Rakshazar, das Riesland, für DSA. Teruldan, das Juwel der Wüste

 

Die Stadt Teruldan

Teruldan, „Perle der Wüste“ oder auch „Juwel der Wüste“ genannt, zweitkleinste der Sanskitarenstädte (rund 90.000 Einwohner, davon 70.000 Sanskitaren) nach Yal-Amir/Arkimstolz und Heimat zahlreicher Xhul, hat als einzige Metropole der Sanskitaren keinen Zugang zu offenem Gewässer, sondern liegt inmitten der Wüste Lath. Schon von weitem sieht man die mächtigen Wehrmauern der Stadt und den schwindelerregend hohen Turmpalast des Sultans mit seinen bronzenen Kuppeln und leuchtend grünen Zwiebeltürmen. Von hier aus ziehen die großen Karawanen hinaus in die sengende Hitze der Lath oder kehren reich beladen mit den Schätzen des Ostens und Südens in den Schoß der „Zivilisation“ zurück. Woher auch immer die Reisenden nach Teruldan kommen, die Einwohner werden dafür sorgen, dass ein Teil ihrer Reichtümer in der Stadt bleibt.

So wie die übrigen Sanskitarischen Stadtstaaten mit Ausnahme Yal-Kalabeths ist auch Teruldan auf den Über­resten monumentaler Riesenbauten aus mahrynianischen Zeiten errichtet. Anders als in vielen anderen Sanskitarenmetropolen prägen sie gegenwärtig nicht mehr das Stadtbild, sondern sind im Laufe der Jahrhunderte so weit im Wüstensand versunken, dass sie ausgedehnte Katakomben bilden, eine regelrechte zweite Stadt unter der Stadt.

Alte Geschichten berichten davon, dass die Wüste Lath seit elf mal elf Generationen Teruldan vollständig umschließe. Noch eine Lebensspanne zuvor soll die Wüste zwei ganze Tagesreisen entfernt gewesen sein. Nahe Teruldan findet sich ein flaches Sandsteingebirge mit tiefen Schluchten, die teilweise bis tief hinunter zum Grundwasser reichen und einen Teil der Versorgung der Metropole sichern. Der Rest speist sich aus dem unterir­dischen Lauf des im Yal Hamat-Gebirge entspringenden Flusses Terul.

 

Geographie

Nirgendwo in Rakshazar würde man eine Metropole mit rund neunzigtausend Einwohnern – vor allem Sanskitaren und Xhul – weniger erwarten als in der mörderischen Wüste Lath, und doch ist Teruldan unzweifelhaft existent. Dass dies möglich wurde, ist einer Laune der rakshazarischen Natur zu verdanken. Rund fünf bis zehn Schritt unter dem Wüstensand strömt der Terul, ein im Yal-Hamat-Gebirge entspringender Flusslauf, der von Südwest nach Nordost unter der Lath herfließt, Teruldan schneidet, nach Süden abknickt, in der Grünen Sichel ans Tageslicht tritt und bei Yal-Kalabeth in die Blutige See mündet. Alljährlich nach den starken Regenfällen des Frühjahrs schwillt der unterirdische Fluss stark an und ergießt sich nahe Teruldan in die Wüste, die dadurch an diesem Ort jedes Jahr für einige Monate in einen wahren Garten Eden verwandelt wird. Die Städter können in dieser Zeit genug Ernte einbringen, um die gesamte Bevöl­kerung zu ernähren.

Sobald die Regenzeit über dem Yal-Hamat niedergeht, verwandelt sich das Terul-Bassin in eine Fluss- und Seen­landschaft, teilweise sogar in Sumpf. Auf Stelzen und Plattformen errichtete Dörfer bleiben von den Fluten verschont, sind in dieser Zeit aber nur mit dem Boot zu erreichen. Die hier ansässigen Fischer und Bauern fahren Fang und Ernte ein und konservieren die Lebensmittel mit jahrtausendealten Techniken, damit sie in der Zeit, in welcher die Wüste keine Erträge einbringt, nicht verderben und die Menschen über die Phase der Trockenheit retten. Nach rund drei Monaten schwinden die Wassermassen, und der Terul zieht sich in sein unterirdisches Bett zurück. Es bedarf dann tiefer Brunnen und der antiken Pumpstationen, um ihn weiterhin für die Wasserversorgung der Stadt anzuzapfen.

 

Architektur

Der Terul liefert mit seinen Sedimenten auch das Baumaterial für die Stadt und ihre hohen Mauern, Türme und Tore, die aus in der Sonne gebrannten Lehmziegeln errichtet wurden. Ihre Grundfarbe entspricht der Farbe des roten Sandes der Lath.

Hinter den bunt verzierten oder mit Reliefs geschmückten dicken Lehmmauern der Häuser Teruldans ist es kühl und dunkel wie in einer Höhle. Die kleinen gerundeten Fenster in diesen Mauern werden mit Stoffen verhängt, um Sonne, Staub und Ungeziefer abzuhalten. Verriegelte Läden aus Holz oder Bambus verschließen die Öffnungen in der Nacht und bei Sandstürmen.

Die Gassen Teruldans sind eng und die Dächer flach. Ein geübter Dieb kann sich über die Dächer der Stadt schneller bewegen als durch das dichte Gedränge in den Gassen, wo sich allüberall die Waren der Händler und deren feilschende Kundschaft drängen.

 

Die Pumpanlagen

Das Wasser für die Gärten und Brunnen Teruldans wird mit einer Vielzahl von riesigen Pumpen aus vor­ge­schicht­li­cher Zeit aus dem unterirdischen Lauf des Terul, gigantischen Zisternenanlagen und natürlichen Wasserspeichern geholt. Alljährlich füllen die Schwemme des Terul und die über das Sandsteingebirge hinabströmenden Wassermassen diese über ein Labyrinth von Kanälen mit dem wertvollen Nass. Zuweilen wird auch zehntausende von Jahren altes fossiles Grundwasser zutage gefördert.

Das ausgeklügelte Pumpensystem erfüllt noch immer seinen Dienst, ist allerdings halb zerfallen und störanfällig. Immer mehr Teile der uralten Wasserversorgung fallen aus oder können nur notdürftig instandgehalten werden. Mit riesigen Pumpenrädern aus Holz und Titanenechsenknochen haben die Sanskitaren die alten metallenen Laufräder über die Jahrhunderte hinweg notdürftig ersetzt. Ebenso alt und baufällig sind die Bewässerungsanla­gen, welche die Brunnen und Rosengärten in den Innenhöfen der Paläste speisen. In letzter Zeit fallen vermehrt Teile der alten Wasserversorgung aus, und das Wissen der Sanskitaren reicht nicht, die komplexe Mechanik reparieren zu können.

Die geometrischen, doch erhaben wirkenden Pumphäuser der Altvorderen sind über die ganze Stadt verteilt. Einige verfügen über Windräder, während die meisten über Sklavenlaufräder angetrieben werden, in welchen die Sklaven anstrengendem, stupidem, ewig gleichem Trott nachgehen. Damit eine Stadt dieser Größe versorgt werden kann, müssen die Artefakt-Pumpen ständig in Bewegung bleiben.

Alle größeren Pumphäuser sind in der Hand eines der großen Handelshäuser oder des Sultans. Trotz ihrer strategischen Bedeutung sind sie nur in Ausnahmefällen Ziel von Sabotageakten. Die Bewohner der Stadt sind sich im Klaren darüber, dass dies die Lebensadern Teruldans sind, und nur wahnsinnige oder abgrundtief verdor­bene Seelen würden in Erwägung ziehen, sie zu attackieren und zu beschädigen.

Mit Hilfe eines komplizierten Netzsystems sind die Pumphäuser der verschiedenen Stadtviertel über ihre Zister­nen miteinander verbunden. Die meisten von ihnen sind groß genug, um aufrecht stehen durch sie hindurchzu­gehen. Etwas, das auch tatsächlich geschieht. Man trifft hier auf allerlei lichtscheues Gesindel, das es mit den ungeschriebenen Gesetzen Teruldans nicht allzu genau nimmt. Vor allem nach der Terulschwemme sieht man immer wieder merkwürdige Kreaturen und gefährliche marhynianische Artefakte. Man munkelt, es gäbe unter Teruldan eine riesige Zissme der Marhynianer, voll von unsagbaren Schätzen und ebensolchen Gefahren, die über verborgene Kanäle mit der Wasserversorgung verbunden sei und über diese betreten werden könne.

 

Der Wüstenhafen

Während der Überschwemmungen können die Dörfer des Schwemmlands nur über Wasser erreicht werden. Ein gefährlicher Weg, denn sobald der Wasserspiegel steigt, schwimmen riesige Krokodile aus der Grünen Sichel kommend flussaufwärts und halten Ausschau nach nahrhaften Leckerbissen.

Um für die Bauern und Fischer einen Warenumschlagplatz zu schaffen, von dem aus die Güter zwecks Versorgung der Stadt weiterverteilt werden können, wurde schon vor Jahrhunderten eine Hafenanlage mitten in der Wüste errichtet. Diese liegt drei Meilen südlich der Stadt an einem uralten Kanal, welcher dank der Nachlässigkeit der korrupten Wesire in naher Zukunft zu versanden droht.

Um den Wüstenhafen herum hat sich eine wuchernde Vorstadt entwickelt. Es handelt sich um einen bunten Schmelztiegel von Riesländern aller Völker und Kulturen, die nicht in der Enge Teruldans leben möchten, und verdankt es nur dem generellen Reichtum der Metropole, dass sie nicht zum Armenhaus der Region absteigt.

 

Die Stadt der Karawanen

Mindestens ebenso bedeutend ist der Hafen der lebenden Wüstenschiffe, der Kamele, Lastechsen und Knochenwüter. Er befindet sich am südlichen Stadttor. Die Teruldaner sind die einzigen, die es je fertiggebracht haben, die in der Wüste Lath lebenden Knochenwüter zu zähmen und als Nutztiere zu verwenden. Die großen Panzerechsen ziehen riesige Wagen, welche auf mindestens sechs großen Scheibenrädern ruhen, oder sie tragen Frachtgondeln auf dem Rücken. Die Reisegeschwindigkeit einer teruldanischen Karawane ist nicht besonders hoch, aber dafür ist sie nur sehr schwer aufzuhalten. Sie sind in aller Regel schwer gerüstet. Auf einigen der Knochenwüter reiten Bogenschützer, und der Zug wird von Speerträgern sowie Lanzenreitern flankiert. Nichtsdestotrotz halten sich etliche Räuberbanden in der Lath auf, die darauf hoffen, die Sicherheitsmaßnahmen besonders lukrativer Liefe­rungen zu überwinden und reiche Beute zu machen. Meist handelt es sich um Xhul oder – seltener – Sanskita­rische Reiternomaden oder Brokthar aus Ronthar oder Kurotan.

Die Einwohner Teruldans wollen aus Sicherheitsgründen keine Knochenwüter oder Lastechsen in Teruldans Gassen sehen. Die Tiere werden aus diesem Grund am Stadtrand zurückgelassen. Deshalb trifft ein Stadtbesucher zuerst auf die riesigen Gehege, in denen die Karawanentiere untergebracht werden, und auf den Kamelmarkt. Die Pflege der Tiere ist aufwändig und mit viel Arbeit verbunden, daher findet man hier eine ganhze Schar von Arbeitern, die den Karawanenführern ihre Dienste anbieten, wenn nicht gar aufdrängen. Mietstalleigner, Tierheiler, Kamel­händler, Bestienmeister, Dungsammler, Futterhändler und Tiertreiber gehen hier ihren Professionen nach.

Hinter dem bronzenen Südtor, das von mächtigen Türmen und Lehmziegel flankiert wird, findet der müde Reisen­de Unterkunft in den alten Karawansereien der Stadt. Hier bieten Karawanenführer, Weissager, Wasserverkäufer, Kameltreiber, Dirnen, Schneider, Schuhmacher und andere Berufstätige ihre Dienste an. Die reichen Händlerclans der Stadt unterhalten hier von Söldnern gut bewachte Lagerhäuser.

Die Karawanenrouten werden durch ortsansässigen 99 Händlerdynastien kontrolliert. Diese sorgen akribisch dafür, die Stadt aus Auseinandersetzungen zwischen den anderen Völkern herauszuhalten und ihre Neutralität zu wahren. Beliefert werden ausnahmslos alle Völker, die selbst Handel betreiben, sofern sie an einem Austausch von Waren interessiert sind. Und das sind die weitaus meisten Parteien, bekommen sie hier doch auch die Erzeugnisse verfeindeter Nationen, zu denen ihnen sonst der Zugang verwehrt bliebe, wenn auch nicht unbedingt zu günstigen Preisen.

Zu den Knochenwütern siehe Dnalors Blog unter der URL:
https://dnalorsblog.wordpress.com/2019/04/28/hoppe-hoppe-reiter-reittiere-in-rakshazar/ .

 

Der Basar und der Suq

Pulsierendes Zentrum Teruldans ist der zentrale Basar, welcher Bauern und Händlern als Markt für Nah­rungs­mit­tel dient. Ortsansässige Händler haben hier oft feste Stände, die abends sorgsam verschlossen werden, während Händler von außerhalb ihre Stände entweder abends abbauen oder über Nacht eine Wache postieren.

Um den Basar herum ist der Souk zu finden, das Herz Teruldans. Suq oder Souk bezeichnet ein Handels- und Geschäftsviertel innerhalb einer tulamidischen oder sanskitarischen Stadt. Der Suq Teruldans ist ein Labyrinth aus kleinen Gassen, in denen sich ein Laden an den nächsten reiht. Handel wird in der Stadt überall betrieben, doch nirgendwo finden sich so viele Läden und Werkstätten auf so engem Raum. Viele von ihnen haben eine lange Tradition und zählen zu den ältesten und erfolgreichsten Unternehmungen der Region.

Manche Eigner eines Geschäfts oder einer Werkstatt unterhält hier lediglich einen aufklappbaren Holzladen, in dem seine Waren feilgeboten werden, während deren Umschlag oder Fertigung anderswo stattfindet. Solche Holzläden halten tagsüber die Sonne ab und können nachts verschlossen werden. Die Handwerker oder Händler schlafen meist in ihren Läden und öffnen sie meist schon vor Sonnenaufgang wieder.

Das bunte Gedränge und Geschubse des Souk ist natürlich ein idealer Tummelplatz für die vielen Taschendiebe der Stadt.

 

Die Altstadt

In der „Altstadt“ sind die Gassen besonders eng, die Häuser besonders schmal, die Läden besonders armselig, und die Verkommenheit ist besonders groß. Die einzige „Sehenswürdigkeit“ ist der Schuldturm, welcher alle anderen Gebäude überragt.

Die Kantinas der Altstadt sind Treffpunkte für Schmuggler, Diebe, Räuber und andere zwielichtige Gestalten aller Couleur. Hier werden käufliche Liebe, Glücksspiel und Drogen aller Art feilgeboten. Wer hierher kommt und etwas zu verlieren hat, nimmt besser eine Leibgarde mit oder ist selbst gut bewaffnet und kampferprobt.

Sind die Teruldaner meist zurückhaltend, soweit es offene Gewalt angeht, so gilt dies in der Altstadt nicht. Raub und Mord an den Glücklosen am unteren Ende der Gesellschaft sind es nicht wert, eine Blutfehde vom Zaum zu brechen.

 

Das Tempelviertel

Im Tempelviertel ist eine unüberschaubare Vielzahl kleinen und größeren Tempeln, selbsternannten Propheten und teilweise deutlich verrückten Wanderpredigern zu finden. Die Gunst, welche die Teruldaner ihren Göttern angedeihen lassen, schwankt wie eine Dattelpalme im Wind. Das bedeutet, dass in einem Tempel selten für län­gere Zeit dieselbe Gottheit verehrt wird. Je nach religiösem Empfinden, politischen Gegebenheiten oder aktueller Mode wechselt ein Tempel den Besitzer, oder die dort ansässige Priesterschaft konvertiert.

Teruldan ist eine Stadt des Handels, und so ist für die Einwohner auch der Umgang mit ihren Göttern ein Geschäft. Man bittet die Götter nicht um ihre Gunst, man handelt mit ihnen. Die Priester machen daraus nicht selten ein einträgliches Geschäft. Umgekehrt hat sich mehr als eine Bande der teruldanischen Unterwelt auf Tempel und Priester spezialisiert. Ohne die käufliche Gunst solcher „Schutzherren“ kann kein Kult lange in der Stadt bestehen. Das sind Fixkosten, die es von den Gläubigen zurückzuholen gilt.

Versteckt in den Nebengassen des Tempelviertels bieten Wunderdoktoren, Scharlatane, Astrologen und Kräuter­hexen ihre Dienste an. Ein Teruldaner, der in steter Angst vor dem bösen Blick und anderen Hexenflüchen lebt, kann hier Schutzamulette erwerben oder sich die Zukunft aus den Sternen lesen lassen, auch wenn solche Weissagungen seit dem Sternenfall unzuverlässiger geworden sind. Wer solche Dienste anbietet, lebt in ständiger Angst, als Scharlatan aus der Stadt gejagt oder als Hexe gesteinigt zu werden.

 

Pashtra’mur – Der Tempel der tausend Götter zu Teruldan und seine Bediensteten

 

 

Seit die Sanskitaren-Städter im Zuge des Falls des Mittleren Sanskitarenreiches die Erinnerung an ihre alten Götter verloren haben, sagt man ihnen nach, dass sie jeden Kult und jeden Glauben adaptieren, den sie irgendwo ken­nenlernen, und dass sie ein Volk der tausend Götter seien. Tatsächlich gibt es in der Sanskitarischen Kultur eine unübersehbare Vielzahl von Göttern und Kulten, und jeder von ihnen hat das Recht, seine Lehren in Pashtra’mur, dem Tempel der tausend Götter zu verbreiten, welcher sich im Zentrum des Tempelviertel von Teruldan befindet. Wie viele Kulte hier tatsächlich präsent sind, wissen nicht einmal die Priester zu sagen, doch lässt kaum ein Kult, der etwas auf sich hält und nach etwas Einfluss strebt, die Gelegenheit aus, hier zu predigen und zu missionieren.

Das Tempelgebäude wirkt von außen eher unscheinbar, ausgenommen das drei Meter breite und ebenso hohe doppelflügelige Eingangsportal. Es besteht aus schwarzem Parnhaigoni-Holz. Die beiden Torflügel sind mit polier­tem Mammuton verziert. Schnitzereien zeigen unzählige Gottheit oder jedenfalls deren Symbole, manchmal auch heilige Orte oder Tiere. Sobald ein neuer Kult Einzug in den Tempel hält, verzichtet er nur selten darauf, ebenfalls eine Schnitzerei am Tor anzubringen.

Das Innere des Tempels gleich einem riesigen Labyrinth. Unzählige Gänge und Kammern zweigen von der stets in Kerzenlicht gehüllten Ein­gangs­halle ab, in welcher sich verschiedene Götteraltäre befinden, die sich auch durch die angrenzenden Kammern ziehen. Ihr Standort und das Material, aus dem sie bestehen, geben Auskunft darüber, ob ein Kult eher wohlhabend oder eher mit prekären Mitteln ausgestat­tet ist. Reiche Kulte leisten sich Prunkaltäre aus prachtvollen Hölzern, wertvollem Stein und seltenen Metallen direkt im Eingangsbereich, ärmere Kulte kleine hölzerne Tische aus Treibholz in einer abgelegenen Kammer. Wer sich tief genug in das Innere des Tempels wagt, kann Altäre von längst vergessenen Göttern finden. Manch eine verlorene Seele soll bereits ver­sucht haben, dort niedergelegte Opfergaben zu stehlen, doch die Priester, die Tempeldiener und die Wachen sind aufmerk­sam, und so ist kein Fall ruchbar geworden, in dem ein solcher Diebstahl geglückt wäre.

Priester und Tempeldiener tragen gleichermaßen nachtschwarze Roben. Sobald sie sich nach langer Prüfung eines Gottes als würdig erweisen, wird ein der Gottheit gefälliges Symbol auf die Robe gestickt. Die Geheimnisse eines bestimmten Gottes zu ergründen kann Jahre an Zeit in Anspruch nehmen, daher haben nur wenige Priester mehr als zwanzig Stickereien auf ihrer Robe. Dass ein Priester sich nur einer einzelnen Gottheit verschreibt, ist allerdings noch seltener. Die meisten entscheiden sich je nach ihrem Weltbild und ihrer Art zu leben für ein Pantheon von sechs bis acht Gottheiten und den von ihnen verkörperten Prinzipien.

Die meisten Geweihten und Tempeldiener werden bereits als Kinder in die Hand der Gemeinschaft gegeben und genießen eine passende Ausbildung. Nur selten werden Erkenntnissucher als Spätberufene in die Tempelgemein­schaft aufgenommen.

 

Abda al’marb

Abda al’marb ist ein hochgewachsener Mann mit ziemlich dunkler Hautfarbe. Sein Gesicht verbirgt er meist unter einer gelbstichigen Schädelmaske, unter der sich jedoch bei genauerer Betrachtung eine große Brandnarbe auf der linken Gesichtshälfte erkennen lässt. Seine streng dreinblickenden Augen scheinen vollkommen schwarz zu sein. Sein Haar hingegen ist schlohweiß und fällt ihm in Wellen über die Schultern. Die anderen Priester nennen ihn „Diener des Todes“, und so verwundert es auch nicht, dass seine Robe beinahe ausschließlich mit Symbolen und Bildern von Todesgöttern verziert ist. Manch einer behauptet, dass der verschwiegene Diener der morbiden Gottheiten sein rechtes Bein und seine linke Hand geopfert haben soll, um tiefer in die Mysterien des Todes vorzu­dringen. Manche halten ihn deshalb für einen Diener des Widersachers.

Kaum ein Sanskitare, der bei guter Gesundheit ist, würde Abda al’marb freiwillig im Pashtra’mur aufsuchen, denn wer fordert schon freiwillig den Tod heraus. Tatsächlich ist der Priester jedoch einer der wenigen in der Stadt, der Todkranken und tödlich Verwundeten in ihren letzten Stunden zur Seite steht und ihr Leid mildert. Auch kümmert er sich um eine angemessene Bestattung und betet für das Seelenheil der Verstorbenen. Ob er damit bis zu den Göttern durchdringt, würde er selbst nicht beurteilen wol­len, denn wer vermag es auf dem verfluchten Kontinent denn schon, den Plan der Götter zu verstehen.

Es gibt noch einen zweiten wichtigen Grund, weshalb die Bewohner der Stadt, aber auch Reisende und Pilger ihre Furcht und Scheu vor dem stillen Priester überwinden und ihn aufsuchen. Abda al’marb gilt als ein Meister der Mantik und der Traumdeutung. Reiche Händler gehören zu seiner Klientel und begeben sich in den Tempel, um mit Hilfe des Priesters einen Blick in die verborgene Zukunft zu erhaschen, um sich so womöglich einen Vorteil im Geschäft zu verschaffen. Auch junge Paare und wackere Helden erhoffen sich mit seiner Hilfe einen kurzen Blick auf ihr zukünftiges Schicksal. Der Diener des Todes wird jedoch niemals müde, darauf hinzuweisen, dass es trotz aller Prophetie niemals Gewissheit über die Zukunft geben kann.

Kurzcharakteristik: Nahezu vollendeter Wahrsager und Traumdeuter, meisterlich in Götter/Kulte, brillanter Menschenkenner.

Verwendung im Spiel: Abda al’marb kann als ein Meister der Mantik mit seinen Vorhersagen allerlei Abenteuer in Gang setzen. Vielleicht benötigen die Helden seinen Rat bestimmte Kulte oder Glaubensfragen betreffend. Oder sie rufen ihn herbei, weil einer ihrer Gefährten die letzte Reise antreten muss. Womöglich kann eine seiner Weissagungen dem Leben eines Recken eine entscheidende Wendung geben.

 

Das Palastviertel

Der Palast des Sultans ist auf der einzigen Erhebung Teruldans erbaut und überragt die Stadt mit seinen wuchtigen Bronzetürmen. Die Paläste der Händlerfürsten befinden sich an den Hängen und zu Füßen der Erhebung. Hier prägen die Sänften der Händler das Straßenbild, denen je nach Reichtum ihres Eigentümers eine große oder weniger große Schar von Söldnern voranschreitet.

Die Paläste und Gärten sind hinter hohen Mauern und verschlossenen Toren verborgen. Ein Reisender, der hier nichts verloren hat, wird von den Leibwächtern der Händler misstrauisch beäugt.

 

Leben in Teruldan

Teruldan ist eine Stadt, in der Gier und Korruption den Alltag bestimmen. Jeder Teruldaner versucht aus seiner jeweiligen Position das Beste für sich herauszuholen. Es gibt kaum einen Beamten oder Soldaten, der nicht bestechlich wäre.

Mit Ausnahme der Zustände in der Altstadt ist direkte Gewalt den Bewohnern Teruldans meist ein Gräuel. Man bedient sich subtilerer Mittel, um sich den Besitz anderer Leute unter den Nagel zu reißen, darunter Handel, Diplomatie, Diebstahl und Betrug. Ein System, das erstaunlicherweise auch ohne staatliche Kontrolle leidlich funktioniert. Anders als in den meisten anderen Städten Rakshazars gibt es keine Institution wie Stadtwache oder Garde, die für ein friedliches Miteinander sorgen und Streitigkeiten regeln würde, ebenso wenig wie ein kodifizier­tes Gesetz. Der Umgang miteinander wird durch ein kompliziertes Geflecht ungeschriebener Regeln bestimmt, an das sich die Einwohner der Stadt normalerweise halten und das sie auch Besuchern energisch näherbringen.

In den seltenen Fällen, in denen dieses System versagt, greift die Schwarze Garde, die Leibwache des Sultans, persönlich ein. Die Xhul-Kriegerinnen übernehmen dann die Aufgaben von Bütteln.

