte die Anhöhe des An’Mor. Sein Blick schweifte in die Runde der Berge von Yal-Hamat.

Ganz im Süden erhob sich aus einem massiven Altoplan der Gipfel des An’Gur. Des Berges der Freiheit, wie die Sklaven ihn nannten. Ob diese Sklaven wirkliche Freiheit gefunden hatten, fragte sich Dan nachdenklich. Er hatte gehört, sie frönten dunklen Göttern und verkauften ihre Seelen an Dämonen, um mächtige Kämpfer zu werden. Dass es sich bei diesen Angaben der Referationen um Facta handelte, wagte Dan zu bezweifeln. Es konnte durchaus geschickte Propaganda sein. Der Senat schreckte, wenn es um die Suicaveratio Amhasi ging, nicht mal davor zurück, Dokumente der großen und berühmten Thesaurolibria zu manipulieren. Welche Ironie: Das Wunder vom Amhas, voller Lügen und Halbwahrheiten der Amhasim. Sein Blick richtete sich auf einen Felsen, der sich steil zu seiner Linken erhob. Der Kalkare saß dort selbstgefällig und schaute zu ihm hinunter. Dan hatte in der „De Natura“ keine Darstellung dieses Vogels gefunden, und seine Hässlichkeit überraschte ihn. Es war beinahe so, als hätte die Weltordnung ihn für sein schwarzes Gemüt strafen wollen. „Was meinst Du, alter Knabe“, rief Dan in der Tonart der alten Herren von Amhas zu dem Aasfresser hinauf. „Worin liegt nun die Bedeutung des Lebens?“ Der Kalkare antwortete nicht, doch seine Gesichtszüge veränderten sich. Es war beinahe als hätte das Tier Dan hämisch angelächelt. Bei diesem Anblick lief dem alten Mann ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Das war das Grinsen des Todes, dachte er bei sich. Ich habe deine Antwort verstanden, mein Freund. Die Antwort des Todes auf diese Frage kann nur eine sein: Es endet.

Kraftlos kniete Dan sich in der Mitte der Straße nieder, hatte er doch die Kontrolle über sich verloren. Sein Blut war dick geworden und seine Lippen spröde vom Mangel an Wasser. Ein Kaninchen raschelte in einem nahen Gebüsch, bevor es in gestrecktem Lauf über die Straße schoss und zwischen den Feldern verschwand. Dan war beinahe gleichzeitig aufgesprungen und machte einen Satz hinter einen Felsvorsprung. Doch der Schmerz in seinem Rücken sagte ihm, dass er einen entscheidenden Moment zu spät reagiert hatte. In seiner Deckung zog Dan das schlanke Stahlschwert, dass er stets bei sich führte. Dann konzentrierte er sich auf seinen Körper. Seine Niere war getroffen, und er verlor viel Blut. Es kostete ihn ungeheure Anstrengung, die Blutung zu verlangsamen, und er wäre beinahe ohnmächtig geworden. Der Alte schüttelte den Schwindel ab und dachte nach. Er hatte nur wenig Zeit, vielleicht noch einen Tag. Dann würde er dem Blutverlust erliegen. Er hatte durch den Aufstieg schon zu viel Flüssigkeit verloren. Wenn die Angurianer das wussten, konnten sie sich zurückziehen und seinen Tod abwarten. Aber so schätzte Dan sie nicht ein. Es würde zu einem Kampf kommen. Er ging noch einmal alles durch, was er über die Angurianer gelernt hatte. Dann rief er aus seinem Versteck: „Ihr seid schwach, wenn ihr aus dem Hinterhalt schießt. Hat man euch denn keinen Kampf gelehrt?“ Kurze Zeit geschah nichts, doch dann hörte Dan eine junge, kräftige Stimme, in der viel Arroganz mitschwang: „Komm heraus, alter Mann. Als du davonhüpftest, dachte ich, du seiest ein Kaninchen, also schoss ich. Bist du ein Mann, wie es deine Stimme verrät, so will ich dir die Ehre schenken, durch mein Schwert zu fallen.

Ob der Angurianer wohl allein war, erwog Dan. Wie es auch war, er hatte keine Wahl. Er konnte kämpfen oder verbluten wie ein Tier. Dan trat hinter dem Vorsprung hervor. Erschrocken blickte er auf den jungen Mann, der ihm gegenüberstand. Er war hochgewachsen und muskulös, wie es die Brokthar und Amhasim waren, doch das blonde Haar war das eines Nordmannes, der einen unbeschreiblichen Ausdruck im Gesicht hatte. Seine Rüstung bestand aus einem Flickenteppich von kleinsten Lumpen, und er war über und über mit Skalps und Schmuckresten seiner Opfer behangen. Der Junge war tatsächlich allein und kam mit gezogenem Schwert auf Dan zu. „Das Schwert eines Amhasim“, stellte Dan fest „Du bist also nicht nur ein feiger Meuchelmörder, sondern auch ein Dieb!“ Dan konnte im Gesicht des Jungen sehen, wie diese Worte ihn getroffen hatten. Vielleicht war dieser Kampf doch noch nicht verloren für Dan. „Es gehörte einem dreckigen Bastard, wie du einer bist. Schade nur, dass ich mich mit deinem wertlosen Amhasblut besudeln muss.“ Viel offener Hass lag in der Stimme des jungen Mannes.