 

Die Obrigkeit

 

Kara-Jioshpa, Sultan von Teruldan, genannt “der Pyramidenbauer”

 

 

Sultan Kara-Jioshpa ist nominell der absolute Herrscher der Stadt Teruldan. Tatsächlich kümmerte ihn alles Weltliche jedoch wenig. Der Despot schert sich kaum um Politik und überlässt die Regierungsgeschäfte des Sultanats seinem Großwesir und den Patriarchen der dynastischen Händlerfamilien Teruldans. Der Sultan hält sich für einen überragenden intellektuellen Schöngeist und bezeichnet sich sogar als den „größten Dichter-Philosophen der bekannten Welt“. Diese Selbstüberschätzung rührt vermutlich daher, dass niemand es wagt, dem Sultan eine realistische Einschät­zung seines eher unterdurchschnittlich schlechten Geschreibsels zu geben.

Seit vielen Jahren macht der Sultan eine „Schwarze Phase“ durch. Er ergießt sich in pseudophilosophischen Betrachtungen über Tod und Finsternis, trägt mit Vorliebe schwarze Seidenroben und legt Marascara auf, eine dunkle sanskitarische Schminke, die er mit weißem Puder für die Hautflächen kombiniert. Seine ohnehin schon kaum erträgliche Dichtkunst weist inzwischen unüberhörbar depressive Untertöne auf, die das Zuhören zu einer ganz besonderen Qual machen. Zu seinen neuesten Flausen gehört die Idee, sich ein titanisches Grabmal errichten zu lassen, damit ja niemand in all den Jahrtausenden, die da kommen werden, sein überragendes Genie vergessen wird. Aufgeschnappt hat er diese Idee in einem uralten, dubiosen Folianten, in dem geschrieben steht, dass die Gottkönige eines längst vergangenen und weit entfernten Reiches sich in riesigen Pyramiden begraben ließen, um der Zeit ein Schnippchen zu schlagen. Seither plant der Sultan seine eigene Pyramide aus schwarzem Marmor. Der Großwesir konnte den Baubeginn bislang immer wieder hinauszögern, und es besteht die Aussicht, dass Kara-Jioshpas Pyramidentick bald von der nächsten Marotte abgelöst wird.

Auch in der teruldanischen Zeitrechnung macht sich der Spleen des Herrschers bemerkbar. So deklarierte er rückwirkend bis zum Tag seiner Geburt die Monate zu Jahren um, damit er selbst älter und erfahrener und seine Regierungszeit länger und glorreicher wirkt. Auf diese Weise zählt Kara-Jioshpa mit seinen 36 Sommern nun stolze 432 Jahre. Damit ist er sowohl der am längsten regierende Herrscher, den Teruldan je hatte, als auch seiner Zeit weit voraus. Während die Chronisten Yal-Mordais noch das Jahr 3.640 JdK (Jahr des Kataklysmus) zählen, ist Teruldan bereits im Jahre 4.036 JdK. Davon, dass der Sultan ganz offensichtlich nicht mehr bei klarem Verstand ist, merkt das gemeine Volk jedoch so gut wie nichts.

Kara-Jioshpa ist glühender Anhänger des Totengottes Uzzat, der hauptsächlich in Teruldan und Umgebung verehrt wird und mit Uthar gleichzusetzen ist. Vielleicht ist der … spezielle … Herrscher ja ein Auserwählter dieses Gottes?

  

Caleb

  

Philosoph und Forscher in den Diensten des Sultans von Teruldan. Kann über einen Geistertunnel zwischen seinem Arbeitsplatz im Palast und einem Ort mitten in der Geistersteppe hin- und herwechseln, den er als ruhige Studierstube im Freien verwendet. In der Geistersteppe der Gegenwart erscheint er als Greis mit einigen Zahnlücken, im Palast indes als relativ junger Mann. Der Geistertunnel, den er nutzt, überbrückt eine temporale Distanz von rund dreißig bis vierzig Jahren.

 

Die Schwarze Garde

Die Schwarze Garde, inspiriert durch die S’Sar Janghalatha, ist die Leibwache der Sultane Teruldans und die einzige offizielle Einheit, die in etwa einer Armee gleichkommt. Sie dient als sichtbare Verkörperung des Machtanspruchs des Sultans. Traditionell rekrutiert sich die Garde ausschließlich aus jungfräulichen weiblichen Kriegerinnen der Xhul. Die Aufgaben der Gardistinnen sind vielfältig. Sie beschützen den Sultan von Teruldan mit Leib und Leben, kümmern sich darum, dass ihm kein Leid geschieht, und sorgen für einen angemessen spektaku­lären Rahmen bei seinen seltenen öffentlichen Auftritten. In Friedenszeiten besetzt die Garde die Tore und be­mannt (sporadisch) die Mauern, um die Stadt gegen Plünderer zu schützen und Schmuggel zu verhindern. In den seltenen Fällen, in denen die ungeschriebenen Verhaltensregeln versagen, betätigen sich die Gardistinnen als Büttel und stellen die Ordnung in der Stadt wieder her. In Kriegszeiten sorgt die Schwarze Garde als Einheit höchst beweglicher, leichter Fußkämpfer für Angst und Schrecken unter den Feinden.

Die Garde wird von einer Inkosi geführt, welche gleichzeitig die zweite Frau des Sultans ist. Inkosi sind bei den Xhul Schamanen und verdiente Stammesmitglieder, welche einen Stamm leiten. Der Herr von Xhoulajambo nennt sich Mata-Inkosi, was sich mit Großkönig übersetzen lässt. Als einzige Angehörige der Garde darf die Anführerin mit ihrem Mann den Freuden der Fleischeslust frönen. Sie ist jedoch dazu verpflichtet, durch den Einsatz von Kräutern und Giften zu verhindern, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Den Sultanen erscheint die Gefahr zu groß, dass die Garde in Versuchung geraten könnte, ein Kind, das aus der Verbindung einer der Ihren mit dem Herrscher hervorgegangen ist, auf den Thron zu hieven. Die anderen Kriegerinnen sind zu lebenslänglichem Zölibat ver­pflichtet – wer der Garde einmal angehört, kann sie nur durch den Tod wieder verlassen. Eine Gardistin, die dabei erwischt wird, wie sie einem Mann beiwohnt, wird gesteinigt, und ihrem Liebhaber wird bei lebendigem Leib die Haut abgezogen. Beziehungen und Sexualkontakte zwischen den Gardistinnen, bei denen keine Gefahr besteht, dass daraus Nachwuchs erwächst, gehören indes zu den selbstverständlichen Gepflogenheiten innerhalb der Truppe.

Für eine Gardistin stellt es eine ganz besonders Ehre dar, für die Totenwache des Sultans ausgewählt und zusam­men mit den sterblichen Überresten ihres Herrschers begraben zu werden. Für den Fall, dass der Sultan nicht eines natürlichen Todes gestorben ist, also etwa gemeuchelt wurde oder in der Schlacht gestorben ist, gehen nahezu sämtliche amtierenden Kriegerinnen mit ihm zusammen in den Tod. In der Gruft des Herrschers trinken sie aus einem Giftbecher und öffnen sich anschließend die Pulsadern. Nur fünf auserwählte Gardistinnen bleiben in Teruldan zurück, um eine neue Generation auszubilden.

Zur traditionellen Tracht der Gardistinnen zählen goldene Arm-, Hals- und Beinreife, ebenfalls goldene Ketten, Anhänger und Nasenringe. Dazu wird ein kurzer, weiter Rock aus roter, goldbestickter Seide angelegt. Dies genügt den Gardistinnen als Rüstung. Im Kriegsfall tragen die Kriegerinnen eine bronzene Maske, welche ihre Gesichter vor entstellenden Narben schützen soll. Zu besonders hohen Festen wird die tiefschwarze Haut der persönlichen Leibwachen mit Goldstaub bestäubt, was einen überaus reizvollen Kontrast erzeugt. Bewaffnet sind die Angehörigen der Schwarzen Garde mit Kurzspeer, Handgelenksmessern und großen Lederschilden. Im Feld führen sie außerdem Wurfspeere mit sich.

Zu Hintergrund und Werten der Gardistinnen siehe Dnalors Blog unter der URL:
https://dnalorsblog.wordpress.com/2020/09/03/karneval-der-rollenspielblogs-hat-polizei-von-medjai-und-schwarzen-garden-eine-polizeieinheit-in-rakshazar-und-deren-hintergruende/ .

 

Dschaffar Ibn Farouk, Großwesir

Großwesir Dschaffar Ibn Farouk, von dem es heißt, er besitze einen der seltenen Nephritiim, ist der oberste Beamte der Stadt Teruldan, dem die einfachen Wesire unterstehen. Er regiert im Namen des Sultans, was vor allem bedeutet, dass er die Höhe der Importzölle festlegt, die an den Toren auf alle Waren erhoben werden, die nach Teruldan eingebracht werden sollen, und sorgt dafür, dass sie eingetrieben werden. Momentan sind die Zölle sehr hoch, wodurch Schmuggel zu einem einträglichen Geschäft wird.

Auch Dschaffar hat eine persönliche Wache, die in Teruldan berüchtigt und gefürchtet ist. Er nutzt sie als Exeku­tivorgan, welches für das Eintreiben der Steuern und Zölle sorgt. Hinter vorgehaltener Hand ist auch von Spionen und Assashim in seinen Diensten die Rede.

 

Die Händlerfamilien Teruldans

Um die alltäglichen Belange der Stadt kümmern sich die Patriarchen der reichen Händlerfamilien Teruldans. Insgesamt 99 Händlerclans haben die Stadt untereinander aufgeteilt und sorgsam ihre Reviere abgesteckt. Innerhalb der Stadt handeln sie mit Waren und Dienstleistungen, verdingen sich als Geldverleiher und betreiben den Schuldturm, in den sie die säumigen Schuldner werfen. Wer nicht innerhalb eines Mondes ausgelöst wird, ist ab sofort persönliches Eigentum des jeweiligen Patriarchen.

Innerhalb der Lath führen die Familien einen erbitterten Streit um den Besitz der lebensspendenden Oasen und führen darum nicht selten heftige Auseinandersetzungen mit Ihresgleichen, den Xhul-Wüstenwanderern und den in der Lath ansässigen Räuberbanden.

Die Söldner der Familien kontrollieren zudem die Karawanenstraßen nach Amhas, Yal-Kalabeth, Yal-Mordai, Shahana, Arkimstolz, Kurotan, Ronthar, Xhoulajambo und die Seidenstraße entlang Richtung Kithorra. Offene Gewaltanwendung gilt ihnen als zutiefst unkultiviert, und sie sorgen dafür, dass diese Haltung von den Bewohnern der Stadt geteilt wird. Entsprechend kommt es – die Altstadt ausgenommen – nur selten zu öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen. Die Familien stechen Konkurrenten am liebsten per Diplomatie oder auf dem Geschäftsweg aus, in kritischen Fällen werden Assashim angeheuert.

Dem großen Einfluss der Händler verdankt Teruldan seine strikte Neutralität in außenpolitischen Angelegenheiten. Da es im hohen Maße geschäftsschädigend wäre, führt Teruldan kaum jemals Krieg. Selbst mit den Amhasim machen die Teruldaner blendend gute Geschäfte. Tatsächlich haben sich die Herrscher der goldenen Kuppelstadt in den letzten Jahrzehnten sogar zum Haupthandelspartner Teruldans gemausert. Teruldan kauft in großem Stil Sklaven und Eisenwaren und liefert dafür Drogen, wertvolle Artefakte und exotische Nahrungsmittel in die Stadt am Totenwasser liefert. Das Arrangement birgt für die Stadt zudem den Vorteil, dass die amhasischen Sklavenjäger die Stadt, ihre Einwohner und die Karawanen nicht behelligen. Lediglich mit einigen Stämmen xhulscher Wüstenräuber und mit den Banden aus Kurotan und Ronthar liegt der Stadtstaat im Zwist. Aber selbst diese braucht Teruldan nur selten zu fürchten, da die Karawanen schwer gerüstet sind.

Fremde, die keinem Händlerclan und keiner örtlichen Sippe angehören und auch nicht das Gastrecht eines Patriarchen genießen, werden nur zu häufig Opfer der listigen Teruldaner, die ihnen erst ihre Habseligkeiten abluchsen und sie dann in den Schuldturm werfen lassen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch Brokthar, Orks oder Xhul unter den Händlern der Stadt gäbe, die mit Neulingen ebenso umspringen.

 

Die Blutrache

Obwohl die Bewohner Teruldans kaum Werte außer dem des Goldes zu kennen und bis ins Mark verdorben zu sein scheinen, ist Raub oder Kampf auf offener Straße fast unbekannt. Dies liegt am Einfluss der Händlerfamilien, aber auch daran, dass unter allen ungeschriebenen Regeln der Stadt ausgerechnet die Blutrache für Satisfaktion sorgen soll. Wer einen Teruldaner tötet, macht sich damit in aller Regel die gesamte Sippschaft seines Opfers zum Feind. Solche Blutfehden haben das Potenzial, in blutige Bürgerkriege auszuarten. Die Teruldaner versuchen sie deshalb nach aller Möglichkeit zu vermeiden. Aus diesem Grund haben sie auch weise Männer aus dem einfachen Volke eingesetzt, welche im Fehdefall als Schlichter auftreten: die Kadis.

Kadis genießen in der teruldanischen Gesellschaft höchstes Ansehen. Sie vermitteln in zähen Verhandlungen zwischen verfeindeten Parteien. Dabei wird ein Blutpreis ausgehandelt, der es beiden Parteien ermöglicht, ihr Gesicht zu wahren. Kadis stehen unter besonderem Schutz. Wer einen Kadi angreift oder gar tötet, bringt die gesamte Stadt gegen sich auf und hat in der Regel keine Chance mehr, sie lebend zu verlassen. In jüngster Vergangenheit haben erste Kadis angefangen, ihre Erfahrungen in Gesetzestexten zusammenzufassen. Ihr Ziel ist es, solche Sammlungen als Grundlage für ein kodifiziertes Rechtssystem durchzusetzen und der Stadt endlich schriftlich verfasste, allgemeingültige Regeln zu geben. Bislang hat sich daraus aber noch kein Gesetzbuch für Teruldan entwickelt. Allerdings gibt es über das Maß des Blutpreises für bestimmte Untaten mittlerweile tradierte Tabellen, die immer wieder zum Einsatz kommen.

 

Minderheiten in Teruldan

Teruldan ist einst von den Xhalori, den Vorfahren der Xhul, gegründet worden. Nachdem sich die Stadt für einige Jahrhunderte unter den Schutz des alten Amhas begeben musste, wurde sie nach dessen durch den Kriegerphilo­sophen Brutheus verursachten Fall von den Xhul beherrscht, bis Al’Hrastors Feldzüge sie zu einem Teil des Sans­kitarischen Städtebundes machten. Erst mit dem Frieden von Ronthar erlangte Teruldan ihre Unabhängigkeit und wurde zu einem selbstständigen Sultanat. Eine gewisse sanskitarische Grundprägung erhielt die Stadt bereits, als die Remshen dort lebten.

Bis in die jüngere Vergangenheit hinein haben die Xhul die Bevölkerungsmehrheit gestellt, doch inzwischen sind sie gegenüber den Sanskitaren knapp ins Hintertreffen geraten. Und dies auch nur, wenn man die Ansammlung aus Rundhütten und bunten Zelten, welche die angehörigen unabhängiger Xhul-Stämme vor dem Osttor Teruldans errichtet haben, nicht zur eigentlichen Stadt hinzuzählt. Die Stämme der Xhul-Wüstenwanderer sind wichtige Handelspartner der Metropole. Sie kommen regelmäßig hierher, um Felle, Wolle und andere Erzeugnisse einzutauschen. Zu ihren bevorzugten Partnern zählen dabei die Händler aus ihrem eigenen Volk. Die meisten Wüstenwanderer halten sich nur wenige Tage in der Stadt auf und ziehen dann wieder in die Lath hinaus. Auch die Stämme der Reiternomaden betrachten Teruldan als wichtigen Anhaltspunkt. Manche sind hier zumindest teilweise sesshaft geworden.

Im Souk existieren einige Gassen, in denen nur xhul-typische Waren angeboten werden. Sogar die seltsamen Erzeugnisse der Xhul-Kochkunst können hier erworben werden, darunter kandierte Heuschrecken und Sultansskor­pio­n-Couscous.

Orks und Brokthar sind zwar nicht in größeren Mengen in Teruldan ansässig, aber davon, Exoten zu sein, sind sie ebenfalls weit entfernt.

In der Altstadt befindet sich eine kleine Enklave der Irrogoliten, die sich mit den Städtern arrangiert haben, obwohl die Gegensätze zwischen dem Sündenpfuhl Teruldan und den frommen Zwergen kaum größer sein könnte.

Zuweilen bietet Teruldan Angurianern Unterschlupf, die an diesem neutralen Ort der Verfolgung durch die Amhasim zu entkommen trachten oder die bei ihrem eigenen Volk in Ungnade gefallen sind.

 

Die Wüste Lath

 

 

Nur knapp hundert Meilen nördlich der Blutigen See im Südosten Rakshazars breitet sich die unbarmherzige Wüste Lath aus. In jede Richtung finden sich über tausend Meilen Sand, steinige Ödnis und ausgetrocknete Salzebenen, so weit das Auge reicht. Kaum jemand weiß, was mörderischer ist: Die grauenhafte, flimmernde Hitze bei Tag, die eisige Kälte bei Nacht oder die Trockenheit, die jeden Tropfen Flüssigkeit geradezu aufsaugt. Tagsüber heizt sich der feine, weiße Quarzsand auf und wird glühend heiß. Bis zu 60 Grad kann es werden. Nachts pfeifen die kalten Winde des Nordens über die Wüste und lassen es empfindlich kalt werden, in der Regel bei Temperaturen um 0 Grad. Manchmal gefriert sogar das Wasser in den Wasserschläuchen, vor allem wenn der Wind aus Richtung der Amurak-Seen kommt.

Die Wüste ist knochentrocken. Regen gibt es hier kaum einmal, und selbst wenn, saugt der trockene Boden die Flüssigkeit mit geradezu übernatürlicher Geschwindigkeit auf. Danach ist es so trocken wie zuvor. Als einzige Wasserquellen stehen den Bewohnern der Wüste die Oasen zur Verfügung, in denen das Grundwasser, welches tief unter der Wüste lagert, an die Oberfläche tritt.

Vielerorts gilt die Wüste Lath als Inbegriff der Eintönigkeit, aber das ist ein Trugschluss. Auch wenn das berüchtigte rötliche Sandmeer den größten Teil der Wüste einnimmt, gibt es hier durchaus noch andere Landschaftsformen. Im nordöstlichen Bereich liegen die Salzebenen, die Legenden zufolge durch das Austrocknen eines kleinen Binnenmeers entstanden sein sollen. Obwohl diese Gegend zu den lebensfeindlichsten der Wüste zählt, bedeutet sie für etliche Nomadenstämme eine Quelle des Reichtums, denn das kostbare Salz lässt sich im Süden für viel Geld an den Mann bringen. Im Zentrum, nahe Teruldan, befinden sich die Überreste eines uralten Sandsteingebirges, die vom Wind zu phantastischen Türmen und Steinbögen geschliffen wurden.

Nur wenige Lebewesen können in dieser feindlichen Umgebung gedeihen. Nur in den wenigen Oasen der Wüste Lath blüht das Leben geradezu und weist ähnliche Charakteristika auf wie die saftig grünen Dschungel des Südens. Hier finden sich Schachtelhalme, Poa, Nehvizdyella, niedrige Büsche und Sträucher und Titanengras. Außerhalb der Oasen wachsen trockene Flechten wie z. B. die seltene Hirnflechte, außerdem bizarre Säulenkakteen und Dornbüsche. In den Randgebieten der Lath gedeihen zudem der Fauchstrauch sowie die Gugranknolle. An den äußeren Rändern der Wüste und dort, wo das Grundwasser nahe an der Oberfläche liegt, finden sich freundlichere Gebiete von mit Gras oder dornigen Büschen bewachsener Savanne.

Die Lath bildet eine natürliche Grenze, welche all jene überwinden müssen, die von den reichen Stadtstaaten des Südens nach Norden wollen, um dort Bronze, Gold, Edelsteine und Gewürze gegen Mammuton, Pelze und Kupfer zu tauschen. Die Wüste kann nur von denen überwunden werden, die sich in der endlosen, staubigen Weite zurechtfinden und wissen, wo sich die Oasen befinden. Die Xhul-Stämme sehen es nicht gern, wenn die Reiternomaden, die den Handel für ihre städtischen Vetter abwickeln, ihre Oasen besetzen und dabei die Vegetation von ihren Knochenwütern abgefressen und die Wasserstellen von den Fäkalien der Kamele und Pferde verunreinigt werden.

An den Rändern der Lath warten die Orks, Erbfeinde aller Reiternormaden, auf die Karawanen. Fällt ihnen ein Handelszug in die Hände, ist Versklavung noch das günstigste Schicksal, das einen Reiternomaden erwartet. Umgekehrt müssen die Orks damit rechnen, einen langsamen, qualvollen Tod zu sterben, sollten sie den Nomaden unterliegen. Weit im Osten, am Rand der für die Rakshazari bekannten Welt, wächst mit der Hauptstadt des Stammes der Xhoula, Xhoulajambo, ein neues Reich heran, das für sich die Vorherrschaft über die gesamte Wüste in Anspruch nimmt.

Die Lath ist eine Landschaft voller kosmischer Geheimnisse rund um den gefesselten Löwengott Janga-Rhumat und die tanzende Lath. Auch viele Relikte der frühen Geschichte des Kontinents liegen unter dem Sand der Wüste verborgen. Dieser nimmt fast den gesamten mittleren Osten Rakshazars ein. Wenn man den Erzählungen der Xhul Glauben schenkt, dehnt sich die Einöde jedes Jahr weiter aus. Aktuell reicht sie von den östlichen Höhen des Yal-Hamat-Gebirtges bis zum Gyoi und von südlich KhurKezKão bis zur Grünen Sichel und der Mareth-Senke. Ringsherum schließt sich ein breiter Steppengürtel an. In der Wüste selber gibt es nur wenige, aber dafür umso üppiger bewachsene Oasen. Nahe Teruldan findet sich ein flaches Sandsteingebirge mit tiefen Schluchten, die teilweise bis tief hinunter zum Grundwasser reichen und die Versorgung der Metropole sichern.

Die Tiere der Lath haben sich an die Umstände angepasst. Die Lath ist Heimat riesiger Bestien, darunter Gigantoguan und Segelechse, Knochenwüter und Rammschädel. Von besonderer Bedeutung sind die Knochenwüter, eine Echsenart, die an irdische Ankylosaurier erinnert. Die in Herden lebenden Tiere streifen durch die Wüste und werden sowohl von den Teruldanern als auch von den Xhul als genügsame Nutztiere gezähmt. Unangefochten ist die Stellung dieser Tiere als Herrscher der Wüste jedoch nicht. Auch andere Titanenechsen leben in der Wüste Lath und halten sich an den Knochenwüterherden schadlos. Die wenigen Gigantoguane versetzen ganze Nomadenstämme in Angst und Schrecken, und auch die weiter verbreiteten Dimetrodons sind für Menschen brandgefährlich. Die Xhul sollen schattenhaften Gerüchten zufolge gelernt haben, junge Gigantoguane zu kontrollieren und regelrecht als Waffe zu missbrauchen. König dieser Kreaturen ist eindeutig das Mata-Mata, ein riesiges Monstrum, das sein ganzes Leben lang wächst und im hohen Alter meist jahrhundertelang schläft, ehe es sich, wandelnden Bergen gleich, erhebt und die Wüste durchquert. Man hat schon Mata-Matas gesehen, auf denen problemlos Riesen reiten konnten. Zudem sagt man den Giganten nach, sie seien unsterblich.

Auch kleine Lebewesen bevölkern die Wüste. Schlangen, kleine Echsen, Wüstenspringmäuse, Erdmännchen oder Nacktmulle sind die Tiere, die am häufigsten vorkommen. Außerdem finden sich Insekten und Skorpione, wobei der goldglänzende Sultansskorpion die bekannteste Kreatur dieser Gruppe sein dürfte. Das Prärie-Yak, ein Rind mit langem, glattem, hellem Rückenhaar, sowie der Schwarzbock sind die Haustiere der Wüstenwanderer. Wild kommen sie, ebenso wie die Donnerantilope, vor allem in den Randgebieten der Lath vor. Selten stößt man in der Wüste auf Wüstenschrate, die mit den Trollen verwandt sind.

Die Lath mag noch so lebensfeindlich erscheinen, sie ist dennoch die Heimat mehrerer großer Kulturen. Da sind zum einen die Xhul-Wüstenwanderer, die vor allem als Viehzüchter, Jäger und Händler die Wüste durchstreifen. Gelegentlich betätigen sie sich als Räuber und überfallen die Karawanen der zweiten großen Kultur, die der Reiternomaden. Diese durchwandern die Weiten der Lath, um die Schätze des Nordens gegen die Waren des Südens zu tauschen.

 

 

In Teruldan leben Sanskitaren, die der städtischen Kultur angehören und sich für die Herren der Lath halten, neben ihren nomadisch lebenden Landsleuten, die sich nur zeitweilig in der Stadt aufhalten, und sesshaft gewordenen Xhul.

Das zivilisierte Händlervolk irrt, wenn es glaubt, die uneingeschränkte Macht über die abertausenden von Quadratmeilen rotem Sand, Felsen und Sandkruste in den Händen zu halten. Die wahren Herren der Wüste sind die wilden Xhulstämme, die den Karawanen und Patrouillen der Teruldani zusetzen, wo sie nur können. Im Norden gibt es zudem einige Orkstämme, die ähnlich wie die Wüstenxhul teils als Nomaden und teils als Wüstenräuber ihr Dasein fristen. Im äußersten Süden der Wüste beansprucht die Freistadt Yal-Kalabeth einen schmalen Streifen Sand und Geröll.

In den angrenzenden Steppen leben die Brachtão. Zwischen den Orks und den Reiternomaden herrscht eine jahrtausendealte Fehde. Es kommt immer wieder zu Überfällen auf Karawanen, bei denen die Orks ganze Sippschaften auslöschen, und zu Angriffen der Sanskitaren auf einzelne Keshiks, bei denen den Orks der Pelz über die Ohren gezogen wird. Orkhäute erzielen in Yal-Mordai hohe Preise und werden dort zu Pergament aufgearbeitet.

Die meisten Kulturen übersehen in ihrem Kampf ums tägliche Überleben und im Streit mit ihren Nachbarn völlig, dass am Ostrand der Lath eine neue Kultur heranwächst, die sich anschickt. über die Lath und alle angrenzenden Gebiete zu herrschen: Die Xhoula in ihrer Stadt Xhoulajambo.

Begraben unter dem Sand der Lath gibt es enorme Wasservorkommen, die jedoch zu tief liegen, um dem Leben an der Oberfläche etwas zu bringen. Es handelt sich um riesige Höhlen voll von frischem, reinem Trinkwasser. Viele von ihnen werden vom Terul gespeist, der im Yal-Hamat-Gebirge entspringt, die Wüste unterirdisch durchquert und erst an deren Ende ans Tageslicht ritt, in anderen ist das Wasser fossiler Natur. Vor allem in der Nähe von Teruldan versucht man, diesen feuchten Schatz zu heben. Pumpen und Hebewerke bringen das Wasser an die Oberfläche. Sie leiten es in Kanäle, welche mit Steinplatten bedeckt sind, um das Verdunsten des kostbaren Nasses zu vermeiden, und in diesen weiter in die Stadt. Auch die Oasen in der Wüste speisen sich aus dieser Quelle. Die unterirdischen Vorkommen sind eine wichtige Lebensader der Stadt. Trotzdem kommt nicht nur Gutes kommt aus den unterirdischen Wasserreservoirs ans Tageslicht. Auch so mancher Schrecken aus längst vergangenen Zeiten scheint hier überlebt zu haben und wartet darauf, wieder an die Oberfläche zu gelangen. Dabei sind Marus und Düsterwürmer noch die kleineren Übel.

Es heißt, die Wüste Lath sei nicht auf natürlichem Wege entstanden. Vielmehr soll eine düstere Göttin gleichen Namens dem Land kontinuierlich Lebensenergie entziehen und es so zur toten Wüste erstarrten lassen. Es heißt, dass das Gebiet der Lath vor dem Kataklysmus eine riesige Grasebene gewesen sei, über welches Herden von Dreihörnern und Stegosauriern zogen. Die Nomadenvölker der Xhul sollen reich und satt gewesen sein. Doch nach dem Kometeneinschlag änderte sich das Klima, und das Land begann zu sterben. Nach den Legenden der Xhul werden die alten Zeiten wiederkehren, wenn ihre Gölttin Janga-Rhumat aus ihrem Kerker befreit und die dunkle Gottheit besiegt ist.

In der ganzen Lath und den angrenzenden Gebieten kann man mit etwas Pech auf Phänomene stoßen, die unter dem Namen „Tanz der Lath“ bekannt sind: Mahlströme aus Sand, Feuerlohen und Glutwinde. Genau wie die launische Wüstengöttin gleichen Namens bringen sie Tod und Vernichtung und gehen mit der ständigen Ausdehnung der Wüstenregion einher.

Als „Blut der Göttin“ fürchten die Bewohner der Wüste wandernde Treibsandströme. Die Gelehrten Teruldans glauben, dass diese unterirdischen Wasserläufen folgen, doch berichten die Xhul, dass sie in der ganzen Wüste willkürlich auftreten können.

Den „Odem der Göttin“, tückische, urplötzlich auftretende, verheerenden Sandstürme, fürchten alle Wüstenreisenden. Je weiter man sich dem Zentrum der Lath nähert, desto häufiger scheinen die Stürme zu werden.

Die „Tränen der Lath“ sind Salzkrusten am Fuß des Gyoi, unter deren brüchiger Oberfläche sich Tümpel und tückische Sumpffelder verbergen.

 

Xhoulajambo

 

 

Zu Füßen der Gyoi-Berge liegt Xhoulajambo, die Stadt der Xhoula, die in vielerlei Hinsicht einmalig in Rakshazar ist. Sie wurde von den Xhul gegründet, hat eine einzigartige Architektur und eine sehr spezielle Kultur. Von hier aus brechen Karawanen zur letzten Etappe nach Kithorra auf, um von dort – reich mit Seide beladen – wieder zurückzukehren. Salz wird in den Westen verkauft, und es werden Gold und Edelsteine, vor allem Saphire, abgebaut.

Alle Gebäude der Stadt wurden aus Lehmziegeln errichtet, die zusätzlich mit Stroh, Knochenresten und Leinenfetzen stabiler gemacht wurden. Die Mauern werden zusätzlich mit feuchtem Lehm „verkleidet“, sodass sie aus der Entfernung aussehen, als wären sie „aus einem Guss“ gefertigt worden. Die einzelnen Etagen der Häuser ruhen auf massiven Balken, deren Enden seitwärts aus den Gebäuden herausragen. Diese Balken können aus Holz, das an der Ostseite des Gebirges geschlagen wurde, oder aus Knochen bestehen, wobei bei letzteren die Knochen der Mata-Mata die begehrtesten, aber auch die teuersten und seltensten sind. Die Balkenenden der Häuser der Inkosi werden reich mit Blattgold verkleidet und mit Saphiren verziert, sodass sie schon von weitem im Licht der Sonne glänzen. Der Großteil der Gebäude in Xhoulajambo, vor allem die der unterworfenen Nachbarstämme, sind lediglich eingeschossige Hütten. Nur reiche Stammesmitglieder leisten sich einen zweistöckigen Bau. Die Amtssitze der Inkosi hingegen sind dreistöckig, und der Palast des Meta-Inkosi ragt gar vier Stockwerke hoch in den Himmel. Kellerräume hat keines der Häuser.

Die Stadt weist zwei Mauerringe auf. Die äußere Mauer ist zwar nur zweieinhalb Schritt hoch, hat jedoch acht Wachtürme, die rund um die Uhr besetzt sind, und zwei Tore, je eins im Norden und im Süden. Zwischen der äußeren und der inneren Mauer liegen die Hütten der unterworfenen Stämme, die vor Jahren der aggressiven Expansion der Xhoula zum Opfer fielen, sowie die Häuser der Fremden. Die innere Mauer besteht aus den Außenmauern der Inkosi-Amtssitze und ist gut neun Schritt hoch. Die ersten Fenster befinden sich im dritten Stock in gut sieben Schritt Höhe. Die Mauerkrone ist wie auch bei der äußeren Mauer mit Tonscherben und spitzen Steinen gespickt. Über die inneren Tore gelangt man ins Zentrum der Stadt. Dort gruppieren sich um die Wohn- und Amtssitze der jeweiligen Inkosi herum die Häuser der einzelnen Xhoula-Sippen. Das Innere der Stadt ist überraschend grün, denn rund um die Hütten werden Gemüse und Melonen angebaut, und auch die eine oder andere Palme kann man finden. Möglich wird dies durch unterirdische Bewässerungskanäle, die kostbares Wasser aus dem Gebirge nach Xhoulajambo leiten.

Den Kern der Stadt bilden drei Örtlichkeiten. Der Hof des Mata-Inkosi ist die Wichtigste. In diesem vierstöckigen Bau und seinen Nebengebäuden residiert der Großkönig mit seinen zwanzig Frauen und deren Kindern, seinen Viehherden, Dienern und Schätzen. Der Mata-Inkosi fällt alle wichtigen Entscheidungen in Absprache mit dem Rat der Inkosi, wobei der Großkönig immer das letzte Wort hat. Die Nebengebäude des Palastes dienen vor allem als Lagerräume für Nahrungsmittel, aber auch für Salzplatten, Edelsteine und Goldschmuck. Nach altem Gesetz dürfen diese wertvollen Waren ausschließlich im Haus des Herrschers gelagert werden. Den Goldschmieden ist es bei ihrem Leben verboten, auch nur ein Körnchen Gold nach Sonnenuntergang in ihren Werkstätten aufzubewahren. Fremde Händler müssen ihre Waren erst dem Mata-Inkosi vorstellen, der ein Vorkaufsrecht hat, ehe sie sie in der Stadt anbieten dürfen. Der Seidenhandel ist ein Monopol der Kithorrianer. Diese haben in einem für die Stadt untypischen, fensterlosen Turm aus hellem Sandstein ihre Handelsmission eingerichtet. Um den Turm im äußeren Bezirk siedeln Reiternomaden und Orks, die vom Handel mit den Fremden profitieren und zudem ihre Dienste als Karawanenführer und Söldner anbieten.

Fünf Schritt in die Tiefe und doppelt so viele Schritt im Rund misst die Arena Xhoulajambos. Hier werden zur Belustigung der Einwohner und unter dem ohrenbetäubenden Lärm von U-Zelas und Yakhörnern Diebe, Aufständische, vermeidliche Spione und anderes Gesocks den Segelechsen zum Fraß vorgeworfen. Auch die rituellen Kämpfe zwischen einzelnen Sippen finden hier statt.

Die Quellen des Reichtums der Stadt sind ihre Salzfelder und die Gold- und Edelsteinminen.

Zwanzig Meilen nördlich der Stadt graben hunderte Na-Pu-Hu in tiefen, ungesicherten Löchern nach den Schätzen der Erde. Gleich neben den Löchern wird das Erz verhüttet. Zum Heizen wird Dung verwendet. Die Schlacke verpestet den Boden der ehemaligen Oase, in der inzwischen keine einzige Pflanze mehr wächst und kein Tier mehr lebt. Edelsteine und Gold werden einmal die Woche von Kriegern des Mata-Inkosi in seinen Palast gebracht. Bei den schlechten Lebensbedingungen ist es nicht verwunderlich, dass die Na-Pu-Hu vom Stamm der Batzi die grausame Lath verehren und die finstere Göttin in blutigen Riten um ihren Beistand anflehen.

Im Süden wiederum wird in einer Senke, die vor Urzeiten wohl ein Binnenmeer war, Salz gewonnen. Die rechteckigen Platten, welche die Na-Pu-Hu vom Stamm der Bouley brechen, sind im ganzen Osten des Rieslands begehrt. In Teruldan würzt es die Speisen des Sultans, in Amhas gehört es in jede Dreihorn-Schwanzsuppe, und die Hirten rings um die Wüste brauchen es als Lecksalz für ihr Vieh.

 

Nanbalo

 

 

Eigentlich ist das, was heute als Nanbalo bekannt ist, eine riesige, mehrere tausend Jahre alte Zissme. Die Xhul und deren Vorfahren nutzen das Areal „erst“ seit etwa drei Jahrtausenden, zuvor war die Anlage heiliger Ort, Grabkammer und Zuflucht der Marhynianer, jenes mystischen Urvolkes, das einst den Kontinent beherrscht haben soll.

Das von 300 N’Yalee bewohnte Nanbalo besteht aus zwei Teilen: der Oase und dem Tempel.

Die Oase liegt in einem Kessel nahe einer Bergspitze. Gigantische, teilweise zerfallene, zehn Schritt durchmessende und doppelt so hohe Säulen lassen erahnen, dass dieser Kessel einst eine künstliche Höhle war, doch schon zur Zeit der Vorfahren der Xhul stürzte die Decke ein. Davon zeugen auch die an den Seiten des Kessels befindlichen überhängenden Wände, die einen Teil der Oase in immerwährendes Zwielicht tauchen. Betritt man die Oase durch das Tor, welches das Angesicht der Göttin darstellen soll und gerade einmal hundert Jahre alt ist, fällt der Blick als erstes auf den riesigen Süßwassersee, der etwa ein Viertel der Fläche der Oase einnimmt. Das Wasser ist von einem klaren Blau, auf der Oberfläche treiben Lotus und Seerosenblüten, das Nordufer wird von einem MBaka-Schilfgürtel umgeben. Das Schilf ist sehr beliebt, lässt sich mit seiner Hilfe doch die magische Kraft erhöhen.

Rechter Hand führt der ausgetretene Pilgerweg um das Ostufer des Sees, vorbei an einem Höhlenstall voller Mastratten durch das Dorf der N’Yalee zum Eingang des Tempels. Er ist das höchste Heiligtum der N’Yalee. Fremde betreten ihn nur, um als Opfer der Göttin dargebracht zu werden. Der Tempel selbst besteht aus einigen Räumen zum Unterricht der angehenden Kwa Ipa-uGonga, einer bodenlosen Grube und einer Vielzahl an Höhlen, Tunneln, Kavernen und Stiegen, die tief hinab in die Unendlichkeit führen. Die Wände sind über und über mit Bildern und die Decken mit alten, teilweise übermalten Fresken bedeckt, welche die Geschichte der Xhalori, der Lath, ja aller Völkerscharen Rakshazars darstellen. Gegen unerwünschte Eindringlinge haben die N`Yalee magische oder profane Fallen angelegt.

Das Dorf ist vollständig aus Steinen errichtet. Darin leben etwa dreihundert N’Yalee. Die Gebäude, die unter den überhängenden Wänden gebaut wurden, haben keine Dächer, bei den anderen dient eine Zeltplane aus Yakleder als Schutz vor Regen und Kälte. Am Nordufer steht das dreistöckige Wohnhaus des Inkosi. Westlich des Sees liegen die Felder und Obstplantagen der N’Yalee. Dort werden neben Poa, einem widerstandsfähigen Getreide, auch Zwergbananen angebaut. Die Lage schützt die Pflanzen vor Schnee und Frost, sodass die Früchte alle zwei bis drei Jahre ausreifen können. Nicht ausgereifte Früchte werden zu einem scharfen Schnaps vergoren, der entweder als Grundlage für Medizin dient oder mit Lotuspollen, Poa-Bier und importiertem Honig vermischt als Rauschmittel – Zu-Mahuba genannt – konsumiert wird. Im Zwielicht wachsen Pilze und Kräuter, die den Schatten bevorzugen.

Eine ausführliche Beschreibung der Oase findet sich im Abenteuer “Die Augen der Lath” in der Anthologie “Auf blutigen Pfaden” ab Seite 127.

 

Die Glaubenswelt der Stadt-Sanskitaren

 


Name

Beinamen

dahinter verbirgt sich

Kulturelle Verbreitung

Besonderheit

Aspekte

Verbreitungsgebiet

Heilige Orte

Heilige Steine, Tiere, Pflanzen Artefakte, Heilige

Opfergaben
Feindbild/Sünden/Laster
Hierarchie

Politischer Einfluss

Weltbild / Menschenbild / Stärkstes Argument

Toleranz gegenüber Andersgläubigen

Kulte

Gläubige, Anhänger, Priester

Amazth

Herr der Gelehrsamkeit und des Gesetzes; der Allweise des Sternengrundes; der blinde Prophet mit dem Allessehenden Auge

Amazeroth

Sanskritarische Stadtstaaten

Eigentlich zwei Kulte, ein Staatskult für Beamte und ein Mysterienkult für Magier;
den Magiern werden Wahre Namen zur Beschwörung enthüllt
3224 JdK – der Zeloth Al‘Hrastor ergreift die Macht über die Stadt Yal-Mordai.

Saatskult: Ordnung, Wissen, Schrift, Rechenkunst, Sprache, Sterne, Tradition, Herrschaft Mysterienkult: Ordnung, Wissen, Weisheit, Magie, Wahnsinn, Astrologie, Prophezeiung, Sterne

Sanskitarische Stadtstaaten, Stadtgott von Yal-Mordai

Sach Ard’m in Yarl Mordai = einzige Magierakademie des Kontinents

Narrenglas, Kristalle, die Sternengrube,
hypnotisierende Schlange

Beide Kulte: Schriftrollen, Wissen, Artefakte, Kristalle, Glasarbeiten

Beide Kulte: Vernichtung von Wissen, Ungebildetheit; Staatskult: Unehrlichkeit, Frevler an der Partnergottheit Payishna; Mysterienkult: Verbreitung der Kultgeheimnisse, im Prinzip alle Beschäftigung mit weltlichen Dingen

Wissen ist Macht/Das Wissen um den Wahrer Namen liefert den Namensträger aus

Zelothim – radikalisierte Beschwörer, ähneln den tulamidischen Kophtanim; Hohepriester des Amazth ist Al‘Hrastor, Anführer der Zelothim, Hexer von Yal-Mordai – fanatische Anhänger; öffentliche Staatskult der Beamtenpriester suggeriert Ordnung, Gerechtigkeit und Tugend als wichtige Ideale in Shahana

Politiker könnten um Weissagungen bitten. Beherrschungs-Magie als Mittel zur Kontrolle. Geheime Staatspolizei. Mystiker sind Paktierer des Amazeroth

Bel-Sholairak,

Sholai’rr’rak (Brazoragh), Belshirash, Belharhar

Sanskritarische Stadtstaaten

Piratengottgeit, kein Karmageber, Kultvorsteher ist der Hafenmeister von Ribukan

Seefahrt, Piraterie, Hierarchie (Kapitäne als gottähnliche Wesen an Bord), Diebstahl, Jagd, Furchtlosigkeit, Gnadenlosigkeit, Chaos (im Hafen), Rausch, Meereslebewesen (Raubfische)

Ribukan

Hafen von Ribukan

Werhaie, Haie

Fische, Beute, Feinde des Kultes, Elfenbein

Meuterei, Untreue gegenüber der Mannschaft und vor allem gegenüber dem Kapitän, Feigheit

gering. Ein Kultführer, ein Nachfolger und je etwa drei Dutzend Gläubige

je nachdem. Ist der Kult gerade am stärksten dann hoch, denn er stellt das Amt des Hafenmeisters in Ribukan. Sonst gering

Wir beherrschen das Meer, wir vertreten das Meer, wir sind das Meer! Also her mit dem Hafenzoll!

gering, besonders Anhänger des jeweils anderen Kultes werden erbittert bekämpft

Dsavishnavatha

Anfang und Ende, Das Rad der ewigen Wiederkehr sowie Kerkerherrin der Menschheit

Synkretismus aus Tsa, Visar und Fatas

Sanskritarische Stadtstaaten

Totengöttin, auch für Wiedergeburt zuständig

Verharren an weltlichen Reichtümern und Vergnügungen

Gesamtes Riesländisches Pantheon

Ahnen, Helden, Sagengestalten, Riesen, Fabelwesen

Sanskritarische Stadtstaaten

tausende Götter

H´Shesshivan

Hesinde

Sanskritarische Stadtstaaten

Karmageberin, Hohepriesterin meist Nagah, Mysterienkult

Magie, Geheimnisse, Klugheit, Weisheit, Wissen, Astrologie, Prophezeiung, Rätsel

Ribukan, in Yal-Mordai und Shahana verboten

Pagode zu Angankor

Forschungsergebnisse, neu erschaffene Kunstwerke, Edelsteine (Serpetin)

Dummheit, Magiemissbrauch, Amazth-Kult, Payishna-Kult

gering

minimal, oft als Mysterienkult

Wer Wahrheit und Wissen sucht, wird auch sich selbst finden.

mittel

Immakh-Atoch

Erzfürst, Meister des Eisens, Fluchbringer, Sternenschleuderer, Städtever­nichter und Der-unter-der-Erde-lauert

Ingerimm

Sanskritarische Stadtstaaten

Dunkle, strafende Ingerimmdarstellung, karmageber, keine Primärliturgie

Gmadenlosigkeit, Zorn, Zerstörung, Feuer, Erz, Waffen, Vulkane, Krieg, Wildnis (Wüsten, Steppen, Gebirge)

Sanskitarische Stadtstaaten

Steppenbrände, Stadtbrände

Eisen (da selten), Drachen, Riesen

Brandopfer, Waffen, Blut

Ishma-Peraine

Synkretismus Peraines mit sanskitarischer Bauersfrau

Sanskritarische Stadtstaaten

Nutzpflanzen, Ackerbau, Wachstum, Heilung, Gnade, Ernte, Viehzucht, Überleben, Schutz der Gemeinde vor Feinen

In Yal Kalabeth

Yal-Kalabeth

keine

Feldfrüchte, Opfertiere

Mitleidslosigkeit, Feigheit, Faulheit, Dekadenz, Hunger, Krankheit, Dämonen, Amazäer einschließlich Zelothim

Numinoru

Numinoru

Sanskritarische Stadtstaaten

Mysterienkult, wenige Anhänger, werden gemeinhin als Spinner gesehen

Meer, Geheimnisse, Stürme, Schutz vor Meereslebewesen (Bestien), Schutz vor Sturmfluten, Wasser, Magie, Magiebann, unbelebte Natur, Regen, Seefahrt, Prophezeiung

Ribukan

keine

das Meer als Ganzes

Fische, Blumen, Schiffsmodelle

den jeweils anderen Meereskult. Daneben gab es kaum Zeit, irgendwelche Feindbilder zu entwickeln

gering. Ein Kultführer, ein Nachfolger und je etwa drei Dutzend Gläubige

je nachdem. Ist der Kult gerade am stärksten dann hoch, denn er stellt das Amt des Hafenmeisters in Ribukan. Sonst gering

Wir beherrschen das Meer, wir vertreten das Meer, wir sind das Meer! Also her mit dem Hafenzoll!

gering, besonders Anhänger des jeweils anderen Kultes werden erbittert bekämpft

Omshivan

Wächterin des Gartens der tausend Lüste, Erhabene Herrin von Liebe und Tod oder Kämpfer mit dem achtfachen Schwert

Rein Riesländisch, evtl. Belkelel

Sanskritarische Stadtstaaten

Sohn des Levthan, offizeller Kult und Mysterienkult der Rong-Würger

Brünstigkeit, Männlichkeit, Weiblichkeit, Zügellosigkeit, Zerstörung, Rausch, Blut, Ekstase, Fruchtbarkeit, Viehzucht, Tod, Raserei

Sanskitarische Stadtstaaten

keine bekannt

Ziegen, Büffel, diverse Rauschkräuter

Offizeller Kult: Sex, Menschenopfer, Tieropfer, Rong-Würger: Jungfrauen

Mäßigung, Mitmenschlichkeit, Eitelkeit (die Anhänger des Omshivan sehen alle Menschen als minderwertige Wesen an)

Payishna

Praios

Sanskritarische Stadtstaaten

Potentieller Karmageber, keine Primärliturgie

Herrschaft, Gesetz, Gnadenlosigkeit, Sonne, Magie, Magiebann, Treue, Tradition, Triumph, Führung

Sanskitarische Stadtstaaten, vor allem Shahana und Teruldan

allgemein gelten die Sultane als Kinder Payishnas

Gold, Straftäter, Silber Weihrauch, getötete Bestien (Chimären usw.)

Überschreitung der Gesetze, Widersetzung gegen die Herrschaft, Ungebildetheit, Magiebegabte (vor allem Zelothim), Frevler am Partnergott Amazth (im Staatskult ist dieser kein Gott der Magie!)

Shalinnaja

Hortwächterin oder Erlauchte Herrin des goldenen Rechnungsbuches

Wahrscheinlich Simia.

Sanskritarische Stadtstaaten

Händler- und Handwerkergöttin

Handel, Charisma, Handwerk, Farben, Geduld, Schöpfungskraft, Emotionen, kontrolliertes (Schmiede)Feuer, Betrug, Schutz vor Betrug, List

Sanskitarische Stadtstaaten

keine

Artefakte, Handelswaren, Farben (rot, blau, gelb), Zinn, Zink, Messing

Farbstoffe, Zinn, Messing, Silber

Faulheit bei der Arbeit, Betrug bei Geschäften und im Handwerk, Hässlichkeit an Gegenständen, unangemessener Umgang mit Geld (Prasserei, Geiz etc.)

Tlalclatan

Rein Riesländisch

Sanskritarische Stadtstaaten

von den Ipexco übernommen, hier aber männlich

Meer, Meereslebewesen, Seefahrt, Sturm, Wetter, Piraterie, Schutz vor Gefahren aus dem Meer, innere Ruhe, Glück

Ribukan

keine

keine

Fische, Strandgut, Beute, Wein

den jeweils anderen Meereskult. Daneben gab es kaum Zeit, irgendwelche Feindbilder zu entwickeln

gering. Ein Kultführer, ein Nachfolger und je etwa drei Dutzend Gläubige

je nachdem. Ist der Kult gerade am stärksten dann hoch, denn er stellt das Amt des Hafenmeisters in Ribukan. Sonst gering

Wir beherrschen das Meer, wir vertreten das Meer, wir sind das Meer! Also her mit dem Hafenzoll!

gering, besonders Anhänger des jeweils anderen Kultes werden erbittert bekämpft

Uzhuch

Fürst der Fluten, Der Alles Ertränkende

Ulchuchu

Sanskritarische Stadtstaaten

Wasser, Meer, Tod, Meereslebewesen (Bestien, Quallen), Pflanzen (Algen), Schicksal, Gnadenlosigkeit

Sanskitarische Stadtstaaten, vor allem Ribukan

Flussdeltas

Algen, Quallen,

Menschenopfer (werden ertränkt), Blut, Wein

den jeweils anderen Meereskult. Daneben gab es kaum Zeit, irgendwelche Feindbilder zu entwickeln

gering. Ein Kultführer, ein Nachfolger und je etwa drei Dutzend Gläubige

je nachdem. Ist der Kult gerade am stärksten dann hoch, denn er stellt das Amt des Hafenmeisters in Ribukan. Sonst gering

Wir beherrschen das Meer, wir vertreten das Meer, wir sind das Meer! Also her mit dem Hafenzoll!

Uzzat

Träumer-in-der-Finsternis, Erleuchteter Sultan des Opiums und Mohn-Gott

Uthar, evtl. Bishdariel

Sanskritarische Stadtstaaten

Totengott, Traumgott

Traum, Prophezeiung, Rausch, Weisheit, Geheimnisse, Geister, Tod, Totenruhe, Schutz vor Alpträumen, Schutz vor Geistern, Schlaf

Sanskitarische Stadtstaaten, vor allem Teruldan

die Grabkammer des Sultans (im Bau)

diverse Rauschkräuter, Epileptiker

Träume, Rauschkräuter, Weihrauch, Mumien

Störung der Totenruhe und Nachtruhe, im Prinzip alle Beschäftigung mit weltlichen Angelegenheiten, Phantasielosigkeit

Zusätzliche Verehrung:
Braiorag, Ongferan, Ipkara, Shesal und der Namenlose

Der Namenlose?