Die Kontrahenten näherten sich langsam bis auf wenige Schritt. Dan war aufs Äußerste konzentriert. Er musste den Angriff des Jungen abpassen, den Moment, in dem seine Deckung vollkommen offen war. Er klärte seinen Geist. Die pulsierende Niere wurde zu einer kalten, blauen Kugel. Er war vollkommen leer. Dann sagte er mechanisch die Worte, die das Schicksal des Burschen besiegeln mussten: „Wie nennt man es in An’Gur, wenn ein Knabe wie du mit seiner Mutter liegt?“ Bei dem Wort „Mutter“ zuckte der Schwertarm des Angurianers kurz, bevor er seine Bahn begann. In diesem Moment sah Dan den Pfad des Schwertes vor sich. Wie eine Schlange schnellte er los und rollte sich um das Schwert herum zwischen den Angreifer und seiner Waffe. Ein Stoß mit dem Knauf auf den Plexus des Schwertarmes genügte, um den Jungen zu entwaffnen. Nun standen sie unmittelbar Auge in Auge. Nur die Klinge des Alten trennte sie voneinander. Der Angurianer hatte die Überraschung noch nicht überwunden. Er hatte äußerst schnelle Reflexe, dachte Dan, wenn er ausgebildet würde, wäre er ein mächtiger Schwertmeister. Weitaus mächtiger als Dan es je geworden war. Doch die Jugend und die unterlegene Technik der Angurianer hatten es ihm nicht erlaubt, diesen Kampf zu gewinnen. „Ich lasse dich leben, wenn du mich nach An’Khoral führst.“ Die Überraschung im Gesicht des Jünglings wich einer eisernen Härte. „Niemals würde ich einen dreckigen Amhasim in die gelobte Stadt führen.“ Er spuckte dem Alten ins Gesicht. Ungerührt antwortete ihm dieser: „Und wenn ich dir sagte, dass ich kein Amhasim bin? Wenn ich nun ein Sklave bin, der die Freiheit erlangt hat?” „Die Amhasim lehren ihre Sklaven nicht, so zu kämpfen“, wies der Angurianer ihn zurück. „Du bist ein Spitzel; eher sterbe ich, als dich zur Felsenstadt führe!“ „Ich zeige dir das Brandmal.“ Dan nahm vorsichtig das Schwert herunter und knüpfte mit der linken seinen Mantel und sein Hemd auf. Über dem Herzen war das Dreieck mit dem Auge eingebrannt: Das Zeichen der Sklaven des Inneren Ringes. Gedankenverloren blickte Dan einen Moment herab auf das Symbol seiner Versklavung. In diesem Moment traf ihn der Angurianer hart mit dem Ellenbogen an der Schläfe und warf ihn von den Beinen. Dan landete unglücklich auf dem Pfeil und spürte, wie dieser sich tiefer in seinen Körper hineinbohrte. Er blutete nun sehr stark und tränkte den staubigen Boden mit einem Schwall von Blut. Der Angurianer bückte sich über den Alten. Er warf das Schwert zu Seite und nahm ihm auch den Dolch. Dan nahm alle Kraft zusammen. Er hob die linke Hand und berührte die Brust seines jugendlichen Feindes. „Ich habe dich nicht belogen, doch was spielt das jetzt noch für eine Rolle. Es ist hier zu Ende.“ Wie der Schatten des nahenden Todes schwebte der Aasfresser von seinem Thron herab und begann das Fleisch am Bein des tödlich Verwundeten zu zerreißen. Dan spürte den Schmerz kaum noch. Zweifel stand dem Jungen nun ins Gesicht geschrieben. Auf einen schwachen Wink kam er näher an den Sterbenden heran. „Geh zu Elleomalia von Amhalashal. Sag ihr: Ich habe sie immer geliebt.“ Bei diesen Worten wurde der Junge ganz blass. Dan konnte nur mit Mühe die Augen offen halten, doch er erriet noch die Gedanken des Jungen und erkannte seinen Ausdruck. Mit seinem letzten Atemzug hauchte er ihm ins Ohr: „Vergib mir, mein Sohn.

 

 

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