Sanskitarische Stadtstaaten

 

Das gesamte sanskitarische Pantheon umfasst tausende von Gottheiten und besteht gleichermaßen aus Unsterblichen aller Couleur (Götter, Unsterbliche ohne Sitz in Alveran, Erzdämonen, Dämonen), Vulkanen, Stürmen und anderen Naturphänomenen, Riesen, Drachen, Rakshazas, ungewöhnlichen oder unerklärlich scheinenden Lebensformen, Geistern, Ahnen, Helden, Sagengestal­­ten, Fabelwesen und einer Vielzahl anderer, frei erfundener Wesenheiten. Die meisten von ihnen haben keine organisierten Kulte, sondern fungieren lokal stark begrenzt als Haus- oder Familiengötter einer sehr kleinen, über­schau­baren Zahl von Sanskitaren.

Der Stil, in dem die tatsächlichen oder vermeintlichen Gottheiten dargestellt werden, wechselt von Generation zu Generation. In der Gegenwart sind die Abbildungen sehr realistisch und menschenähnlich, aber von idealisierter Schönheit. Menschen und Götter werden oft gemeinsam abgebildet, und nicht immer ist für einen Außenstehenden klar ersichtlich, wer Unsterblicher und wer Sterblicher sein soll. Kitsch, Sentimentalität und grelle Buntheit prägen den Stil. Viele Bilder sind mit Motiven aus der Mythologie der Gottheit angereichert. Dazu zählen exotische Fabelwesen, üppige Blumenpracht und phantasievolle Jenseitsfestungen, in denen die Götter angeblich residieren. Man bemüht sich um eine Darstellung, die naturgetreu wirken soll. Diese ist geprägt von großer Freude an der Kunst, aber auch von mindestens ebenso ausgeprägter Naivität, ja sogar Kindlichkeit des Glaubens.

Bilder, die älter als vierzig Jahre sind, zeigen sich hingegen oft streng und schematisch. Dort werden Gottheiten auf unpersönliche Skizzen reduziert. Sie sind nur anhand der ihnen zugeschriebenen Attribute zu unterscheiden.

Eine Besonderheit der sanskitarischen Darstellungen ist die Nacktheit vieler Götter. Die steinernen Statuen zeigen eine einzelne Gottheit, die unbekleidet erscheint. Viele von ihnen befinden sich in Privatbesitz und werden in speziell hergerichteten Räumlichkeiten aufbewahrt, deren Eigentümer sie stundenweise vermieten. Der Mieter kleidet die jeweilige Statue in Gewänder seiner Wahl und stattet sie mit Gegenständen aus, die ihm passend erscheinen. So erhält die Verehrung der von ihm bevorzugten Gottheit eine individuelle und vor allem persönliche Note. Pragmatiker mischen Attribute und Aspekte mehrerer Göttinnen und Götter und bitten somit gleich mehrere Götter um Beistand.

 

Amazth

Der Amazth-Kult hat den Untergang des Mittleren Sanskitarenreiches überstanden und hat im Neuen Reich (auch Rakshazastan oder Diamantenes Sultanat genannt) dank Al’Hrastor sogar noch an Bedeutung gewonnen. Sein Hauptverbreitungsgebiet liegt in den Sanskitarischen Stadtstaaten, besonders in Yal-Mordai.

Die herrschende Lehre seines Kultes, der in Sach Ard’m sein Zentrum findet, stellt Amazth als bleichen, hageren Mann in einem grauen Gewand dar. Sein Kopf weist weder Haare noch Gesichtszüge auf, allerdings findet sich auf ihm das Zhayad-Zeichen für Amazeroth. In der rechten Hand trägt der Gott einen Kalligraphie-Pinsel oder eine Schriftrolle, in der linken einen Abakus. Bilder der Gottheit finden sich oft am Beginn von Schriftstücken, wo sie den ersten Buchstaben des Textes in der Hand hält. Man kennt auch menschengroße Bilder oder Abbildungen des Gottes, niedergelegt auf Textilien wie etwa großen Wandteppichen. Statuen indes sind ungebräuchlich. Die Amazäer und die Zelothim verweigern sich jeder Darstellung ihres Herrn und halten diese sogar für frevelhaft.

 

Feqz bzw. Phex

 

Bild verwendet mit freundlicher Genehmigung durch Ramona von Brasch

 

Selbst gestandene Rieslandchronisten haben oft übersehen, dass nach den bislang unveröffentlichten Tage- und Logbüchern Rubans des Rieslandfahrers (Kapitel 2: Historische Einleitung) und auf sie zurückgehenden Khun­cho­mer Basargeschichten der Gott Phex, welcher seit jeher einer der wichtigsten Götter der Tulamiden ist, auch im Neuen Reich besondere Verehrung findet. Nach Rubans Schilderungen beruht die Würde des obersten Sultans, der sich unter Berufung auf die einstigen Herrscher Khunchoms Diamantener Sultan nennt, unter anderem auf seiner Rolle als Herr der größten Handelsflotte, welcher jeden widerspenstigen Fürsten aushungern könnte. Darüber hinaus ist Al’Hrastor im Besitz der einzigen derzeit bekannten noch funktionstüchtigen schwimmenden Festung, wodurch er seiner Handelsflotte besonderen Schutz angedeihen lassen kann. Nach dem Vorbild ihres Herrschers huldigen die Rakshazastani Phex als Herrn der Juwelen und der Schatten. Als Schatten sind unter anderem die unheimlichen Beamtenpriester des halbgöttlichen Diamantenen Sultans bekannt, welche ihr Menschsein für eine übernatürliche Schattengestalt geopfert haben. Da Amazth selbst keine Macht über die Schatten zukommt, ist davon auszugehen, dass es sich um Schattenmacht des Phex handelt, mit deren Hilfe er den Rat der Schemenhaften geformt hat. Ein bizarres Bündnis zwischen dem alveranischen Gott und dem Erzdämon oder jedenfalls ihren Dienern, das seit vielen Jahrhunderten Bestand zu haben scheint.

Wie Ruban ebenfalls zu berichten weiß, huldigt Rahyastan, womit heute fast ausschließlich das Dreistromland gemeint ist, zu Zeiten von Rubans Reisen aber noch das gesamte Gebiet des einstigen Sanskitarischen Städtebundes, als einziges Land des Ostkontinents fast allen Zwölf­göttern. Ausgenommen ist wohl vor allem Firun, dessen eisige Aspekte in den tropischen oder von Wüste überzogenen Sanskitarenlanden keine Entsprechung finden und der als Fruun nur den Nedermannen bekannt ist.

In Ribukan streiten die Kulte von insgesamt vier Meeresgöttern um das lukrative Amt des Hafenmeisters:

 

Bel-Sholairak

Bel-Sholairak wird fast ausschließlich in Ribukan verehrt. Er ist wahrscheinlich mit Sholai’rr’rak identisch, einer von den Krakoniern Wahjahds angebeteten Erscheinungsform Brazoraghs, allerdings erinnert sein Name auch an Belshirash und Belharhar. Wie die Krakonier sehen auch die Sanski­ta­ren ihn als haigestaltig an und halten die gelegentlich auftretenden Werhaie – ebenso wie normale Haie – für seine Kinder. Die Gottheit wird vor allem von Piraten verehrt. Der Kultvorsteher bemüht sich stets um das Amt des Hafenmeisters, steht dabei aber in ständigem Wettstreit mit den Anhängern Numinorus, Tlalclatans und Uzhuchs. Das Amt zu halten bedeutet lukrative Einnahmen durch besondere Hafenzölle, die in die Taschen der Kultisten fließen. Als Aspekte werden Bel-Sholairak Seefahrt, Piraterie, Hierarchie (Kapitäne gelten an Bord als gottähnliche Wesen), Diebstahl, Jagd, Furchtlosigkeit, Gnadenlosigkeit, Chaos (im Hafen), Rausch und Meeres­lebe­wesen (Raubfische) zugeschrieben. Der Hafen von Ribukan gilt als ihm heiliger Ort. Als Opfergaben akzeptiert er Fische, Beute, Feinde des Kultes und Elfenbein, verhasst sind ihm Meuterei, Untreue gegenüber der Mannschaft und vor allem gegenüber dem Kapitän, der Kult des Numinoru sowie Feigheit. Das Motto des Kultvorstehers (wie auch das der anderen Meereskulte) lautet: „Wir beherrschen das Meer, wir vertreten das Meer, wir sind das Meer! Also her mit dem Hafenzoll!“ Solchen Zoll kann der Kult aber nur dann erheben, wenn er im Wettstreit mit den anderen Kulten gerade die Nase vorn hat. Aufgrund der verlorengegan­genen Primärliturgie Brazoraghs ist auch Bel-Sholairak keine karmaspendende Entität. Die Gottheit weiht selbst keine Priester, schickt aber sehr selten einmal Erwählte zur Dere.

 

Numinoru

Auch Numinoru, bei dem es sich wenig überraschend um den auch andernorts so genannten Meeresgott handelt, findet vor allem in Ribukan Verehrung. Numinorus Kult ist ein Mysterienkult, dessen Anhänger – ein Kultführer, ein Nachfolger und etwas drei Dutzend Gläubige – sich aufgrund ihres gestelzten und geheimniskrämerischen Auftretens unter den eher raubeinigen Bewohnern der Stadt den Ruf des blasierten Spinners eingehandelt haben. Die Gottheit wird mit den Aspekten Meer, Geheimnisse, Stürme, Schutz vor Meereslebewesen (Bestien), Schutz vor Sturmfluten, Wasser, Magie, Magiebann, unbelebte Natur, Regen, Seefart und Prophezeiung verehrt. Das Meer als Ganzes gilt ihr als heilig. Als Opfergaben akzeptiert sie Fische, Blumen und Schiffsmodelle. Verhasst ist ihr Bel-Sholairak und sein Kult. Der Numinoru-Anhänger stehen mit dem Bel-Sholairak-Kult und den anderen Meereskulten im Wettstreit um das lukrative Amt des Hafenmeisters von Ribukan und hat in Bezug auf die Zolleinnahmen dasselbe Motto wie diese.

 

Tlaclatan

Mit Tlaclatan haben die Sanskitaren Ribukans eine Ipexco-Gottheit übernommen. Während die Ipexco sie als Göttin verehren, gilt sie den Sanskitaren als männlich. In ihren Aspekten, akzeptierten Opfergaben, Heiligtümern etc. gleicht sie ihrem Ipexco-Pendant. Auch in seiner sanskitarischen Variante ähnelt der Gott eher Numinoru als dem allzu oft erzürnten Efferd, sodass womöglich in Ribukan zwei Numinoru-Kulte um die Vorherrschaft zanken, ohne zu ahnen, dass sie denselben Gott anbeten. Tlalclatan ist eine von mehreren den Sanskitaren bekannten Meeresgottheiten. Im Gegensatz zu den düsteren Wesenheiten Uzhuch und Bel-Sholairak ist Tlalclatan ein gerechter Herrscher der Meere, der auch in Seemannsgarn als freundlicher Helfer erscheint und Fischer vor der Willkür der anderen Götter bewahrt. Er verlangt dafür allerdings stets einen Anteil an den Gaben, die er den Fischern beschert, also in erster Linie Fische und andere Meeresfrüchte. Eine besonders wichtige Gabe an Tlalclatan ist Rotwein, denn die Liebe des Gottes zu diesem Getränk und seine freundliche Stimmung nach dessen Genuss wird in vielen Märchen der Küstenbewohner beschrieben. Die Sitte, dem Gott Wein zu opfern, ist ein Überbleibsel der Blutopfer der Ipexco, welche diese Gottheit in Ribukan überhaupt erst heimisch machten. In der Zeit der Blutpriester wurde Menschenblut in spezielle Ritualflaschen abgefüllt und als Gabe für Tlalclatan im Meer versenkt. Abgesehen von den Weinopfern praktiziert die sanskitarische Variante des Talclatan-Kultes aber keine Komponenten des Ipexco-Blutkults.

Tlalclatan wird als bartloser Mann mit langem, wallendem Haaren aus Seetang dargestellt. Die Haarpracht ist ein Überbleibsel seiner weiblichen Gestalt bei den Ipexco. Es ist nicht bekannt, warum die Sanskitaren in Ribukan zu der Überzeugung gelangten, Tlalclatan sei ein Mann. Die eher volkstümliche Natur des Kultes äußert sich darin, dass jede Dorfgemeinschaft, ja im Grunde jede Familie, die den Gott verehrt, eine eigene Tradition entwickelt hat, sich seiner Gunst zu versichern. Streit über die rechte Art und Weise, den Herrn der Fluten zu ehren, und um Details der über ihn getätigten Aussagen gibt es dennoch kaum. Oft kursieren in einer Gemeinschaft sogar sich gegenseitig widersprechende Geschichten; zum Beispiel darüber, wer seine Gemahlin ist (in der Regel wird Ishma als solche gesehen) oder welche Opfergaben ihm besonders wohlgefällig sind.

Nicht nur Fischer und Bootsbauer verehren den Gott, sondern auch Piraten aus Ribukan und Seereisende aller Art. Die Piraten haben ihn kurzerhand zum Schutzgott der Piraterie erklärt, von den Seereisenden wird er dagegen als Schutzmacht vor Piratenüberfällen angerufen. Die Piraten kennen die Tradition des „Trockenen Monats“, ein Monat im Hochsommer, in dem es ihnen verboten ist, alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Stattdessen werden alle erbeuteten Getränke als Gabe an Talclatan ins Meer geschüttet. Piraten und Küstenbewohner kennen spezielle Lieder zu Ehren des Wassergottes, die sie bei ihrem Tagwerk singen und die meistens einen fröhlichen und humorvollen Inhalt haben. Sie hoffen, mit diesen Gesängen Tlalclatan zu amüsieren und freundlich zu stimmen. Traurige Lieder hingegen sind auf See streng verboten.

Auch im Landesinneren ist Tlalclatan als Herr des Regens bekannt,. Dort wird er vor allem von Bauern zur Zeit der Aussaat angerufen, die ihn um günstigen Niederschlag bitten. Höhepunkt dieser Zeit ist ein Fest, bei dem eine Strohpuppe mit langen Haaren aus grün gefärbten Seilen die Rolle des Gottes einnimmt und symbolisch mit Speisen und Rauschmittel bewirtet wird. Nach dem Fest wird diese Puppe als Vogelscheuche auf dem Acker aufgestellt, um den Feldern den Schutz der Gottheit angedeihen zu lassen. Außerhalb dieser Zeit findet die Gottheit kaum Beachtung und spielt im Leben der Bewohner des Landesinneren so gut wie keine Rolle.

Es existiert keine organisierte Priesterschaft des Tlalclatan. Bei den Küstenbewohnern nimmt das Familien­ober­haupt die Rolle des Mittlers zur Gottheit wahr, bei den Piraten der Kapitän und bei den Bauern die alten Frauen, welche die Puppen herstellen. Wer auch immer diese Rolle übernimmt, seine Tätigkeit besteht in jedem Fall aus dem formlosen Vortragen der Wünsche der Gemeinschaft im Gebet an die Gottheit. Dazu gehören auch private Wünsche, die vorher an die Mittler herangetragen worden sind. Manchmal haben diese Wünsche nichts mit Tlalclatans Aspekten zu tun haben, sondern werden einfach aufgrund seiner allseits bekannten Milde und Verhandlungsbereitschaft an ihn herangetragen.

 

Uzhuch

Uzhuch wird als Fürst der Fluten oder Der alles Ertränkende angebetet. Dahinter verbirgt sich Ulchuchu, ein einge­hörnter Dämon aus dem Gefolge Charyptoroths. Als Aspekte sind ihm Wasser, Meer, Tod, Meereslebewesen (Bestien, Quallen), Pflanzen (Algen), Schicksal und Gnadenlosigkeit zugeschrieben. Verehrung findet er vor allem in Ribukan, teilweise aber auch in den anderen Stadtstaaten. Heilig sind der Gottheit Flussdeltas, Algen und Quallen. Als akzeptierte Opfergaben gelten Menschenopfer (werden ertränkt), Blut und Wein.

 

Dsavishnavatha

Dsavishnavatha, die Göttin mit den Beinamen Anfang und Ende, Das Rad der ewigen Wiederkehr sowie Kerkerherrin der Menschheit, ist eine sanskitarische Todesgöttin, über deren Persönlichkeit wenig konkrete Vorstellungen be­stehen, sofern sie nicht sogar als unpersönlich zu gelten hat. Vom Namen her handelt es sich am ehesten um einen Synkretismus aus der Lebens­göt­tin Tsa, dem Todesgott Visar (wahrscheinlich Boron) und Satinavs Tochter Fatas, die für die Zukunft steht. Sie ist für den ewigen Kreislauf von Tod und Reinkarnation zuständig. Für Sanskitaren, die an Reinkarnation glauben, ist sie dennoch keine gnädige Göttin. Sanskitaren empfinden die Wiedergeburt als etwas Negatives. Reinkarniert zu werden bedeutet, auf ewig im elenden Diesseits gefangen zu sein. So könne man seinem tristen Los als Sterblicher niemals entkommen und sei gezwungen, das leidvolle Derendasein bis in alle Ewigkeit zu wiederholen.

 

H’Shesshivan

Mutter aller Schlangen,
Nagah-Fürstin,
Allsehende Dame der schwarzen Pagode,

Die Drachenfürstin.

 

Mit H’Shesshivan verehren die Sanskitaren Ribukans eine von der Nagah-Göttin H’Stsiva abgeleitete Version der Göttin Hesinde. In Shahana ist der Mysterienkult verboten, in Yal-Mordai wird er sogar mit krakonischen Strafen verfolgt. „Wer dem Kult der Schlangengöttin anhängt, der soll des Todes sein. Erst soll man ihm die Haut abziehen, dann soll man ihn im Salze wälzen, zuletzt soll man ihm die Zunge rausreißen und ihn zerhacken“, heißt es im Gesetz der Stadt. H’Shesshivan ist die Göttin der Magie, der Geheimnisse, der Klugheit, der Weisheit und des Wissens. Sie ist die Schutzherrin der Astrologie, der Prophezeiungen und der Rätsel. Ihr heilig sind die Pagode von Angankor, der Edelstein Serpentin, den sie gerne auch als Opfergabe nimmt, sowie Schlangen aller Art. Weitere gern gesehene „Opfergaben“ sind neu erschaffene Kunstwerke, geheime Informationen sowie magisches oder auch profanes Wissen. Dieses wird meist in Form einer Schriftrolle übergeben. Seltener wird das erworbene Wissen direkt dem Kultführer ins Ohr geflüstert, vor allem dann, wenn es besonders „brisanter Natur“ ist. Als Feinde der Göttin gelten allgemein alle, die ihre magischen Gaben missbrauchen, sowie im Speziellen der Amazth- und der Payisha-Kult, welche erbittert bekämpft werden. Auch Dummheit ist der Gottheit zuwider. „Wer Wahrheit und Wissen sucht, wird auch sich selbst finden“, ist ein Wahlspruch der Kultisten. Die Göttin schenkt karmale Gnade. Der H’Shesshivan-Kult basiert im Kern auf den Lehren des H’Stsiva-Kults der Nagah. Schon vor vielen Jahrhunderten begannen die Priesterinnen aus Angankor mit Unterstützung des Ssahombri-Kultes, in den Menschenstädten zu missionieren. Am beliebtesten ist der Kult heute in der Stadt Ribukan, wo er vor allem unter den Edlen und Prinzen hohes Ansehen genießt. Das einfache Volk der Stadtstaaten weiß oft nicht so genau, was es von den Dienern H’Shesshivans halten soll. Einerseits beschäftigen sie sich mit Weissagungen und scheinen allesamt sehr kluge Persönlichkeiten zu sein. Andererseits arbeitet der Kult im Verborgenen, sammelt allerlei Geheimnisse und wertvolle Artefakte und scheint sich auch in die Politik der Stadtstaaten einzumischen. Es darf davon ausgegangen werden, dass in jeder Stadt südlich von Teruldan mehrere unabhängig voneinander operierende, geheime Tempel existieren. Jeder Tempel wird von einem geweihten Kultisten geleitet, und ihm gehören jeweils etwa ein Dutzend Gläubige sowie eine Handvoll Meuchler an. Die Geheimen Tempel sind oft in Wohnhäusern oder Katakomben untergebracht und mit verborgenen Türen, Fallgruben und ähnlichen Verteidigungsanlagen ausgestaltet. Im Zentrum des Tempels, das zugleich Wohnraum des Priesters ist, steht die Statue der H’Shesshivan, die ein Schlangenwesen mit weiblichem, nackten Menschenoberkörper zeigt. Ihre rechte Hand ist segnend nach vorn ausgestreckt, während in der linken oft ein besonderes magisches Artefakt oder ein Edelstein ruht. Der Dienst im Tempel besteht darin, dass die Gläubigen laut den Namen der Göttin anrufen, woraufhin der Priester aus den Schatten der Statue tritt und den wartenden Gläubigen drei Fragen beantwortet. Danach werden drei Weisungen, oder besser Befehle gesagt, so wie etwa Mordaufträge, Einbrüche bei Zeloten, Expeditionen zu Schätzen vergangener Zeiten oder ähnliches erteilt. Zuletzt verkündet der Priester den Orakelspruch der Göttin und gibt den Zeitpunkt für das nächste Treffen bekannt.

 

Der Kult der H’Shesshivan – Schlangenkult in Menschenstädten

Aspekte: Magie, Geheimnisse, Klugheit, Weisheit, Wissen, Astrologie, Prophezeiung, Rätsel
Verbreitung: Ribukan, in Yal-Mordai und Shahana verboten
Heilige Orte: Pagode zu Angankor
Heilige Steine, Tiere, Pflanzen, Artefakte, Heilige: Serpentin, Schlangen, Orchideen, H’Stsivas Buch, Stab der H’Sriia
Opfergaben: Informationen (belastende Schriftstücke, Pläne), Wissen
Feindbild: Magiemissbrauch, Amazth-Kult, Payisha-Kult
Hierarchie: gering
Politischer Einfluss: minimal, in Ribukan groß
Weltbild / Menschenbild / Stärkstes Argument: Wer Wahrheit und Wissen sucht, wird auch sich selbst finden.
Toleranz gegenüber Andersgläubigen: mittel

 

Immakh-Atoch

Immakh-Atoch ist mit den Beinamen Erzfürst, Meister des Eisens, Fluchbringer, Sternenschleuderer, Städtever­nichter undDer-unter-der-Erde-lauert versehen und ist damit offensichtlich mit Ingerimm, dem Kometenschleu­derer, identisch. Er wird in allen sanskitarischen Stadtstaaten als düstere und strafende Gottheit verehrt. Die Gottheit spendet Karma, seine Kultisten haben aber keine Kenntnis über seine Primärliturgie, sodass nur diejenigen ihm als Priester dienen, die der Gott selbst dazu erhebt. Als Aspekte werden Immakh-Atoch Gnadenlosigkeit, Zorn, Zerstörung, Feuer, Erz, Waffen, Vulkane, Krieg und Wildnis (Wüsten, Steppen, Gebirge) zugeschrieben. Heilig sind ihm Steppen- und Stadtbrände, Eisen, Drachen und Riesen. Als Opfergaben akzeptiert er Brandopfer, Waffen und Blut.

 

Omshivan

Wächterin des Gartens der 1000 Lüste,
Erhabene Herrin von Liebe und Tod,

Kämpfer mit dem achtfachen Schwert …

 

Omshivan ist eine Gottheit, die für ihre Gläubigen stark mythologisch verklärt erscheint. Diese halten sie für den ersten Menschen, den die Götter erschaffen haben, allwissend, allmächtig und unsterblich, also selbst von göttlicher Natur.

Die Gottheit lässt sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen und trägt Beinamen wie Wächterin des Gartens der tausend Lüste, Erhabene Herrin von Liebe und Tod oder Kämpfer mit dem achtfachen Schwert. Ihre Kinder, die sie als zweigeschlechtliches Wesen aus sich selbst gezeugt haben soll, seien die Sterblichen: Menschen vor allem, aber auch andere Kulturschaffende. Da diese im Gegensatz zu Omshivan selbst mangelhaft seien, hasse die Gottheit ihre Abkömmlinge. Der Sage nach sendet sie Plagen über Dere, um ihre missratene Brut zu vernichten.

Obwohl die Gottheit als Sohn oder Tochter des Levthan bzw. Levkron verehrt wird, ist die Überschneidung ihrer Aspekte mit denen der Erzdämonin Belkelel, teils auch mit Rahja und Owalla augenfällig. Sie wird meist als bedrückend schönes, androgynes Wesen mit acht Armen dargestellt. Mal gilt sie als Gott, mal als Göttin, mal als diverses oder geschlechtsloses Wesen. Omshivan werden die Aspekte Brünstigkeit, Männlichkeit, Weiblichkeit, Zügellosigkeit, Zerstörung, Rausch, Blut, Ekstase, Fruchtbarkeit, Viehzucht, Tod und Raserei zugeordnet. Sie steht für für ungehemmte Sexualität und Vernichtungsdrang.

Offene Verehrung erfährt die Gottheit kaum, vielmehr wird sie im stillen Kämmerchen oder in Geheimlogen angebetet. Lediglich der Mysterienkult der Rong-Würger hat überregionale Bedeutung. Lokale Omshivan-Kulte hingegen gibt es in allen sanskitarischen Stadtstaaten, und die meisten verlangen zumindest einmal im Jahr Menschenopfer zu Ehren ihrer Herrin.

Die Gläubigen suchen nach Möglichkeiten, sich in den Augen der Schöpfergottheit als würdig zu erweisen und diese von ihrer Überzeugung abzubringen, alle Sterblichen müssten vernichtet werden. Dies schlägt sich in recht makabren Ritualen nieder. Unter den Omshivan-Gläubigen finden sich solche, die andere Menschen ermorden, um sich auf diese Weise als nützliche Instrumente zu präsentieren. Andere versuchen sich über ihre Begrenztheit zu erheben, um die Akzeptanz der vermeintlichen Schöpfergottheit zu erlangen. Zu diesem Zwecken begehen sie Kulthandlungen, welche oft sexuellen und/oder gewalttätigen Charakter haben und die ihnen erlauben, sich die Kraft anderer Menschen einzuverleiben. Den zerstörerischen Weg bezeichnen die Gläubigen als Rung, den Weg des Raubens von Kraft als Rong.

Bei der Tötung des Opfers darf kein Blut fließen. Der Sage nach soll Omshivan durch den Anblick von Blut innerhalb ihrer Heiligtümer in einen rausch­artigen Zustand versetzt werden, während dem sie sie sich schamlos an ihren Gläubigen vergehe. Wie dies ohne eine körperliche Anwesenheit der Gottheit möglich sein soll, wissen die Kultisten nicht zu erklären, verwenden aber dennoch vorsichtshalber unblutige Mordwerkzeuge wie Gift oder Würgeschlingen. Auch das Verbrennen der Opfer ist gängige Praxis, wenn es auch bei den Geheimlogen eher unbeliebt zu sein scheint.

Die schattenhafte Sekte der Rong-Würger hat sich in fast allen größeren Siedlungen der Sanskitaren eingenistet und verbreitet Angst und Schrecken. Die Sektierer gehen dermaßen brutal und grausam vor, dass sich sogar andere Omshivan-Kulte abgestoßen fühlen.

Der Gottheit heilig sind Ziegen, Büffel und diverse Rauschkräuter. Die lokalen Kulte schätzen außerdem Sex, Menschenopfer und Tieropfer, während die Rong-Würger es auf nicht zwingend weibliche Jungfrauen abgesehen haben. Verhasst sind dem Kult Mäßigung, Mitmenschlichkeit und Eitelkeit – wie ihre Göttin sehen die meisten Anhänger des Omshivan alle Menschen als minderwertige Wesen an, denen es nicht zustehe, ihre eigenen Vorzüge herauszubürsten.

 

Payishna

Erhabenster und strahlenster aller Richter,
Das allsehende strafende Auge,
Er, der die Ungläubigen zerschmettert
und über einen jeden von uns richten wird,
Fürst der Ungnade.

 

Hinter Payishna, dem Lenker des Sonnenwagens und dem göttlichen Richter, verbirgt sich der Götterfürst Praios. Seine Gerechtigkeit ist absolut und vollkommen gnadenlos. Mitgefühl oder Erbarmen kennen er und die alles versengenden Strahlen seiner Sonne nicht. Ihm werden die Aspekte Herrschaft, Gesetze, Gnadenlo­sig­keit, Schicksal, Sonne, Magie, Magiebann, Treue, Tradition, Triumph und Führung zugeordnet. Verbreitet ist sein Kult in den sanskitari­schen Stadtstaaten, vor allem in Shahana und Teruldan. Als heilig gelten seinen Anhängern die Sultane als Kinder Payishnas und die urtulamidischen Endecker des Rieslands. Als Opfergaben akzeptiert der Gott Gold, Straftäter, Silber, Weihrauch und getötete Bestien (Chimären usw.). Verhasst sind ihm Unruhestifter, Rebellen und sonstiger Widerstand gegen die herrschenden Autoritäten, Gesetzesübertretungen, mangelhafte Bildung, Anhänger des Braiorag und Frevler am Partnergott Amazth – im Staatskult ist dieser Gott kein Gott der Magie. Die Haltung der Kultisten zu Zauberkundigen und damit z. B. auch gegenüber den eigentlich verbündeten Amazäern hängt von der Ausrichtung des jeweiligen Kultisten ab. Der Wahlspruch des Kultes lautet: “Die Narren wollen das Glück zwingen, doch die Weisen fügen sich demütig in ihr Schicksal.“ Die Gottheit spendet Karma, ihre Primärliturgie ist im Riesland allerdings unbekannt, daher können nur solche Personen zu Priestern werden, welche die Gottheit selbst ordiniert.

Payishna gilt den Sanskitaren nicht so sehr als Herrscher des Kosmos, sondern vielmehr als sein Erfinder. Er ver­wirk­licht die Welt, einschließlich aller Menschen, Tiere und Naturereignisse, indem er alle Geschehnisse in sein kosmisches Buch Ka’mal schreibt. Payishna weiß bereits lange Zeit im Voraus, wie sich die Welt in Zukunft entwickeln wird, und beschließt das Schicksal aller Wesen. Niemand weiß, wie weit Payishna mit seiner großen Dichtung schon gekommen ist, und so können die Sterblichen nur hoffen, dass ihre Opfer Payishna gnädig stimmen, bevor dieser ihr Schicksal festsetzt. Teilweise findet sich auch die Vorstellung, dass der Gott, wenn er seine verhängnisvollen Texte bereits verfasst hat, er dann jedoch durch ein gottgefälliges Opfer umgestimmt wird, durch sein schreiberisches Geschick aus dem Unglück im Nachhinein ein unerwartetes Glück erwachsen lassen kann, etwa indem eine Krankheit den Erkrankten später davor bewahrt, in den Krieg ziehen zu müssen, wo er sonst sein Leben gelassen hätte.

Payishna wird nicht auf einheitliche Weise dargestellt. Dies findet seine Ursache unter anderem darin, dass die meisten Herrscher den Kult entsprechend ihrer Bedürfnisse formen und umformen. In Sultan Arkamins Reich gelten die Zauberkundigen als bemitleidenswerte Verfluchte, in Yal-Kalabeth hingegen als Auserwählte, und so variiert der Glaube von Stadtstaat zu Stadtstaat. Vom Adel selbst wird der Gott kaum oder gar nicht verehrt. Stattdessen sorgt die Obrigkeit dafür, dass der Kult zwischen ihr und dem gemeinen Volk steht und das Gesetz hochhält, um auf diese Weise die Opposition der Bevölkerung gegen die Herrschenden zu unterdrücken. Wie bei vielen sanskitarischen Kulten steckt hinter den pompösen Riten und Litaneien zu Ehren des Payishna absolut nichts. Richterliche und behördliche Willkür gegen Unterschichtsangehörige lässt sich bequem mit dem göttlichen Ratschluss Payishnas rechtfertigen.

Bildliche Darstellungen zeigen die Gottheit oft mit den Gesichtszügen des Herrschers, der den Künstler bezahlt. Der Körper wird dabei als von Strahlen umgeben gemalt. Unpolitische Gläubige stellen ihn als jungen Mann dar, der auf einer Wolke sitzt. Aus seinem Mund und seinen Augen treten dabei Sonnenstrahlen aus. Er hält in einer Hand ein geöffnetes Buch empor, in dem leere Seiten zu sehen sind. So verkörpern ihn meist auch die Schauspieler bei den volkstümlichen Payishna-Spielen.

Heute sind Payishnas Priester vor allem dafür bekannt, die Bitten der Gläubigen um ein mildes Schicksal entgegenzunehmen und an die Gottheit weiterzuleiten. Laien dürfen nicht selbst zu Payishna beten. Es heißt, dass der Gott dadurch in unverschämter Weise belästigt würde. Die Priester entscheiden nach eigenem Gutdünken (bzw. nach der Höhe der finanziellen Zuwendungen), wessen Anliegen sie wieviel Gewicht zugestehen. Sie fungieren auch als Vermittler unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten, was vor allem bedeutet, dass sie mit rhetorischem Geschick Steuern und Gesetze der Sultane vor dem Volk rechtfertigen. Sie warnen den Pöbel vor Gewalt und Rebellion und fordern Frieden mit den Verhältnissen. Die umstürzlerischen und anarchistischen Amazäer sind ihnen dabei ein besonderer Dorn im Auge. Payishna-Priester sind auch für ihre Prophezeiungen bekannt, die durch einen Blick in das Buch Ka’mal zustande kommen. Viele Sanskitaren geben viel Geld aus, um die Wahrsagung eines Payishna-Priesters im Hinblick auf ihre eigene Zukunft und als Hilfe bei schwierigen Entscheidungen zu erhalten. Einige wenige Payishna-Priester haben die Ehre, zu Verhandlungen zwischen mächtigen Familien gerufen zu werden, um etwa Hochzeiten oder Handelsverträge zu vermitteln. Der Sonnenanspekt spielt im Alltag der Priester kaum eine Rolle. Dürre und Hitze werden als fester Bestandteil des Schicksals akzeptiert. Opfergaben an verfeindete Sonnengötter wie den urtümlichen Braiorag finden den strengen Tadel der religiösen Führer.

Einig ist man sich darüber, dass der Gott entsprechend der Mythologie als Herr des Schicksals darüber befinde, welcher Mensch die Macht der Magie verliehen bekomme. So meinte Cerunnos, die Zauberkundigen seien von Payishna erwählt und er ein Gott der Zauberer, während spätere Priester die Zauberkundigen als Verfluchte ansahen. Heute herrschen beide Schulen nebeneinander, wobei in Sultan Arkamins Reich die Zauberkundigen als bemitleidenswerte Verfluchte gelten, in Yal-Kalabeth hingegen als Menschen mit besonderem Schicksal. Ganz unabhängig von solchen Bewertungen bemüht sich die Geweihtenschaft darum, besonders Magiebegabte ihren eigenen Reihen zuzuführen. Die Priester Payishnas sind mehrheitlich magisch begabt und verwenden ein Ritual, das sie Ka’Tar nennen, um Payishnas Willen geschehen zu lassen. Die Effekte ihrer Magie sind unvorhersehbar, aber so gut wie immer spektakulär. Sie stehen mit den Merkmalen Feuer, Beherrschung, Einfluss und Eigenschaften in Verbindung.

Soweit es die Geschichte des Kultes angeht, beschrieb Sultan Cerunnos von Shahana als erster den Schöpfer des Kosmos – Payishna –, welcher Ka’mal, die Chronik der Welt, niederschreibt. Alle zukünftigen Ereignisse werden – so sagte Cerunnos – durch die Gottheit in diesem himmlischen Buch verzeichnet. Payishna entscheidet nach eigenem Gutdünken, welcher Figur er im ewigen Schauspiel der Welt einen wichtigen und welcher lediglich einen kurzen oder unbedeutenden Platz einräumt.

Niemand weiß, wie weit Payishna mit der Abfassung seiner großen Dichtung schon gekommen ist, und so können die Sterblichen nur hoffen, dass ihre Opfer Payishna rechtzeitig gnädig stimmen, bevor dieser ihr Schicksal festsetzt. Teilweise findet sich die Vorstellung, dass ein Opfer Payishna zwar wohlgefällig sei, er aber dennoch einen bereits verfassten verhängnisvollen Text nicht mehr umschreiben könne. In solchen Fällen, so hoffen seine Anhänger, werde der wohlwollende Gott sein schriftstellerisches Geschick nutzen, um aus dem Unglück ein unerwartetes Glück erwachsen lassen, etwa indem eine Krankheit den Erkrankten später davor bewahrt, in den Krieg ziehen zu müssen, wo er sein Leben gelassen hätte.

Cerunnos war selbst ein begabter Dichter, mehr noch, als er ein begabter Staatsmann war. Die Idee eines prinzipiell vorbestimmten Schicksals und die Hoffnung, durch Unterwer­fung unter dieses Schicksal dasselbe ein Stückweit verändern zu können, entspricht der sanskitarischen Volksseele. Die Seemacht Shahana und die Schönheit der von Cerunnos verfassten Gesänge sorgten dafür, dass sich der neue Glaube in nur wenigen Jahren über alle Stadtstaaten der Sanskitaren verbreitete. Die Herrscher der Städte nahmen die fatalistische Philosophie von Cerunnos gerne auf, denn so konnten sie leichter ihre eigene Macht als gottgewollt rechtfertigen. Auch heute noch ist Payishna bei Herrschern und Gelehrten beliebt. Der gutgläubige Cerunnos fiel einem Komplott seines jüngeren Bruders Andal zum Opfer. Es zeugt von der Kraft des Payishna-Glaubens, dass Andal niemals versucht hat, die Offenbarungen seines Bruders zu verbieten, sondern seine Herrschaft sogar als dem Willen Payishnas entsprechend verstanden wissen wollte.

Payishnas Verbindung zur Sonne fand erst zweihundert Jahre später ihre Verankerung im Volksglauben. Eine große Dürre, gefolgt von einer Sonnenfinsternis, hatten im Zweistromland den Kult des bisherigen Sonnengottes Braj’agon geschwächt. Heute ist Braj’agon als Sonnengott im Dreistromland nur noch ein Randphänomen. Sein Kult ist vor allem unter den Bewohnern Teruldans verbreitet, bei denen Payishna nie in diese Funktion gerückt ist.

 

Der Kult des Payishna

Aspekte: Herrschaft, Gesetz, Gnadenlosigkeit, Sonne, Magie, Magiebann, Treue, Tardition, Triumph, Führung
Verbreitung: Sanskitarische Stadtstaaten, vor allem Shahana und Teruldan
Heilige Orte: keine
Heilige Steine, Tiere, Pflanzen Artefakte, Heilige: Sultane als Kinder Payishnas, urtulamidische Entdecker des Rieslands
Opfergaben: Gold, Straftäter, Silber Weihrauch, getötete Bestien (Chimären usw.)
Feidbild: Unruhestifter, Rebellen, Amazäer, Anhänger des Braiorag
Hierarchie: Hoch
Politischer Einfluss: Groß in den Sanskitarischen Stadtstaaten.
Weltbild / Menschenbild / Stärkstes Argument: Die Narren wollen das Glück zwingen, doch die Weisen fügen sich demütig in ihr Schicksal.
Toleranz gegenüber Andersgläubigen: Mittel.

 

Shalinnaja

Die Göttin Shalinnaja trägt die Beinamen Hortwächterin oder Erlauchte Herrin des goldenen Rechnungsbuches. Sie ist die teruldanische Göttin des Handelns und des materiellen Reichtums und wird besonders von Karawanen­füh­rern und Händlern verehrt. In den übrigen Stadtstaaten gilt sie eher als Göttin des Handwerks. Hinter der Gott­heit verbirgt sich wahrscheinlich Simia, angereichert um viele Eigenarten, die in Aventurien eher bei Phex verortet werden.

Als Aspekte sind ihr Handel, vor allem der mit Nichtessbarem, Handwerk, Waffen, Schmuck, Farben, Charisma, Geduld, Schöpfungskraft, Emotionen, kontrolliertes (Schmiede)Feuer, Schutz vor Betrug, aber auch der Betrug selbst und die List zugeschrieben. Auch obliegt ihr der Schutz von Handelsrouten. Die Fertigung von Kunst wird zwar bei ihr gesehen, aber stets unter der Prämisse, dass diese verkauft werden soll. Kunst um ihrer Selbst willen gehört nicht zum Wirkungsbereich der Göttin.

Heilig sind ihr Artefakte, Handelswaren, Farben (rot, blau, gelb), Zinn, Zink und Messing. Als Opfergaben akzep­tiert sie Farbstoffe, Zinn, Messing und Silber sowie sonstige Gegenstände von materiellem Wert und handwerklicher Schönheit. Als verhasst gelten dem Kult Faulheit bei der Arbeit, Betrug bei Geschäften und im Handwerk, Hässlichkeit an Gegenständen, Naivität, handwerklicher Pfusch sowie unangemessener Umgang mit Geld (Prasserei, Geiz etc.). Das Weltbild des Kultes lässt sich mit folgendem Satz zusammenfassen: „Die Welt ist voller Gelegenheiten, die wir durch Tüchtigkeit und Glück nützen müssen. Die Göttin bietet uns immer neue Chancen, Wohlstand und Erfolg zu erlangen, aber geschenkt wird uns auf Dere nichts.

Shalinnajas Kult hat keine eigenständige Mythologie. Stattdessen wird die Göttin – lokal unterschiedlich – jeweils als jugendliche Tochter eines anderen vor Ort respektierten, männlichen Gottes gesehen. Shalinnaja wird als wohlgenährtes Mädchen von etwa acht Jahren dargestellt, die in ihrer rechten Hand ein Werkzeug – meist ein Hämmerchen – und in ihrer linken eine tellergroße Goldmünze hält. Sie trägt edle Kleider, üppigen Schmuck und ein Diadem. Im privaten Rahmen sieht man Abbildungen auf kleinen Medaillons mit Prägungen, in Tempeln stehen farbenfroh bemalte und geschmückte Marmorstatuen.

Die Tempel von Shalinnaja sind besonders prächtig, da sie in aller Regel von wohlhabenden Gläubigen aus Dank für erreichten Wohlstand errichtet werden. Einen Shalinnaja-Tempel oder zumindest einen kleinen Schrein gestiftet zu haben stellt ein großes Statussymbol dar, und so gibt es in jeder zweiten Straße kleine Gebäude, die der schenkenden Göttin geweiht sind. Auch auf Handelsrouten werden solche Schreine gebaut, die dann als Herbergen für Handelsreisende dienen. Man hat sogar schon im hohen Norden der Mammutsteppe kleine, der Shalinnaja geweihte Hütten gesehen. Solche Orte dienen als Treffpunkt für Händler, und es heißt, dass bereits der Aufenthalt in der Nähe eines solchen Schreins Glück bringt. Wer noch mehr Sicherheit haben möchte, kann dem Tempel zudem eine Schenkung überlassen. Alles was wertvoll ist, wie etwa teure Stoffe oder Metallgegenstände, stellt eine angemessene Gabe dar. Eine besondere Variante der Opfergaben an Shalinnaja ist das sogenannte „Stille Geschenk„. Dabei wird ein nicht mehr benötigter Gegenstand, der aber dennoch einen gewissen Wert haben sollte, heimlich in die Hände einer Shalinnaja-Statue gelegt. Ein anderer, der diesen Gegenstand gerne haben möchte, kann ihn zu einem späteren Zeitpunkt an sich nehmen. Betrug gibt es dabei kaum. Nach der Vorstellung der Gläubigen finden sowohl die Abgabe als auch die Abnahme unter den wachsamen Augen der Gottheit statt, welche man keineswegs erzürnen möchte.

Priester der Shalinnaja existieren keine, da in der Vorstellung der Gläubigen die Göttin niemanden bevorzugt, sondern jeder die Möglichkeit hat, ihre Gunst ohne Vermittlung eines anderen zu erlangen. Nur in den entlegenen Schreinen jenseits der Zivilisation leben zuweilen Krieger, welche die Gäste des Schreins beschützten und sich auch im Übrigen ganz dem Dienst der Göttin verschreiben, also das Gebäude instand halten und dergleichen mehr. Shalinnajas Anhänger sind vor allem Handwerker und Händler, die einen guten Abschluss ihrer Geschäft erbitten wollen, berufsmäßig Reisende wie Boten oder wandernde Künstler, die ihre Waren anderen Völkern feilbieten.

Wie alt der Shalinnaja-Kult ist, kann niemand genau sagen, aber einige der ältesten Schreine stammen der Legende nach noch aus der Zeit des ersten Sanskitarenreiches. Ob sie damals auch schon einer Göttin Shalinnaja geweiht waren, ist allerdings nicht beweisbar, da keiner der ursprünglichen Einrichtungsgegenstände die Zeit überdauert hat. Im Grunde ist dies eher unwahrscheinlich, da die Sanskitaren beim Untergang des Mittleren Sanskitarenreiches die Erinnerung an ihre alten Götter verloren haben.

 

Uzzat, der Schattengott

Hinter Uzzat verbirgt sich Uthar, möglicherweise auch Bishdariel. Er ist mit den Beinamen Träumer-in-der-Finsternis, Erleuchteter Sultan des Opiums und Mohn-Gott belegt. Der Gott von Tod, Traum und Rausch wird mit den Aspekten Schlaf, Traum, Nichtmaterielles, Entsagung, Meditation, Friedfertigkeit, Stille, Menschenkenntnis, Prophezeiung, Rausch, Weisheit, Geheimnisse, Geister, Tod, Totenruhe, Schutz vor Alpträumen und Schutz vor Geistern verehrt. Sein bedeutendster Kult ist in Teruldan ansässig. Heilig sind ihm die im Bau befindliche Grabkammer des Sultans, darüber hinaus Rauschkräuter und Epileptiker. Beliebte Opfergaben sind Träume bzw. Niederschriften derselben, Rauschkräuter, Weihrauch und Mumien. Verhasst sind Gottheit und Kult Störung der Totenruhe und der Nachtruhe, im Prinzip jegliche Beschäftigung mit weltlichen Angelegenheiten – vor allem ba­na­le Vergnügungen – sowie Phantasielosigkeit, Aggressivität und Oberflächlichkeit. Das Weltbild seines Kultes wird mit dem Satz: „Die leidvolle Welt des Alltags ist nur eine Illusion. Aber durch Selbsterkenntnis erlangen wir Befreiung vom Leiden.“ sehr gut beschrieben.

Die Anhänger des Uzzat glauben, dass die sichtbare Welt nur ein Traum oder Schatten ihres Gottes ist. Es entspricht ihrem Wunsch, durch Meditation und drogeninduzierte Wachträume das Verlassen der sogenannten Traumwelt nach dem Tode vorzubereiten, um in jene Ebene zu gelangen, in der Uzzat schlummert. Wenn sich genügend Anhänger des schlafenden Gottes in Uzzats „Wacher Welt“ versammelt haben, werden sie ihrer Überzeugung nach in der Lage sein, Uzzat zu wecken, und sie werden fortan mit ihm als gerechtem Herrscher in einer paradiesischen Welt leben. Die Beschäftigung mit Träumen dient den Jüngern Uzzats dabei als Mittel, ihre Seelen von den Zwängen des „Großen Traumes“ zu befreien. Sie glauben, dass die Seele eines Verstorbenen die Traumwelt nicht verlassen kann, wenn sie nicht vorher durch Traummeditation die nötige Reife erlangt hat. Da dies leider für die allermeisten Verstorbenen zutrifft, ist die Welt angefüllt mit Totenwesen aller Art. Wann allerdings ein Mensch reif ist, nach seinem Tode in die „Wache Welt“ zu gelangen, ist umstritten. Für den Einzelnen bleibt nur die Hoffnung, genug getan zu haben.

Der Kult des Uzzat stellt sich den Gott als friedlich schlummernden Greis vor, dessen leere Hände gen Himmel gerichtet sind. Es ist aber nicht üblich, ihn als Ganzes abzubilden. Im privaten Rahmen tragen seine Anhänger eine Kette mit einer geöffneten Hand. Es existieren keine Uzzat-Tempel, allerdings stellen viele Priester Räume zur Einkehr zur Verfügung, die aber nicht öffentlich zugänglich sind.

Aufgabe der Priester ist es, den Umgang mit den allgegenwärtigen Seelen der Toten zu pflegen, die dem Volksglauben nach für allerlei Unglück und Krankheiten verantwortlich sind. Durch lautes Rezitieren von Lehrgesängen ist es den Lebenden möglich, die Geister auch nach ihrem Tod zur Reife und zum Eingang in Uzzats Reich zu führen. Als teure Dienstleistung ist es möglich, Prophezeiungen der Priester durch Traumdeutung einzu­holen. Uzzat-Priester sind aus diesem Grund auch als Ratgeber von Herrschern gefragt, was dem Kult bisweilen subtilen politischen Einfluss beschert. In seiner Weltabgewandtheit hat der Kult des Uzzat einige Ähnlichkeit mit dem Glauben an Amazth. Während Uzzat allerdings ein kontemplatives, friedfertiges Leben fordert, möchte Amazth aktives Vorgehen gegen die Verhältnisse auf Dere und ist so häufig umstürzlerisch und gewaltbereit. Beide Kulte sehen sich als Konkurrenten um die Seelen der Menschen.

Der Glaube an Uzzat wurde vom teruldaner Fürsten und Kriegsherrn Aschnapir begründet, dem sich die Gottheit in einem Fiebertraum nach einer schweren Verletzung offenbart hat. Nach seiner Genesung machte er es sich zur Aufgabe, den Glauben an den bisherigen Totengott Marhibo auszulöschen, was ihm bei seinem eigenen Volk auch zu einem großen Teil gelang. Bis heute ist der Schwerpunkt des Kultes in Teruldan, wobei es auch kleinere Gemeinden in anderen sanskitarischen Städten gibt.

In der Wüstenmetropole ist zuweilen die Legende vom “Herz des Schattengottes” zu hören. Dabei soll es sich um ein Juwel handeln, das die Kraft in sich berge, am helllichten Tag die Dunkelheit herbeizurufen und den Verstand selbst wachster Geister zu vernebeln. Vor rund einem Jahrhundert sei der Diamant nach Kurotan gelangt und dort im Nebel der Zeit verschollen. Über den jungen Sultan Teruldans heißt es, er lasse wie ein Besessener nach dem mythischen Schmuckstück suchen, dessen genaue Beziehung zu Uzzat ebenso unklar ist wie die Antwort auf die Frage, ob es überhaupt existiert.

 

Braiorag, Ongferan, Ipkara

 

Auch die Götter der Reiternomaden, Braiorag, Ongferan und Ipkara, finden unter den Sanskitarenstädtern Beachtung.

 

Die Glaubenswelt der Reiternomaden

 


Name

Beinamen

dahinter verbirgt sich

Kulturelle Verbreitung

Besonderheit

Aspekte

Verbreitungsgebiet

Heilige Orte

Heilige Steine, Tiere, Pflanzen Artefakte, Heilige

Opfergaben

Feidbild/Sünden/Laster

Hierarchie

Politischer Einfluss

Weltbild / Menschenbild / Stärkstes Argument

Toleranz gegenüber Andersgläubigen

Kulte

Gläubige, Anhänger, Priester

Braiorag

Praios / Brazoragh

Sanskritarische Reiternomaden

Synkretismus. Keine Primärliturgie, wird kaum selbst angerufen, evtl. Großer Geist

Luft, Sturm, Wind, Sonne, Kampf, Herrschaft, Furchtlosigkeit, (Über)mut, Leidenschaft, Jugend

Sanskitarische Reiternomaden

keine, da im Ringkampf mit Ongferan

Greife, Greifvögel, Drachen, Meteoreisen

keine, werden so gut wie nie angerufen

Sünden: (schwer) Verstoß gegen die jeweiligen Stammestraditionen (nur solange keine Götterlose Zeit vorherrscht)

Ipkara

Rein Riesländisch, evtl. mit Aspekten von Ucuri versehen

Sanskritarische Reiternomaden

Keine Primärliturgie, wird kaum selbst angerufen.

Wasser, Jugend, Schönheit, Liebe, Brünstigkeit, Fruchtbarkeit, Sippe, Leben

Sanskitarische Reiternomaden

keine

keine bekannt

Sex, Lust, Stutenmilch, hartgekochte Eier, Hoden erschlagener Feinde

Sünden: (schwer) Verstoß gegen die jeweiligen Stammestraditionen (nur solange keine götterlose Zeit vorherrscht)

Ongferan

Rein Riesländisch, evtl. mit Aspekten von Obaran versehen

Sanskritarische Reiternomaden

Keine Primärliturgie, wird kaum selbst angerufen.

Erde, Erdbeben, Fels, Jagd, Kampf, Körperkraft, Potenz, Leidenschaft, Klugheit

Sanskitarische Reiternomaden

keine, da im Ringkampf mit Braiorag

Trolle, Riesen, Eisenerz

keine, werden so gut wie nie angerufen

Sünden: (schwer) Verstoß gegen die jeweiligen Stammestraditionen (nur solange keine götterlose Zeit vorherrscht)

Zusätzliche Verehrung:
Verdiente Ahnen
Sanskitarische Reiternomaden
Sanskitarische Reiternomaden

Sippenbegräbnissstätte

keine Bekannt

je nach Vorlieben des Verstorbenen

 

Braiorag

Braiorag: Evtl. Praios oder Brazoragh oder ein Synkretismus aus beiden, als Luftgott zudem mit Aspekten Rondras, Kaucas und Chrysirs versehen. Er gilt als zornig und mächtig und wird deshalb nur selten persönlich angerufen. Verehrung findet er eher mittelbar über die beiden anderen Götter der Trinität, doch auch diese sind gefürchtet. Als seine Aspekte gelten Luft, Sturm, Wind, Sonne, Kampf, Herrschaft, Furchtlo­sig­keit, (Über)mut, Leidenschaft und Jugend. Greifen, Greifvögel, Drachen und Meteoreisen werden als ihm heilig angesehen. Die enge Verbindung des Gottes zum Meteoreisen ist bezeichnend, heißt es doch in Legenden, die Remshen hätten einst ein Mythos-Wesen namens Quachil Uttaus verehrt, dessen Kult durch den Glauben an die Göttertrinität abgelöst worden sei. Und über die Mythos-Wesen heißt es, sie seien besonders anfällig gegen Mete­oreisen.

Dies lässt Raum für Spekulationen, dass der Bund zwischen Marhyna und Rashtul al’Sheik unter anderem zum Ziel hatte, die Verehrung der Wesen jenseits der Sphären im Riesland einzudämmen, oder jedenfalls die dieses speziellen Großen Alten.

 

Ongferan und Ipkara

Ongferan und Ipkara: Ongferan gilt als Gottheit von Erde, Erdbeben, Fels, Jagd, Kampf, Körperkraft, Potenz, Leidenschaft und Klugheit. Trolle, Riesen und Eisenerz sollen ihm heilig sein. Ipkara wird mit den Aspekten Wasser, Jugend, Schönheit, Liebe, Brünstigkeit, Fruchtbarkeit, Sippe und Leben verehrt.

Ongferan und Ipkara scheinen rein riesländische Götter zu sein. Allerdings fällt die Namensähnlichkeit zwischen Ongferan und dem Greifen Obaran auf, der in Praios‘ Auftrag die Xhalori nach Rakshazar geführt hat, und die zwischen Ipkara und Ucuri, dem Herold und Vermittler, den Praios während der Gigantenkriege aus sich selbst heraus erschaffen hatte. Obaran galt auf aventurischem Boden als Initiator des Ordens der Ucuriaten, die den Zwölfgöttlichen Kirchen als Kuriere dienen. Sollte diese Interpretation der Trinität zutreffend sein, wäre es wohl Obarans Bemühen, in den Augen von Praios Vergebung zu finden, das von den Sanskitaren als ewiger Ringkampf mit Braiorag interpretiert wird. Als Gott der Erde, also des Humus, rückt Ongferan zudem in die Nähe von Entitäten wie Sumu, Tsatuaria, Satuaria, Peraine oder Nurti.

Ipkara gilt eher als weibliche Gottheit und bekommt Aspekte zugeschrieben, wie sie die Brokthar bei Rontja vermuten, die Aventurier bei Rahja. Möglicherweise ist auch sie eher als synkretische Gottheit zu sehen, die mindestens Aspekte Rondras, Rahjas, Charyptas und Ucuris vereinigt. Bei einer Wassergottheit wäre zudem an Efferd, Swafnir, Numinoru oder Mououn zu denken.

Der Mysterienkult der sanskitarischen Reiternomaden dreht sich um Braiorag als Herr der Luft, Ongferan als Gott der Erde und Ipkara als Göttin des Wassers. Braiorag und Ongferan buhlen nach seinen Lehren beständig um die Gunst der Ipkara. Ihre Gefechte sind der Gegenstand zahlloser Mythen, Märchen, Erzählungen und Legenden. Mal siegt einer der beiden, mal ereilt einen der Tod. Aus ihrer jeweiligen Vereinigung mit Ipkara sollen zahllose Söhne und Töchter hervorgegangen sein. Es wird aber auch von Kriegen berichtet, welche die buhlenden Götter gemeinsam gegen fremdartige Wesen – meist als fremde Götter gedeutet – geführt haben sollen. Die Götter sind nach Ansicht der Reiternomaden nur bedingt unsterblich. Wenn sie sterben, werden sie in einem bestimmten Rhythmus, den bestimmte Sternenkonstellationen oder astrologische Phänomene wie die Sonnenwende oder die Mondeklipsen festlegen, wiedergeboren.

Auch Ongfaran und Ipkara werden nur sehr selten persönlich angerufen. Die Sterblichen wollen nicht den Eindruck erwecken, sie wollten sich in die Streitigkeiten zwischen Himmel und Erde einmischen, oder schlimmer, man wollte selbst um Ikpara werben. Bei der seltenen Ausführung der Großen Riten müssen die alten Traditionen peinlichst genau beachtet werden, weil jeder kleinste Fehler katastrophale Folgen haben kann.

Orte, welche die Reiternomaden als den Göttern heilig betrachten, haben oft strategische Bedeutung, dienen der Orientierung oder der Sterndeutung.

 

Shesal und der Namenlose

Weitere bedeutende Kulte gehören Shesal, der Totengott der Parnhai, und dem Namenlosen.

 

Shesal

 

 

Indem der Körper eines Menschen zu Staub zerfällt, werde er Teil des Schattenreichs von Großvater Shesal, auch Zerzai genannt, dem Herrn der fruchtbaren Erde und des Todes, heißt es bei den Parnhai. Shesal ist eine Erscheinungsform Zerzals und wird mit den Aspekten Tod, Humus, Ernte, Fruchtbarkeit, Rausch, Männlichkeit, Impulsivität, Kinder, Traum, Schatten, Tanz, Schutz der Toten vor Gefahren, Geister und Humor angerufen. Vulkane gelten ihm als heilig, als Opfergaben akzeptiert er Weinbrand, den Kater am Morgen und Geschlechtsverkehr. Betrachtet man lediglich seine Darstellungen, könnte man Shesal für eine äußerst finstere Gestalt halten: ein großes Knochengerippe, gekleidet in zerschlissene, schwarze Roben und mit einem schwarzen Turban auf dem Kopf. Tatsächlich aber gilt er als gütiger Gott. Er sorgt dafür, dass Dinge zur rechten Zeit sterben und wacht über die Ruhe der Toten. Die Rechtschaffenen geleitet er in Prahinis Gärten, die weniger Rechtschaffenen verurteilt er zu tausenden von Jahren der Zwangsarbeit, wobei sich die Dauer am Grad der Verfehlungen bemisst, innerhalb derer sie die Chance erhalten, sich zu bewähren. Seine Anhänger meinen sogar zu wissen, dass Shesal ein lebenslustiger Zeitgenosse sei, ausgedehnte Gelage und Zigarren liebe, was wohl auch seinen überraschenden Aspekt Humor erklärt. Die Riten zu Ehren des Gottes spiegeln diese Erzählungen wider. Die kuriosesten Legenden berichten davon, Shesal versuche stets, seine Zigarren und seinen Rum, im Riesland Zucker(rohr)brand genannt, vor seiner Frau zu verstecken. Da er sie über alles liebe, versuche er Ehestreitigkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden.

Bei den Parnhai gibt es eine Redewendung über guten Rum, die da lautet:
Der Tropfen ist so gut, für den stünd’ sogar ein Toter auf!“ Allerdings gibt es nur eine einzige Rumsorte, auf die das wirklich zutrifft: den Rum aus Lord Shesals Rum-Kalebasse. Alten Legenden zufolge braut der Gott das Gesöff eigenhändig aus dem schwarzen Zuckerrohr der Unterwelt. Der Rum sieht aus und riecht wie völlig normaler Zuckerrohrbrand, nur schmeckt er um Längen besser, ja, geradezu göttlich! Jeder, der einen Schluck probiert, schwört wird Stein auf Bein, dass er noch nie in seinem Leben einen besseren Rum gekostet hat.

Dass Sterbliche überhaupt in den Besitz der Kalebasse und ihres Inhalts gelangen, hängt mit dem zerstreuten Lord Shesal zusammen, der sie, wenn er durch die Lande der Sterblichen streift und sie als Notfallproviant mit sich trägt, gelegentlich dort “verlegt”. Allerdings halten sich hartnäckig Gerüchte, es würde Absicht dahinterstecken. Der Gott mache sich einen Spaß daraus, den Sterblichen etwas zu geben, mit dem diese nicht verantwortungsvoll umgehen können, und amüsiere sich dann über das, was daraus folge.

Als Rum des Totengottes nämlich hat das Gesöff besondere Eigenschaften nekromantischer Natur. Wenn man die Lippen einer Leiche damit benetzt, so steht diese kurz darauf als Zombie auf. Riesländische Nekormanten würden deshalb ihren linken Arm für die Kalebasse geben, obwohl ihnen die Gabe des Totengottes wenig nütze. Die Untoten nämlich gehorchen ihm nicht. Sie mögen aussehen wie gewöhnliche Zombies, doch ihr Verstand ist noch beisammen, und sie folgen ihrem eigenen Willen. Der göttliche Rum verleiht ihnen eine unverschämt gute Laune, und ihr ganzes Bestreben ist darauf gerichtet, mehr von dem köstlichen Gesöff zu bekommen, oder alternativ ein anderes alkoholisches Getränk, bevor sie ganz auf dem Trockenen sitzen. Sind die Untoten sternhagelvoll, wanken sie sturzbesoffen zurück in ihr Grab und hauchen ein weiteres mal, nur viel glücklicher als beim ersten Anlauf, ihr Leben aus. “Shesals morbide Gartenfeste” sind deshalb unter den Parnhai längst zum geflügelten Wort geworden.

 

Mehr Götter als Reisschalen

Man sagt, dass die Sanskitaren mehr Götter als Reisschalen haben, da in ihren Städten jeden Tag ein Prophet geboren wird und sich jede Nacht eine Offenbarung vollzieht. Auch wenn dies sicherlich übertrieben ist, scheint es einem fast als ob auf den Marktplätzen der Sanskitaren nicht nur Tuche und Vieh feilgeboten werden, sondern auch Religionen, Götter und Kulte.

Es gehört zu den Eigenheiten der sanskitarischen Kultur, dass Propheten, Heilsbringer und fiebernde Wahrsager nicht nur geduldet, sondern sogar hochgeschätzt werden. Ein charismatischer Redner wird nicht nur mit Opfergaben bedacht, sondern kann es mit etwas Geschick schaffen, innerhalb kürzester Zeit einen riesigen Mob zu mobilisieren und aufzuhetzen. Dem Außenstehenden scheint es, als ob die Sanskitaren Bekenntnisse und Überzeugungen wechseln wie andere ihren Unterrock und geradezu wahllos jeden dahergelaufenen Scharlatan zu ihrem Guru machen – doch das ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich gibt es nur wenige kirchlich organisierte Glaubensgemeinschaften und keine alleingültige in der Gesellschaft verankerte Heilsschrift. Vielmehr existieren einige wenige, religiöse Hauptströmungen, die mehr oder weniger festgelegte Pantheons verehren.

 

Bylmaresh und Ankhatep

Mit dem Fall des Mittleren Sanskitarenreiches verschwand die Verehrung der urtulamidischen Gottheiten Bylmaresh und Ankhatep aus der Glaubenswelt der Sankitaren. Möglicherweise etwas früher als in den aventurischen Tulamidenlanden, wo die Ausmerzung der beiden Kulte, die vermutlich schon mit dem Ende der Dunklen Zeiten und dem Fall des Diamantenen Sultanates an Bedeutung verloren haben, womöglich Folge von Rastullahs Erscheinen im Jahre 760 BF Fall ist. Es spricht einiges dafür, dass der Gigant Raschtul den bevorstehenden Konflikt seiner Novadis mit den Vielbeinigen, der wenige Jahre nach dem Sternenfall von 1038 BF beginnen würde, vorausgeahnt und deshalb seinen Einfluss geltend gemacht hat, um die beiden Spinnengottheiten aus dem Pantheon der Tulamiden zu vertreiben.

Während der Kult der beiden Götter dem Bewusstsein der riesländischen Tulamidenabkömmlinge entglitt, scheint er aus Rakshazar insgesamt niemals vollständig verschwunden zu sein. Lange residierte er im Untergrund Kurotans, bis die Kultisten schließlich von den schlafenden Smarantern unter der Wüste Lath erfuhren und in Scharen dorthin pilgerten, um den als Kindern ihrer Götter geltenden Vielbeinigen nah zu sein. Noch heute leben die Kultisten im Verborgenen tief in der Wüste, in versteckten Oasen und unterirdischen Höhlensystemen, meist in der Nähe der Verstecke der träumenden Spinnenwesen. Es heißt, dass sie in die Träume der Smaranter eindringen können und in engem Kontakt mit ihnen stehen, und ebenso, dass die Kultisten, wie die Smaranter selbst, die Traumzeit der Xhul beeinflussen. Sie sind damit ein recht unberechenbarer Faktor, dessen Macht sich schwerlich einschätzen lässt. Sollten sich die Vielbeinigen anschicken, auch im Riesland ihre Rückkehr in Angriff zu nehmen, so wie dies in Aventurien bereits jetzt der Fall ist, werden sie womöglich schlagartig an Bedeutung gewinnen. Was sie davon abhält, die schlafenden Smaranter bereits jetzt zu wecken und zum Kampf gegen die anderen Völker aufzustacheln, wissen wohl nur sie selbst zu sagen. Ebenso ist unklar, ob sie in telepathischem, träumerischen oder sonst wie gearteten Kontakt mit den Smarantern Kithorras stehen, die in der dortigen Gesellschaft eine wesentliche Rolle spielen und beim Erwachen ihrer rakshazarischen Artgenossen einen weiteren Unsicherheitsfaktor darstellen würden.

 

Die Ramithen

Ramithen ist ein Oberbegriff für mehrere Mysterienkulte, die ab 955 BF vor allem in den Sanskitarenlanden in Erscheinung traten und scheinbar Payishna verehren, während sie in Wahrheit den Lehren des Namenlosen folgen. Besonders “Die Rufer der Hasta” arbeiten unablässig auf ihr Ziel hin, den Widersacher von seinen Ketten zu befreien und so die bestehende Weltordnung zu Fall zu bringen.

Mythologie: Den Ramithen zufolge entstand die heutige Welt als Hochzeitsgeschenk, welches anlässlich der Beilegung einer langanhaltenden Fehde zwischen den konkurrierenden Göttergeschlechtern der Al’Ramna und der Deva durch familienübergreifende Eheschließung überreicht worden ist.

Payishna, ältester Sohn der Al’Ramna, hatte es geschafft, urtümliche, alte Götter namens Taqu zu bezwingen. Sein Bruder Ioth nahm dies als Aufforderung, nun auch die Deva zu unterwerfen, welche zu den ältesten Feinden der Al’Ramna zählten. Payisha sah wohlgefällig auf seinen starken Bruder, der die Truppen rüstete und auf die große Schlacht vorbereitete, doch während er noch das Blut des Magiers der Taqu von seinem Streitwagen wusch, stieß ein Pfeil durch Ioths Kehle und tötete ihn.

Da fiel ein Schatten auf Payishnas Antlitz, und der Sonnengleiche bebte vor Zorn. Der Pfeil war von den Devas gesandt worden, doch nicht als Eröffnung des bevorstehenden Konfliktes, sondern um eine Botschaft zu übermitteln. Auf einer Schriftrolle, die um den Pfeil gewickelt war, erklärte der Sultan der Devas, dass Ioths Tod unumgänglich gewesen sei, weil er sich niemals zum Friedensschluss der beiden Göttergeschlechter hätte bewegen lassen. Er bot Payishna an, ihm im Tausch für das Leben seines Bruders drei seiner eigenen Söhne als Sklaven zu überlassen, und es sei ihm freigestellt, wie er mit ihnen verfahren wolle. Sie töten, um Rache zu nehmen für den Tod seines Bruders, sie foltern, sie zu den niedrigsten seiner Diener machen. Zugleich bot er seinem Gegenspieler die Hand seiner Tochter Dsav Ishnavath an. Durch die Hochzeit werde der Streit zwischen den beiden Häusern beigelegt und ein neues Bündnis begründet, das es den beiden Göttergeschlechtern ermögliche, zusammen gegen ihre gemeinsamen Feinde in die Schlacht zu ziehen. Payishna, voller Trauer und Zorn, nahm sich die Zeit, das Angebot zu überdenken, und schließlich akzeptierte er es widerwillig, weil es die einzig vernünftige Lösung zu sein schien und beiden Familien eine lange, blutige Auseinandersetzung ersparte.

Der freudige Lärm des Hochzeitsfests ließ alle Ringe des Alls erbeben. Die Deva und die Al’Ramnas feierten die versöhnliche Einigung. Den Höhepunkt des Festes sollte Omshivans Weltentanz darstellen, in dessen Verlauf die Götter das Entstehen und Vergehen von 63 Welten bewunderten. Dies allerdings beschämte die Väter des Brautpaars, denn weder das Brautgeschenk des Devasultans noch das Hochzeitsgeschenk des Sultans der Al’Ramni konnte sich mit den 63 Welten messen, die der außenstehende Gott dem Paar zu Füßen legte. Um ihr Gesicht zu wahren, suchten die Familienoberhäupter fieberhaft nach Ersatz, und beide fanden ihn jeweils in dem Stirndiamanten ihres Turbans. Als es an ihnen war, die Geschenke zu überreichen, sprach der Devasultan stolz: „Seht, ich schenke euch meinen wertvollsten Besitz: Alle Wahrheiten des Urgrunds.“ Stummes Staunen erfüllte die Götterschaft. Nun trat der Sultan der Al’Ram zum Brautpaar und sagte: „Auch ich schenke euch meinen wertvollsten Besitz: Die einzige Wahrheit des Urgrunds.

Die Familien, eben noch so harmonisch vereint, gerieten in Streit, was denn die Wahrheit sei. Ein Streit, der nie in offenen Krieg ausbrach, weil der Ehebund geschlossen und das Bündnis der beiden Familien besiegelt wurde. Doch führt die ungeklärte Frage auf jedem Familientreffen erneut zum Konflikt. Payishna und seine Frau, im Besitz der beiden Diamanten, kennen als einzige die Antwort, doch sie können sie nicht offenbaren, weil es bedeuten würde, den brüchigen Frieden zwischen ihren Angehörigen empfindlich zu stören. Omshivan jedoch bot den Familien eine Lösung an. Er formte eine weitere Welt und taufte sie auf den Namen Dere. Auf ihr, so sprach er, würden beide Diamanten gleichermaßen ihre Macht entfalten, und am Ende der Zeit werde sich offenbaren, welcher von ihnen der stärkere sei. So entstand die Welt, auf der wir leben, und auf der ein ungelöster Streit der Götter unser Schicksal bestimmt.

Aus der ersten Rolle von Ushmach.

 

Ramithische Sekten

 

Die Amedi

Die Ra’Amedi (“Schüler des Amedi”) sind in der ländlichen Bevölkerung Shahanas und Yal-Mordais weit verbreitet, am zahlenstärksten jedoch sind sie in Teruldan. Dort dringen sie, vor allem durch die reichen Magnaten, zunehmend in die sanskitarische Oberschicht vor. Amedi bedeutet so viel wie „überliefertes, altes/ehrwürdiges Wissen“ und betont die Vorstellung der Sekte, den weitervererbten Gesetzen der Ur-Tulamiden zu folgen.

Im Zentrum des Glaubens der Amedi steht die Verehrung der mythischen Clansväter, zu der die Befolgung des Clansrechts, verschiedener Tabus sowie der Erhalt der Familienehre und des Clanserbes gehören.

Äußere Kennzeichen des Kults sind der rituelle Stoßdolch, der von allen Erwachsenen getragen wird, und die auf die Stirn aufgemalten Clansinsignien.

 

Mythologie der Amedi

Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ihren Stolz und ihre Berufung leiten alle Clans der Amedi aus dem großen Al’Agmesch-Epos ab, das die vermeintliche gemeinsame Historie ihres Volkes erzählt. Jeder Clan bewahrt außerdem eine Erweiterung des Mythos um die eigene Clansgeschichte auf. Dort werden die dem Clan wohlgesonnenen Götter genannt sowie Speisegebote und Clansgesetze festgelegt.

Darüber hinaus existieren die “Rollen von Ushmach”, die als clansfremdes Werk angesehen werden und deshalb nur eine Nebenrolle spielen. Der Einfluss der neunten Rolle auf die Kriegertugenden allerdings ist unbestreitbar, und ebenso haben andere Aussagen des Werks schleichenden Einfluss in die Lehren der Ra’Amedi gehalten.

 

Wichtige Werke

Entsprechend steht das Epos Al’Agnesch im Zentrum des herrschaftsorientierten Mythos. Es erzählt vom Gottkönig Agmesch, einem Sohn oder Diener Payishnas, welcher die Stadtgötter von Teruldan, Shahana, Ribukan und Yal-Mordai durch List und Kraft bezwang und so ihrer göttlichen Artefakte habhaft wurde, um letztendlich den stärksten unter ihnen in Marhynia zu fordern. In ihrem Ringen zerstörten die beiden Götter die Stadt. Danach befriedete Agmesch mit 49 Taten das Umland und vergab es an seine treuen Helfer, die Ahnherren der verschiedenen Sanskitarenstämme, um anschließend seinen Platz an der Seite Payishnas einzunehmen.

 

Die Rufer der Hasta

Name der Gottheit: Hasta
Aspekte: Hingabe, Selbstaufgabe, Unsterblichkeit
Pantheon: Alleinige Göttin
Schöpfungslehre: Los/Sumu
Verbreitung: Amhalashal, Reste in Teruldan
Weltliche Aufgaben: Befreiung Hastas aus der Gefangenschaft der Dämonen, Fütterung Hastas
Wichtige Tempel: Das mobile Heiligtum mit dem Gottesidol in Amhalashal
Feiertage: Hochfest am letzten Neumond vor der Sternenleere, monatliche Feste jedes Mal zum Neumond
Heilige Artefakte: Das Gottesidol, ein anderthalb Menschenschritt hoher, schmaler Meteorit, dessen Spitze vergoldet ist. Am unteren Ende befindet sich eine Schale.
Heilige Orte: Marhynianische Stätten in ganz Rakshazar, Teruldan, der momentane Standort des mobilen Tempels
Opfergaben: Körperteile, einmal im Jahr ein Jüngling
Politischer Einfluss: nicht vorhanden
Hierarchie: Hohepriesterin Sabea Hasta, breite Basis an „Rufern der Hasta“, ein Auserwählter (das jeweils nächste Menschenopfer), ungläubige Handlanger für die „Drecksarbeit“.
Toleranz gegenüber Andersgläubigen: Andersgläubige werden als Handlanger angeworben und/oder missioniert.
Feindbilder: Jeder, der sich dem Kult in den Weg stellt.
Lehre des Kultes: Wenn Hasta befreit ist, wird sie ihre treuen Diener mit ewiger Glückseligkeit belohnen.
Ziele des Kultes: Befreiung Hastas aus ihrer Gefangenschaft
Jenseitsbild: Hasta wird ihre Getreuen zu Göttern erheben.
Weltbild: Die Welt wird von den Dienern der Dämonen beherrscht, gehe vorsichtig mit ihnen um und bekehre sie zu Hasta.
Menschenbild: Der Mensch kann Hasta retten, entweder als Rufer oder indem er ihr als Nahrung dient.
Stärkstes Argument: Gold und Sex
Lebensinhalte und Glauben: Die Handlanger suchen nach dem Befreiungsritual, die Rufer werden dereinst das Ritual durchführen, die Auserwählten sind die Nahrung der Göttin.
Bild des Glaubens in der Bevölkerung: Der Kult ist ein Geheimkult unter vielen
Tempelgarden und militärischer Einfluss: Schlägertrupps und Handlanger schützen den Tempel und gehen gegen Feinde des Kultes vor.

 

Geschichte

Der Kult entstand vor etwa drei Generationen in Teruldan, seine Wurzeln reichen jedoch weit in vorkataklysmische Zeiten zurück. Sein erster Prophet, dessen Name leider nicht überliefert ist, vermengte Glaubensinhalte der Xhul, die an eine gefangene Gottheit in der Wüste Lath glauben, mit Teilaspekten verschiedener marhynianischer und sanskitarischer Kulte, und stellte sie auf die Basis der ramithischen Mythologie. Die Göttin Hasta ist demnach die Tochter des ramithischen Urpaars Payishna und Dsav Ishnavath und von ihren Eltern als Herrscherin der 64. Welt eingesetzt, unserer Welt Dere.

Am Ende der Tyrannenzeit mussten die Anhänger des Kults aus Teruldan fliehen. Krieger der Xhul, die damals in Teruldan lagerten, überfielen aus ungeklärten Gründen während der Feierlichkeiten zum Hochfest der Hasta die Gemeinde und brannten den damals noch immobilen Tempel nieder. Der Prophet und viele Kultisten wurden erschlagen. Der Vater der heutigen Hohepriesterin konnte jedoch mit dem Idol der Göttin aus der Stadt entkommen und über Amhas nach Amhalashal fliehen. In dieser Zeit hat sich das Glaubensbild des Kultes stark gewandelt.

 

Das glaubt der Kult

Der Kult glaubte früher, dass Hasta der Name der gefangenen Wesenheit in der Wüste sei, deren Macht (und damit auch die Ausdehnung der Wüste) bei jeder Anrufung ihres Namens steigen werde. Seit dem Exil wird Hasta eher als ein Orakel verstanden, gilt aber immer noch als gefesselte Göttin.

Es heißt, sie offenbare sich in Orakelsprüchen und arbeite aktiv an ihrer Befreiung. Es sei die Aufgabe ihrer Gläubigen, sie dabei zu unterstützen. Da die Macht ihres Namens durch ihre Ketten gebunden sei, werde er nicht mehr gerufen so wie einst. Vielmehr, so lehrt es der Kult, müssten ihre Fesseln, die selbst unsterbliche Wesenheiten seien, durch das Aussprechen von deren wahren Namen gelöst werden. Man munkelt, dass in den Ruinen marhynianischer Stätten in ganz Rakshazar Hinweise auf die Namen der Ketten versteckt seien. Wenn es einst gelungen sei, die Göttin zu befreien, werde sie ihre Gläubigen zu gottgleichen Wesen erheben.

Wer oder was Hasta eingekerkert hat, darüber schweigt sich der Kult aus. Allzu hartnäckige Nachfragen werden mit einem kryptischen Verweis auf sogenannte 1.001 Dämonen der Inneren Lath beantwortet.

 

Hierarche

An der Spitze des Kultes steht Sabea Hasta, eine gebürtige Teruldanerin. Die junge Frau von etwa zwanzig Sommern ist eine angenehme Gesprächspartnerin, die ständig bemüht ist, neue Handlanger für ihren Kult zu rekrutieren. Vor allem Brokthar versucht sie mit vollem Körpereinsatz und mit Gold für Hasta zu gewinnen. Sie ist es auch, die die Opferungen zum Hauptfest vornimmt und die Orakelsprüche verkündet.

Direkt unter der Hohepriesterin stehen die Gläubigen, die sich selbst „Rufer Hastas“ nennen, da ihnen dereinst die Ehre zuteilwerden soll, die Ketten der Göttin zu bannen die Gottheit herbeizurufen. Alle Mitglieder dieses erlauchten Kreises haben Teile ihres Körpers zur „Speisung“ ihrer Göttin geopfert und spenden regelmäßig einen beachtlichen Teil ihres bescheidenen Vermögens, um die Handlanger der Sekte zu entlohnen. Es passiert nicht selten, dass Töchter in die Prostitution verkauft werden und den Erlös dem Kult zu spenden.

Die Handlanger bilden die zweite Kaste des Kultes. Zu ihnen gehören Abenteurer, die sich im Auftrag des Kults auf die Suche nach den Namen der Ketten oder nach wertvollen Artefakten aus marhynianischer Zeit begeben, männliche wie weibliche Tempelhuren, die die Finanzierung des Kultes sichern, und Sympathisanten.

Eine Sonderstellung nimmt der Jüngling ein, welcher Hasta als Opfer dienen soll. Dieses hoch angesehenen Kultmitglied wird von vorn bis hinten verwöhnt. Der Jüngling bekommt die erlesensten Speisen, feine Kleider und wertvollen Schmuck. Nach einem Jahr jedoch ist es mit der Herrlichkeit vorbei. Während des großen Opferfestes wird er Hasta in einem blutigen Ritual geopfert. Während des großen Opferfestes wird der Jüngling entmannt. Sein Kopf wird auf das Idol gelegt und mit einer Keule zertrümmert.

 

Der mobile Tempel

In einem zweiachsigen Karren wird das Idol des Kultes aufbewahrt, dem auch der Jüngling und diverse Körperteile der Kultisten geopfert werden. Das Idol ist ein etwa anderthalb Menschenschritt hoher, schmaler Meteorit, dessen Spitze vergoldet ist. Am unteren Ende befindet sich eine Schale, in der das Blut der Geopferten aufgefangen wird.

 

Ein Götzendienst am Festtag der Hasta

Klagend, aufwühlend, schreiend klingen die Flöten der Rufer, zu denen ich nun auch gehöre. Die Nase hat es mich gekostet. Gerne gab ich sie, damit Hasta essen kann. Drüben auf dem Scheiterhaufen wird sie sich in Rauch, die Speise Hastas, verwandeln. Jetzt wird der Auserwählte hereingeführt, ein junger Mann, keine sechzehn Sommer alt. Entmannt wurde er schon, sein Gemächt liegt ebenfalls auf dem Scheiterhaufen. Sein Kopf wird auf das Idol gelegt und mit einer Keule zertrümmert. Blut und Hirnmasse fließen in die Schale und vermengen sich mit wertvollem Öl, der Asche des Scheiterhaufens aus dem Vorjahr, Staub aus der Aschewüste und kostbaren Gewürzen. Dieses Gemisch trinkt die Sabea, die derische Stellvertreterin Hastas. Wie bei einem schweren Rausch fällt sie nun nieder; wild zuckend, brabbelnd wie eine Irre. Nun ist Hasta bereit, durch die Priesterin zu sprechen. Die Brust des Jünglings wird von Dienern der Priesterin geöffnet, die Leber entfernt und der immer noch Zuckenden in die Hand gegeben. Sie beginnt zu orakeln: Von verlorenen Artefakten, Ruinen und den Namen der Ketten …

— Von einem ehemaligen Kultmitglied. Drei Tage später wurde er von einem mutmaßlichem Handlanger erschlagen.

 

Der Kult im Spiel

Der Kult der Hasta bietet sich als Auftraggeber für Expeditionen zu alten Ruinen an. Nach außen gibt sich die Gemeinschaft mildtätig und verspricht Reichtum und ewige Glückseligkeit. Nach einiger Zeit (z. B. wenn sie Kontakt mit Xhul oder dem Prophetenlager hatten) sollten die Helden allerdings die dunklen Seiten des Kultes kennenlernen.

 

Meisterinfo

Der Kult verehrt niemand anderen als den Namenlosen, was sich bei genauerem Hinschauen auch durchaus erkennen lässt. Sein Ziel ist es, den wahren Namen des Widersachers zu finden und auszusprechen, um so ihren Gott von seinen Ketten zu befreien. Die Sektenführer haben diesen Vorgang als die Beschwörung der „Ketten der Hasta“ getarnt, um zu verschleiern, dass mit der Befreiung des Gottes ohne Namen die bekannte Welt zugunsten einer neuen Weltordnung enden wird.

Nichteingeweihten entgeht ebenfalls, dass Hasta in gewissen Abständen „gefüttert“ werden muss, und die Göttin ist eine wahre „Feinschmeckerin“. Zu ihrem Hochfest genießt sie bevorzugt das Blut eines schönen Jünglings, jedenfalls sofern er sich ihr aus freien Stücken opfert. Aus den Lebern der Geopferten orakelt die Hohepriesterin über mögliche Hinweise, wo die diversen Namen der verschiedenen Ketten versteckt sein könnten. Hasta giert außerdem nach Fleisch, deshalb muss jeder, der in die Reihen der Gläubigen aufsteigt, ihr ein beliebiges Körperteil opfern.

Die Verschiebung des Glaubensinhalts des Kultes von einem relativ harmlosen Mysterienkult hin zu einem Namenlosenkult fand schon in seinen letzten Tagen in Teruldan statt. Treibende Kraft dahinter war der Vater der heutigen Hohepriesterin. Die Xhul-Krieger erkannten, was in Wahrheit hinter dem neuen Erscheinungsbild des Kultes stand, und warnten den Propheten, der aber nicht auf sie hörte. Um dem Treiben ein Ende zu bereiten, griffen die Krieger schließlich während des Hochfestes an.

 

Die Glaubenswelt der Xhul

 

 


Name

Beinamen

dahinter verbirgt sich

Kulturelle Verbreitung

Besonderheit

Aspekte

Verbreitungsgebiet

Heilige Orte

Heilige Steine, Tiere, Pflanzen Artefakte, Heilige

Opfergaben

Feindbild/Sünden/Laster

Hierarchie

Politischer Einfluss

Weltbild / Menschenbild / Stärkstes Argument

Toleranz gegenüber Andersgläubigen

Kulte

Gläubige, Anhänger, Priester

Fremder Krieger

Der Namenlose

Xhul-Wüstenwanderer

Wird nicht direkt angebetet und gilt als Versucher der Lath

Versuchung, Verrat, Gefühlskälte, Krieg, Brünstigkeit, Macht, Wahnsinn

Wüste Lath, Schwerpunkt in Xhoulajambo und dem Gyoi-Gebirge

offiziell keine

keine

offizell keine

Janga-Rhumat und alle anderen Götter außer Lath/

Sünde: (mittel) Schwäche, Gnade, Liebe

keine

keine

keine

Janga-Rhumat

Rein Riesländisch

Xhul-Wüstenwanderer

Keine Löwen in der Lath. Kein Karmaspender. Gefesselte Gottheit und nur in der Traumzeit erreichbar.

Tiere, Kontrolle über Tiere, Traumzeit, Weisheit, Prophezeiung, Schutz in der Traumzeit, Hoffnung

Wüste Lath

Traumzeit und Übergänge in diese

keine

Meditation, Traume

Der fremde Krieger, Lath (Wüste und Gottheit), Donari

Alpträume/ Sünde: (schwer) Grausamkeit gegen Tiere, Wasserverschwendung

kaum

in den Stämmen ansehnlich bis groß

Geh in die Traumzeit, und jedes Ding wird dir eine Geschichte von IHM erzählen. Geh in die Traumzeit und triff IHN selbst.

mittel, Kulte der Lath und des Fremden Kriegers werden abgelehnt

Lath

warscheinlich Dämonin, entweder unabhängig, aus der Domäne Agrimoth oder mit Rahastes verwandt

Xhul-Wüstenwanderer

Verkörperung der Wüste

Wüste, Tod, Sturm, Gnadenlosigkeit, Impulsivität, Hitze, Eigennutz, Eigensinn, Schönheit, Eroberung, Zerstörung, Ausgelassenheit, Sinnestäuschung

Wüste Lath, Schwerpunkt in Xhoulajambo und dem Gyoi-Gebirge

Höhlenoase Nanbalo

keine

Menschen (vornehmlich Xhul), Gold, Edelsteine

keine spezifischen Feindbilder

im Stamm N`Yalee hoch, unter anderen Stämmen gering

bei den Xhoula hoch, sonst sehr gering, da kaum Verbreitet und oft verfemt

Die Wüste wächst. Jedes Jahr einen Schritt.

gering, Fanatiker setzen die Lath über Janga-Rhumat

 

Die Lath als Göttin

 

Einige Stämme der Xhul kennen eine uralte Geschichte, wonach die Göttin Lath angeblich einst gütig und mitfühlend und die Wüste nur wenige Dutzend Meilen groß war. Dann allerdings verliebte sich die schöne Göttin in einen fremden Krieger, je nach aktuellem Feindbild ein Ork, Amhasim oder Donari. Als dieser Lath jedoch schroff zurückwies, verfiel sie aus lauter Liebeskummer dem Wahnsinn. Seit jener Zeit tanzt Lath mit den Sandstürmen, und die Wüste dehnt sich mehr und mehr aus. Der Name des Kriegers ist nicht überliefert, und jene Stämme glauben, ihn zu erwähnen hieße, die Göttin auf sich aufmerksam zu machen und dadurch ihren Zorn heraufzubeschwören.

— Aus den Aufzeichnungen eines unbekannten Zelothen, ca. 350 Jahre alt

 

Mit dem Übersiedeln in die Wüste Lath und ihrer Namensänderung in Xhul übernahmen die Xhalori überwiegend den Glauben an Lath, die Verkörperung der gleichnamigen Wüste. Man hat ihr viele Bezeichnungen gegeben. Göttin, Gigantin, Urriesin, Riesin. Die Wahrheit indes dürfte ernüchtern, denn wahrscheinlich ist Lath heute eine mächtige Dämonin, Archontin einer unabhängigen Domäne, aus Agrimoths Gefolge stammend oder mit Rahastes verwandt. Ursprünglich eine Urriesin, wurde sie transformiert, als die Niederhöllen jene, die ihrer Art waren, im Krieg der Riesigen korrumpierten.

Die Xhul-Wüstenwanderer verehren sie nichtsdestotrotz als Göttin des Sandmeers und der darin tobenden Stürme, vor allem in Xhoulajambo und im Gyoi-Gebirge. Als Aspekte werden ihr Wüste, Tod, Vergänglichkeit, Niederwerfung von Bestien, Sturm, Gnadenlosigkeit, Impulsivität, Hitze, Eigennutz, Eigensinn, Schönheit, Eroberung, Zerstörung, Ausgelassenheit, Sinnestäuschung und Tanz zugeschrieben. Sie soll die Erschafferin der gefürchteten Fata Morganas sein. Als Opfergaben akzeptiert sie Menschen – vornehmlich dem Volk der Xhul selbst entstammend –, Gold und Edelsteine, dargebracht, um ihren sprichwörtlichen Zorn zu besänftigen.

Das stetige Sich-Ausdehnen der Wüste spiegelt sich in den Legenden der Xhul, welche es zu Recht mit einem Tanz der Göttin in Verbindung bringen, die genauen Zusammenhänge jedoch nicht kennen. Es heißt, Lath sei die Mutter der Wüste und gleichsam Muttergottheit der Xhul – eine stolze und oft grausame Zauberin, die recht wenig für das Wimmern ihrer sterblichen Kinder übrig habe, sondern es vorziehe, mit den wilden Sandstürmen zu tanzen oder ihr makelloses Angesicht in den Spiegelungen des heißen Wüstensands zu betrachten.

Fast alle Xhul fürchten Lath und vermeiden jede kultische Handlung, die ihre Aufmerksamkeit erregen könnte. Einzige Ausnahme bilden die Xhul vom Stamme der Xhoula, Bewohner von Xhoulajambo. Sie verehren Lath als kriegerische Schutzpatronin, die den Stadtherren Schlachtenglück und zahlreiche Eroberungen schenkte. In ihrer Glaubenswelt steht Lath weit über Janga-Rhumat. Dies mag damit zusammenhängen, dass das wichtigste Heiligtum der Göttin gerade einmal für Tagesreisen außerhalb der Stadt im Gyoi-Gebirge liegt: die Höhlenoase Nanbalo mit der Bodenlosen Schlucht. Als Wächter und Hohepriester leben dort seit fünf Generationen die Mitglieder des Teilstammes der Y’Nalee, allesamt Kwa Ipa-uGonga – eine besondere Form von Zauberkundigen. Ihr Auszug aus Xhoulajambo gilt als die Geburtsstunde des gegenwärtigen Kultes. Allerdings wurden in den Heiligen Höhlen uralte Felsritzereien und Artefakte gefunden, die belegen, dass die Verehrung der Göttin bis zu den Xhalori zurück­reicht.

Die Göttin vergibt zurzeit kein Karma, aber ihre Diener sind seit zwei Generationen auf der Suche nach einer Primärliturgie und glauben, kurz vor dem Durchbruch zu stehen. Sollte sich die mutmaßliche Dämonin als karmaspendende Entität erweisen, würde dies interessante Fragen nach ihrer Identität aufwerfen und welche Gottheit sie vor ihrem Fall in die Niederhöllen gewesen sein mag – auch eine Charyptoroth vermag ja noch, wie einst ihr früheres Ich Charypta, in begrenztem Maße Karma zu vergeben. Verehrt wird die Göttin in wilden Tän­zen, bei denen sich die Tänzer in Trance mit Dornenruten geißeln. Einmal im Jahr pilgern die Edlen und Reichen Xhoulajambos zur Höhlenoase, um ihre Opfer – Kriegsgefangene, Jünglinge und Jungfrauen – der grausamen Lath beizubringen, auf dass sie die Bewohner der Stadt ein weiteres Jahr mit Hunger, Dürre und Sandstürmen verschone. Außer der Heiligen Oase gibt es keine Tempel der Lath. Diverse kleine Sekten haben allerdings kleine Kulträume oder Platz in eigens dafür hergerichteten Zelten. Deren Ziel besteht oft in der Besänftigung der Wüste oder der Unterwerfung unter die Naturgewalten. Sie sind in der Wüste aktiv, aber auch im Umland, in Teruldan, Kurotan und am Oberlauf des Teruls. Die Sekten werden nicht selten von Xhul oder Mischlingen geleitet. Bei ihnen ist also besondere Form der Darbringung von Menschenopfern das Eingraben im Sand verbreitet.

Politisch üben die N’Yalee große Macht aus. Neben den in Xhoulajambo lebenden Bestienmeistern stellen sie die magische Elite des Stammes. Außerdem schenkt der jetzige Mata-Inkosi den N’Yalee im Rat der Inkosi mehr Gehör als den anderen Stämmen. Deshalb sie die N’Yalee umso erpichter darauf, in den Besitz von Laths Primärliturgie zu gelangen und eigene Priester auszubilden. Es würde ihre Macht weiter steigern.

 

Der Kult der Lath – Eine Göttin tanzt die Wüste

 

Aspekte: Wüste, Tod, Sturm, Gnadenlosigkeit, Impulsivität, Hitze, Eigennutz, Eigensinn, Schönheit, Eroberung, Zerstörung, Ausgelassenheit, Sinnestäuschung
Verbreitung: Wüste Lath, Schwerpunkt in Xhoulajambo und dem Gyoi-Gebirge
Heilige Orte: Höhlenoase Nanbalo
Heilige Steine, Tiere, Pflanzen, Artefakte, Heilige: keine
Opfergaben: Menschen (vornehmlich Xhul), Gold, Edelstene
Feidbild: keine spezifischen Feindbilder
Hierarchie: im Stamm N’Yalee hoch, unter anderen Stämmen gering
Politischer Einfluss: bei den Xhoula hoch, sonst sehr gering, da kaum verbreitet und oft verfemt
Weltbild / Menschenbild / Stärkstes Argument: Die Wüste wächst. Jedes Jahr einen Schritt.
Toleranz gegenüber Andersgläubigen: gering, Fanatiker setzen die Lath über Janga-Rhumat

 

Die Traumzeit

 

 

Du willst wissen, was die Traumzeit ist? Nun, an der Frage merkt man, dass du kein Wüstenwanderer bist. Die Traumzeit ist die Erinnerung an eine Welt, die einst war und an einen Gott, der einst herrschte. Sie ist ein Blick hinter den Schleier der Wirklichkeit und ein Tor in eine andere Welt.

— Iwabot-Mata U-Ogura Ipau-Rhimbe zu einem Abenteurer aus Kurotan, der offensichtlich Xhul-Vorfahren hatte, Teruldan, neuzeitlich

 

Bei dem, was die Xhul als Traumzeit bezeichnen, handelt es sich um ein nicht klar definiertes, spirituelles Konstrukt, bestehend aus besonderen astralen Erfahrungen und veränderten Bewusstseinszuständen bis hin zu temporal- und sphärenmagischen Ereignissen. Es heißt, die Traumzeit sei eine Art Zauberwelt, eine Anderswelt, ähnlich einer Globule, göttliche Idee und kollektives Bewusstsein, gewoben aus Träumen und Gedanken. Dabei ist sie für die Xhul zugleich Folge und Ursprung der Wirklichkeit. Ein aventurischer Analysemagier würde die Traumzeit als chaotische Mischung aus Hellsicht-, Illusions-, Sphären-, Temporal- und Einflussmagie beschreiben. Ein Sphärologe würde vielleicht von einer erlebten Sphärenverschiebung sprechen. Der Unbedarfte hingegen hielte sie wohl schlicht für einen beängstigend intensiven (Alb-)Traum oder Rausch. Die Wahrnehmung dieser Welt liegt außerhalb derer der natürlichen Sinne. Die Xhul halten sie jedoch nicht nur für eine Traumwelt, sondern auch für Heimat vieler ihrer Geister.

Mit Hilfe von schamanischen Ritualen und bestimmten Traumtechniken lässt sich die Traumzeit erfahren und erkunden. Dabei werden verschiedene Ebenen unterschieden, bei denen die Art und Intensivität der Wahrnehmung und die Möglichkeiten der Interaktion variieren. In der Traumwelt sind Emotionen und Ängste anderer Wesen sowie magische und dämonische Kräfte und Geistwesen offen sichtbar. Geheimnisse, Lügen, Illusionen und Schleier sind hier leichter zu durchschauen als in der gewohnten Wirklichkeit. Die Absichten anderer Wesen, die Wege des Schicksals und drohendes Unglück lassen sich oftmals schon lange im Voraus erahnen. All dies manifestiert sich in skurrilen Traumbildern, grellen Farben oder grauen Schleiern, in entstellten Gesichtszügen, verdächtigen Gerüchen, oder auch in rätselhaften Äußerungen von Personen und Lebewesen. Es ist wichtig zu wissen, dass nicht alles, was der Traumzeitreisende wahrnimmt, auch der Wahrheit entspricht oder eine tiefere Bedeutung hat, denn die Traumzeit zeigt vor allem das, was der Reisende sehen möchte. So vermischen sich die bedeutungsschweren Traumzeitbilder und Visionen mit allerlei unbedeutenden Bildern und Ereignissen: Paradoxa jeglicher Art, wie etwa plötzlich lebendig werdende Gegenstände und Pflanzen, das plötzliche Auftauchen von Geisterwesen und dergleichen mehr. Die Wahre Kunst besteht für den Besucher der Traumzeit nun darin, zu lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.

Je mehr sich der Traumreisende auf die Traumzeit einlässt, desto stärker vermischen sich Traum und Wirklichkeit. Auch der unbewusste Übergang zum Limbus oder zu den nahen limbischen Pfaden ist von hier aus möglich. Für Außenstehende verblasst der Schamane bei diesem Ritual nach und nach zu einem geisterhaften Wesen. Zugleich kann sich auch die nähere Umgebung im Diesseits verändern und Zustände wie in der Traumzeit eintreten. Außenstehende nehmen diese „Wirklichkeit werdenden Träume“ als geisterhafte Schemen wahr. Der Wanderer kann nun zwischen den Welten reisen und dabei auch in die großen Heiligtümer vordringen. Die Orte an denen sich fast alle großen Träumer (Ahnengeister, Tierkönige, Dämonen, usw.) auffinden lassen und an denen man auch auf die fremdartigen Lichtträumer und Pfadwandler der Donari treffen kann, die auf ihren Wanderungen über die Limbuspfade gelegentlich hier hineingeraten. Während sie sich dort befinden, vergeht auf Dere keinerlei Zeit, und der Reisende altert nicht, egal, wie lange er sich in der Traumzeit aufhält.

Sterbliche, die sich in die Traumzeit verirren, ohne über besondere Kräfte und magische Fähigkeiten zu verfügen, präsentiert sich die Anderswelt in vielerlei Hinsicht ähnlich den roten Savannen- und Wüstenlandschaften, in denen die alten Xhul lebten. Sofern sie nicht auf andere Reisende treffen, gibt es hier keinerlei Menschen oder andere Kulturschaffende, nur Tiere oder Wesen, die Tiere zu sein scheinen. Die Mehrzahl der Bewohner der Traumzeit kann sprechen, tut dies jedoch nur selten. Die Umgebung wirkt auf eine schwer zu beschreibende Weise fremdartig, irgendwie „hyperreal“. Alles erscheint unwahrscheinlich klar und gestochen scharf. Farben sind intensiver, Gerüche stärker und dergleichen mehr. Allerdings verändert sich die Umgebung, sobald man nicht hinschaut; zwar nur leicht, aber dafür stetig.

Viele Steine sind mit seltsamen Felszeichnungen übersät, die sich manchmal bewegen und/oder sprechen können. Donari, die keine Zauberkräfte haben, um selbst Einfluss auf ihre Umgebung zu nehmen, meiden diesen verwirrenden Bereich, doch die mächtigsten Schamanen der Xhul sehen hier ihre spirituelle Heimat. Die Kreaturen der Traumzeit beraten sie in vielen Dingen, und zuweilen ist von hier aus ein Kontakt mit Janga-Rhumat möglich, der bzw. die aus dieser Welt stammt. Anders als im Zentrum erscheint die Gottheit hier verschleiert und gemäßigt, sodass der Geist ihrer Gesprächspartner keinen Schaden nimmt. In einigen Bereichen wiederholen sich mythische Ereignisse aus den Geschichten der Xhul immer wieder in unregelmäßigen Abständen, ähnlich wie dies auf den Inseln im Nebel der Hochelfen der Fall ist. Man kann zwar mit den „Traumwesen“ interagieren, doch Veränderungen treten nur ein, wenn sich zuvor die Erzählungen geändert haben.

Man kann davon ausgehen, dass die meisten Erscheinungen innerhalb der Traumzeit ihren Ursprung bei Janga-Rhumat finden, sofern sie nicht von den Reisenden selbst induziert sind. Die Anderswelt ist in konzentrischen Kreisen aufgebaut. Sterbliche kommen in den Außenbezirken an, welche von Janga-Rhumats Unterbewusstsein beherrscht werden. Die Umgebung wirkt hier vergleichsweise normal, ähnlich dem, was der Reisende aus seiner Alltagswirklichkeit gewohnt ist. Je weiter er in das Richtung Zentrum vorstößt, desto tiefer gelangt er in träumende Bereiche von Janga-Rhumats Geist. Im Zentrum schließlich kann er mit Janga-Rhumat kommunizieren, als wäre sie wach. Obwohl es sich um eine relativ freundliche und gütige Entität handelt, ist dies keineswegs etwas Positives. Die Kommunikation findet direkt und unmittelbar statt, ohne all die Masken und Scharaden, die Götter bei Kontakten mit Sterblichen sonst an den Tag legen, um ihre überwältigende Gegenwart abzumildern. Die Meisten, denen eine derartige Begegnung widerfährt, verlieren den Verstand, blicken sie doch hinter die Fassade und erfahren, was die Götter wirklich sind. Der sterbliche Geist ist nicht dafür geschaffen, eine derartig unfassbare und fremdartige Macht zu ertragen, und flüchte sich deshalb in kreischenden Irrsinn.

Fata Morganas, meist für Geistesverwirrungen gehalten, welche die wahnsinnige Lath erzeugt, werden zuweilen auch als Echo der Traumzeit in der Dritten Sphäre verstanden.

 

Janga-Rhumat

 

 Grafik verwendet mit freundlicher Genehmigung durch Ramona von Brasch

 

Janga-Rhumat wird mit den Aspekten Tiere, Kontrolle über Tiere, Traumzeit, Weisheit, Prophezeiung, Schutz in der Traumzeit und Hoffnung verehrt. Er oder sie, interpretiert als Gott oder Göttin, offenbart sich seinen Dienern ausschließlich in der Traumzeit. Es gibt hunderte Geschichten, in denen die Iwabot-Mata von ihrer Begegnung mit dem Gott berichten. Den Erzählungen der Iwabot-Mata zufolge erscheint Janga-Rhumat dem Betrachter als trollgroßes, löwenähnliches Wesen. Da dem Glauben der Xhul nach die Traumzeit ein Spiegel der Realität ist, erstaunt diese Gestalt, gibt es doch in der ganzen Lath keine Löwen. Außerdem ist Janga-Rhumat im wahrsten Wortsinn eine gefesselte Gottheit. Um die Hinterläufe des riesen­haf­ten Löwen schließen sich Fesseln aus Mindorium. Die Ketten verlaufen sich irgendwo in der Unendlichkeit der Traum­zeit. Das Wirken des Gottes ist – wie sein Erscheinen – auf die Traumzeit begrenzt. Janga-Rhumat gilt als Inkosi aller Tierhäuptlinge, als Herr über alle Tiere der Traumzeit. Mit seiner Hilfe erlangt man große Weisheit, ist vor den Gefahren der Traumzeit geschützt und sogar in der Lage, in die Zukunft zu sehen. Seine Fürsprache bei den Tierhäuptlingen der Traumzeit soll zudem die Beherrschung von Tieren im Diesseits begünstigen. Sollte es jemals gelingen, ihn zu befreien, bricht das Ende der Wüste und der Beginn eines neuen Zeitalters an. Das glauben jedenfalls die Xhul.

Die Traumzeit gilt dem Löwengott als heilig, ebenso die natürlichen Übergänge zwischen ihr und der Wüste. Heilige Steine, Tiere, Pflanzen oder Artefakte sind nicht bekannt. Als Feinde Janga-Rhumats gilt der „Fremde Krieger“, ein Gott mit den Aspekten Versuchung, Verrat, Gefühlskälte, Krieg, Brünstigkeit, Macht und Wahnsinn, welcher der Sage nach einst die Göttin Lath verführte, sie in den Irrsinn trieb und Janga-Rhumat fesselte – wohl eine der vielen Erscheinungsformen des Namenlosen. Auch Donari, die unerlaubt die Traumzeit queren, Grausamkeiten gegen Tiere und Wasserverschwendung sind ihm ein Gräuel. Der heilige Dienst an Janga-Rhumat umfasst die Meditation an Übergängen zur Traumzeit und das Durchleben von besonders farben­prächtigen Träumen und Visionen. Seinen Dienern kann Janga-Rhumat kein Karma (mehr) gewähren.

Einen institutionalisierten Kult des Janga-Rhumat gibt es nicht. Die Grioten und die Iwabot-Mata sehen sich zwar als Diener Janga-Rhumats, doch ihr Dienst an ihrem Gott besteht ausschließlich darin, die alten Sagen und Legenden weiterzuerzählen und von ihren eigenen Erlebnissen in der Traumzeit zu berichten. Die Iwabot-Mata behaupten, dass sie ihre Magie dem Willen ihres Gottes entsprechend einsetzen, doch dient sie vornehmlich dem Wohl der eigenen Sippe. Des Weiteren muss man wohl die Bestienmeister der Xhul zu den Dienern Janga-Rhumats zählen.

Unter der Gesamtheit der Diener des Löwengottes gibt es keine Hierarchie, was nicht zuletzt der Weite der Wüste geschuldet ist. Auch Tempel des Gottes sind nicht bekannt. Der Einfluss der Diener Janga-Rhumats in in den Sippen jedoch groß. Sie sind die einzigen Experten im Umgang mit dem Übersinnlichen. Zur Meditation ziehen sich die Diener Janga-Rhumats an die Übergänge zur Traumzeit zurück und verweilen oft für mehrere Tage an diesen kargen, meist gut verborgenen Orten. Entsprechend lautet ihr Motto: „Geh in die Traumwelt, und jedes Ding wird dir eine Geschichte von ihm erzählen. Geh in die Traumzeit und triff ihn selbst.

 

Der Kult des Janga-Rhumat, der gefangene Herr der Tiere

 

Aspekte: Tiere, Kontrolle über Tiere, Traumzeit, Weisheit, Prophezeiung, Schutz in der Traumzeit, Hoffnung
Verbreitung: Wüste Lath, Schwerpunkt in Xhoulajambo und dem Gyoi-Gebirge
Heilige Orte: Traumzeit und Übergänge in diese
Heilige Steine, Tiere, Pflanzen, Artefakte, Heilige: keine
Opfergaben: Meditation, Träume
Feindbild: Der fremde Krieger, Lath (Wüste und Gottheit), Donari, Grausamkeit gegen Tiere, Wasserverschwendung, Alpträume
Hierarchie: keine
Politischer Einfluss: in den Stämmen ansehnlich bis groß
Weltbild / Menschenbild / Stärkstes Argument: Geh in die Traumwelt, und jedes Ding wird dir eine Geschichte von ihm erzählen, geh in die Traumwelt und triff ihn selbst.
Toleranz gegenüber Andersgläubigen: mittel, Kulte der Lath und des Fremden Kriegers werden abgelehnt

 

Worte der Umalou

 

 

Die Bestienmeister

Gabuun schlug das Herz bis zum Hals, jeder Muskel seines Körpers brannte. Schweiß lief in Strömen über seinen erhitzten, nackten Körper. Lediglich ein lederner Lendenschurz bedeckte seine Hüften. Jedes weitere Kleidungsstück wäre bei dieser mörderischen Hitze nur eine unnötige Belastung gewesen. Heiß brannte die Erde unter seinen nackten Sohlen, und immer schwerer wog das krude Wurfeisen in seiner rechten Faust. Seit zwei Stunden jagte er seine Beute nun schon durch die unwirtliche Steinwüste. In all der Zeit hatte er sie nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen – doch er wusste immer, wo sie sich aufhielt und in welche Richtung sie rannte. Seine Gefährtin sandte ihm in regelmäßigen Abständen Gedankenbilder zu, und vor seinem geistigen Auge sah er gestochen scharf, wie eine Gazelle panisch zwischen den Hügeln der Steinwüste hindurchpreschte. Gabuun konnte deutlich den rasenden Atem seiner Beute erkennen – auch an ihr war die halsbrecherische Hatz nicht spurlos vorübergegangen. Gleichzeitig spürte er den erfrischenden Luftzug im Gefieder seiner Gefährtin.

– LINKS – Sofort änderte Gabuun seine Laufrichtung. Auch wenn es den Anschein hatte, als ob er planlos durch die Wüste rannte, wusste er, dass jede dieser Richtungsänderungen den Abstand zu seiner Beute verkürzte.

– SCHNELLER – Gabuun packte nun endgültig das Jagdfieber. Wie in Trance sprintete er vorwärts, aller Hitze zum Trotz.

– RECHTS – Schnell schlug er einen Haken und rannte nun am Fuße eines Hügels entlang, genau auf einen Felsvorsprung zu. Das musste die Stelle sein!

– JETZT – Ohne zu zögern und aus vollem Sprint schleuderte Gabuun sein Wurfeisen auf den Felsvorsprung zu. Gerade als es so aussah, als würde das Wurfeisen wirkungslos ins Leere gehen, brach die Gazelle in vollem Lauf hinter dem Vorsprung hervor. Die scharfen Zacken des Wurfeisens gruben sich tief in die Flanke der Beute. Diese stieß noch einen Todesschrei hervor, bevor sie sich in einer Wolke aus Sand und Staub überschlug und schließlich reglos liegenblieb.

Schwer ging Gabuuns Atem, doch empfand er genau wie seine Gefährtin. Diese ließ einen lauten Triumphschrei über die Weiten der Wüste erschallen. Schließlich landete die Adlerdame auf seinem ausgestreckten Arm, und als er die kräftige Gazelle vor sich liegen sah, musste er seiner Gefährtin Recht geben – es war eine Ehre, diese Beute zur Strecke gebracht zu haben!

 

Hintergrund

Kazamuul – so nennt das Volk der Xhul jene Auserwählten, die die Sprachen der Tiere sprechen. Diese Gabe wird nur wenigen zuteil und ist hochgeschätzt. Tiere gelten den Xhul als die wahren Herrscher Rakshazars. Die Alten sagen, hinter dieser Kunst stecken allein der allgegenwärtige Zauber – der große, niemals endende Tanz der Ahnen –, sowie das feine Gespür der erwählten Seelen. Doch gibt es unter diesen einige große Talente, die zu weit mehr in der Lage sind als nur die Worte der Tiere zu verstehen. Man nennt sie Umalou. Sie beherrschen große Zauber, blicken durch die Augen der Tiere, hören durch ihre Ohren, verleihen ihnen Kräfte jenseits deren, die ihnen normalerweise möglich sind, und gelten als die großen Meister der Bestien.

 

Magieanwendung

Die Magie der Bestienmeister ist fremdartig in ihrem Wirken. Keine Gesten und Formen, keine Worte und Rituale lenken die Ströme der astralen Kraft, sondern allein die Kombination von Wille, Gespür und Tat. Wichtig ist dabei vor allem die Offenheit und Loyalität des Tieres gegenüber dem Umalou. So bildet sich auch mit wachsendem Vertrauen ein magisches Band zwischen diesen beiden, das immer mächtigere Magie erlaubt. Handlungen gegen den Willen des Tieres sind möglich, erfordern jedoch große Stärke und Entschlossenheit.

Auch unter den anderen Völkern des Kontinents (vor allem unter den Nagah und den Orken) gibt es einige wenige Tiermagier, wenn sie auch andere Namen tragen. Sie erlernen die Kunst allein durch Erfahrung und Gespür. Kein Meister weit und breit vermag es, einem diese Kunst beizubringen.

 

Ogura Ipau-Rhimbe, Xhul-Bestienmeister

 “Er musste sich konzentrieren. Eine falsche Bewegung, und dieser Nonube-Ekip würde ihn mit einem Schwung seiner Schwanzkeule durch den halben Talkessel schleudern. Und dabei würde sicherlich mehr zurückbleiben als ein paar Narben. Ogura blickte dem Koloss direkt in die von Hornplatten umgebenen Augen und ließ seinen Blick in die Traumzeit schweifen. Er musste das Onapau der Echse ansprechen, das innerste Selbst des Wesens, sein Abbild in der Traumzeit.

Ihm stand der Schweiß auf der Stirn, er bekam es einfach nicht zu fassen. Das Tier begann bedrohlich zu schnauben und holte mit seinem Schwanz aus. Jetzt nur nicht nervös werden. Ogura sprach stumm seinen Befehl aus.

Die Echse hielt mitten in ihrer Bewegung inne, er hatte es geschafft.

Oguras Heimat lag in den südöstlichen Ausläufern der Wüste Lath, wo seine Sippe ihr Vieh über die karge Savannen trieb. Nach drei Töchtern wurde dem Stammesoberhaupt Nbegu endlich ein Sohn geboren. Sobald Ogura das Laufen erlernt hatte, begleitete er die Hirten zu den Herden seines Vaters.

Je älter er wurde, desto geschickter erwies er sich im Umgang mit den Tieren, und manchmal konnte er sie sogar unvermittelt sprechen hören. Diese Erlebnisse erfüllten ihn zunächst mit großer Furcht, aber er spürte auch, dass die Geister ihn dazu erwählt hatten, mehr zu sein als ein Hirte.

Seine Vermutung wurde zur Gewissheit, als ein reisender Griot in ihm die Frucht der Traumzeit erkannte und seinen Eltern anbot, ihn zu einem Kwa-Ipau Gonga, einem Bestienmeister zu bringen, der ihn ausbilden würde. Oguras Vater weigerte sich jedoch, seinen einzigen Erben fortzuschicken.

Nach einem daraus resultierenden heftigen Streit verließ er im Dunkel der Nacht seine Sippe und folgte dem Grioten. Sein neuer Lehrmeister Rhimbe unterwies Ogura in der Kunst der Bestienmeister. Auf ausgedehnten Reisen durch die Lath sammelte er sowohl Erfahrungen im Umgang mit den unterschiedlichsten Arten von Tieren als auch eine Vielzahl Narben von Schnäbeln, Klauen und Zähnen. Zum Ende seiner Ausbildung wurden diese mit rituellen Schmucknarben untereinander verbunden, was ihn fortan als Bestienmeister kennzeichnete.

Um seinen weiteren Lebenspfad zu erkennen, blickte er in die Traumzeit und sah eine große Stadt vor der untergehenden Sonne. Er folgte dem Bild nach Westen und schloss sich einer Karawane an, die ihn bis nach Kurotan führte. Hier erwartet er nun seine weitere Bestimmung.

Ogura trägt die traditionelle Tracht der Xhul, ein um die Lenden geschlagenes, togaartiges Tuch aus glatt gekämmter Wolle und einen langen Umhang aus demselben Material. Seinen Hals umgibt eine Kette aus Federn und bemalten Knochenstücken. Im Kampf verwendet Ogura zwei Wurfhölzer und ein Messer. Ein Lederbeutel beinhaltet seine übrige Ausrüstung, wie Wasserschlauch und Schlafmatte.

 

Avesander von Humboldt-Garlischgrötz und die Diebe der 1000 Jahre

Die fiebernde Hitze stieg SaOor langsam zu Kopf. Das dampfende Grün war ihm ebenso abhold wie das wirre Schnattern und Kreischen der Kreaturen.
»Verdammt sei die alte Schlange, dass sie uns warten lässt!«
Der Hüter schien seinen Unmut zu teilen, und doch hielt er die Passage offen. In der Ferne setzte nun frenetisches Trommeln ein. SaOor blickte auf den Steinhaufen inmitten der Lichtung und schwang geistesabwesend seine Sturmsichel. Sollten sie tatsächlich entdeckt worden sein?

Wie genau er dem Blutbad entkommen war, wusste Avesander nicht zu sagen. Über diesem Teil seiner Erinnerung lag noch immer ein roter Schleier. Er erinnerte sich zwar an die Wilden und wie sie ihm freundlich zugewinkt hatten, doch welches Tabu er dann genau gebrochen hatte, war ihm immer noch schleierhaft. Die Freude der Eingeborenen war bereits in dem Moment umgeschlagen, als sie sich ihnen angenähert hatten. Mit grimmigen Mienen zeigten sie auf den Metallschild des Kriegers und auf einige andere Gegenstände. Harsche Töne gingen durch ihre Reihen. Ein halbes Stundenglas später war es dann zum Gemetzel gekommen. Auf den ersten Blick schienen die Wilden unterlegen zu sein, doch ihrer Brutalität und der schieren Anzahl ihrer Krieger waren sie letzten Endes nicht gewachsen gewesen. Nun war er auf der Flucht. Kurze Signalschreie machten ihm bewusst, dass ihn seine Häscher in die Zange genommen hatten. Schwitzend stürzte er auf eine Lichtung und erstarrte. Eine halbnackte Gestalt richtete eine Waffe auf ihn. Nein! Aber was? Die Gestalt hatte keine metallisch-dunkle Haut wie seine Verfolger. Sie war von fahler Blässe.

»Wir sollten bis nach dem Nachmittagsregen eine Passage halten. Das haben wir getan. Sie hat sie nicht genutzt. Wir schulden ihr also nichts mehr.«
Der Hüter stimmte ihm zu. SaOor wusste, dass die Nagah mehr für den Hüter war als eine einfache Vertragspartnerin. Er liebte sie. Trotzdem widersprach er ihm nicht. SaOor horchte auf.
»Ein Zweibeiner.«
»Ipexco?«, fragte der Hüter.
»Nein. Metall auf Metall.«

Ein fetter Menschling stolperte auf die Lichtung.
„Rettung“, ging es ihm durch den Kopf. Trotz dem Gefühl, jeden Augenblick von hinten erschlagen zu werden, versuchte Avesander sich zu fassen. Die Angst ließ den Drang sich zu erleichtern stärker werden als der Ausdruck „Schiss haben“ es jemals hätte wiedergeben können. „Keinen Fehler machen, bloß keinen Fehler machen“, wiederholte er wieder und wieder im Geiste. „Langsam und höflich“, sagte er sich.

»Den Zwölfen zum Gruße!« – im besten Mittelreichisch – nichts! »Masa’l-chair« – Tulamidya – nichts! Bosparano, Aurelian, … Mohisch! – nichts! Die Gestalt wandte sich zum Gehen, da nahm er ihre spitzen Ohren wahr. Im fehlten kurz die Worte … »Taladhah«, brach es dann aus ihm hervor. Zu spät! Seine Häscher hatten ihn schon gefunden.

Der fette Menschling plapperte vor sich hin. Bald würde sein Blut das Grün tränken. SaOor wollte sich schon zum Gehen wenden, da sprach der Menschling plötzlich in der Zunge der Ahnherren. Verstört blickt er zum Hüter, der nickte ihm mit weit aufgerissenen Augen zu. Im selben Moment brachen die Ipexcokrieger aus dem Unterholz.

Wie eine Bogensehne schnellte der aschfahle Krieger nach vorne. Noch im Sprung enthauptete er einen der Eingeborenen. Wie ein Rachedämon wirbelte er herum und stieß dem nächsten Stammeskrieger die stumpfe Seite seiner Waffe ins Gesicht. Mit einem Überschlag stand er plötzlich neben Avesander und zog ihn mit einem Ruck zum Steinhaufen. Vier weitere Krieger stießen auf die Lichtung. Sie hoben ihre Keulen zum Angriff, doch ein Schrei ließ sie innehalten. Ein Krieger mit einem Federumhang trat aus dem Dschungel und zeigte auf den Steinhaufen. Die Krieger zögerten einen Moment, dann, stumm, immer noch mit erhobenen Waffen, schritten sie rückwärts, bis sie mit den Schatten des Urwalds verschmolzen. Immer noch verdutzt, bemerkte Avesander den anderen „Elfen“, der den Steinhaufen lediglich kraft seines Willens umzuschichten schien. Leichte Übelkeit kam in ihm auf, und doch versuchte er seine Haltung zu wahren. Vergebens. »Mein Name ist Avesander«, sagte er noch, doch da überkam ihn auch schon eine gnädige Ohnmacht.

 

Die Diebesgilde von Yal-Kalabeth basiert auf den Lehren der Assashim, hat sich auf Artefakt-Diebstahl spezialisiert und dient Prinzessin Nagisha oder anderen Würdenträgern zuweilen als Geheimdienst, allerdings traut ihnen niemand vorbehaltlos über den Weg. Wenn die Diebe der 1000 Jahre nicht gerade auf eigene Rechnung arbeiten, stellen sie gefährliche magische Artefakte sicher oder schalten Feinde von Yal-Kalabeth aus. Überflüssige Morde versucht die Organisation bei der Durchführung ihrer Einsätze zu vermeiden – zu viele Tote zu hinterlassen gilt als ungeschickt. Außerdem widerspricht das Ermorden von Unschuldigen dem komplexen Ehrenkodex des Bundes. Diebe der 1000 Jahre stammen oft aus der Unterschicht von Yal-Kalabeth und sind meist freigelassene Sklaven oder ehemalige Straßenkinder. Seit neuestem duldet die Organisation einige Trogglinge in ihren Reihen. Diese sind besonders effektiv, da sie sich selbst bei absoluter Dunkelheit perfekt orientieren können. Diese Trogglinge sind zudem die einzigen „bekannten“ Nichtmenschen, welche die Profession des Assashim ergriffen haben.

 

 

Herausragende Persönlichkeit unter den Dieben der 1000 Jahre ist Avesander von Humboldt-Garlischgrötz, ein gepflegt aussehender, jedoch ziemlich beleibter Mann im mittleren Alter mit langen, blonden Haaren und einem Spitzbart. Er trägt bevorzugt edle sanskitarische Roben aus feinster kithorriansicher Seide und eine Vielzahl an Goldgeschmeide und Edelsteinen. Avesander ist ein aventurischer Adliger, der vor etlichen Jahren eine Expedition ins Riesland anführte und schließlich zusammen mit seinem Begleiter Iapetus in Yal-Kalabeth strandete. Nach außen hin spielt er den tollpatschigen, naiven Genussmenschen, doch in Wahrheit steckt hinter ihm viel mehr. Es scheint, als könne er bei einem Schwert den Griff nicht von der Klinge unterscheiden, tatsächlich ist er allerdings ein recht passabler Fechter und tödlich präzise im Umgang mit Wurfmessern. Avesander hat erhebliche Reichtümer angesammelt, sendet regelmäßig Expeditionen aus, um unzivilisierte Regionen des Rieslands zu erforschen oder verborgene Schätze zu bergen und hat sich zum Anführer der „Diebe der 1000 Jahre“ von Yal-Kalabeth aufgeschwungen, deren Spionageaktionen er leitet und koordiniert. Von Garlischgrötz spielt seine Rolle perfekt. Wenige halten ihn für etwas anderes als den ängstlichen, korpulenten Faulpelz, für den er sich ausgibt. Trotz seiner vermeintlichen Defizite wirkt er sympathisch und auf eine ganz eigene Art charmant, was daran liegt, dass zuweilen sein wahres Wesen hinter der Fassade durchschimmert. Dieses ist geprägt von einem messerscharfen Verstand und einer schier unschlagbaren Beobachtungsgabe. Avesanders Hauptaugenmerk gilt gegenwärtig dem Versuch, Al’Hrastors Agentennetzwerk in Yal-Kalabeth lahmzulegen und seinerseits eines im verfeindeten Yal-Mordai aufzubauen. Er ist deshalb auf der Suche nach geeigneten Mitarbeitern, die er wahlweise als Agenten für die Diebe der 1000 Jahre anwirbt oder so manipuliert, dass sie ohne ihr Wissen seinen Zwecken dienen.

 

Die Assashim – Dolche des Schreckens

Der fette Beamte rannte ebenso panisch wie schwerfällig durch die engen, nächtlichen Gassen des Altstadtviertels. Sein Herz raste, als ob es kurz vor dem Zerspringen stünde. Er schnaufte laut hörbar und hatte das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen. Doch er musste weiter! Seine kleine Verschwörung mit den Schmugglern war anscheinend aufgeflogen. Als er heute Abend zum verabredeten Versteck gekommen war, lagen seine „Geschäftsfreunde“ bereits mit durchgeschnittenen Kehlen an dem groben runden Holztisch, an welchem er so manches Bestechungsgeld oder Drogengeschenk entgegengenommen hatte. „Eine rivalisierende Schmugglerbande!“ war es ihm durch den Kopf geschossen. Er musste weg! Hinter sich vermeinte er immer wieder einen schemenhaften Schatten im Zickzack über die Gasse springen zu sehen. Ein Geräusch war dabei nicht zu hören. Da, endlich! Er hatte eine rettende Pforte erreicht. Er versuchte, sie aufzustoßen. Ein Glück – Sie war offen. Er schlüpfte hindurch, schlug die schwere Holztür zu und verriegelte sie. Völlig außer Atem sank er an der hölzerne Platte hinab und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Er war gerettet! Langsam blickte er sich in dem dunklen Raum um. Eine Art Lagerraum wahrscheinlich, dachte er bei sich. Die Gasse, aus der er gekommen war, wurde durch einige Laternen spärlich beleuchtet. In ihrem Schein konnte er einige Schemen erkennen, die ihn an Amphoren erinnerten. In seinem unmittelbaren Umfeld indes war es fast pechschwarz. Durch die kleinen, mit Holzstangen vergitterten Fenster drang nur schwaches Sternenlicht. Die Augen des Beamten konnten in der Finsternis nicht allzu viel erkennen. So bemerkte er auch nicht den geschmeidigen Schatten, der sich langsam von den schweren Deckenbalken zu ihm herunter schwang. Scheinbar aus dem Nichts vernahm er plötzlich eine Frauenstimme, deren flüsternder Klang ihn an übereinander gleitende Seide erinnerte: „Nurad AlMuca!“ Der Name seines Bruders? Aber … Weiter konnte er nicht mehr denken. Das Letzte, was er spürte, war ein stechender Schmerz am Hals. Dann wurde es kalt.

 

Hintergrund

Seit Jahrhunderten spielen Meuchelmord, Diebstahl und Attentate eine wichtige Rolle im politischen Tagesgeschäft der Sanskitaren. Oftmals gilt: Es gewinnt derjenige, der über die besten gedungenen Killer verfügt. Auftragsmord oder Diebstahl können somit einträgliche Geschäfte sein, jedenfalls für jene, die sich auf ihr Handwerk verstehen. Tief in den Katakomben unter den Gassen der Stadt, in Hinterhöfen und geheimen Kammern oder in uralten Festungsruinen weit draußen in der Wüste haben sich besondere Gruppen riesländischer Magieanwender zusammengefunden. Man nennt diese Schatten, die die Nacht durchflattern, gemeinhin die „Assashim“. Der Name leitet sich vom Geschlecht der Assashamiden aus Teruldan ab, einer düsteren Sippschaft, die der Legende nach die besonderen, verfeinerten Techniken des Meuchelmordes entdeckt und entwickelt hat.

Für den normalen Sanskitaren auf der Straße sind die Assashim nichts als eine weitere Schauergeschichte. Manche Assashim nutzen zwar ein gewisses Maß an Magie für die Ausübung ihrer Profession, würden sich aber allein auf dem Gebiet der Zauberei mit richtigen Hexern nicht messen können. Über ihre schwachen magischen Talente hinaus beherrschen viele Assashim eine Vielzahl geheimer Kampftechniken für Dolche, Schlingen oder den unbewaffneten Kampf. Besonders gefährlich werden Assashim dadurch, dass sie oft und gerne Gifte zum Einsatz bringen. Obwohl ihr Name für alle magischen Schattenkrieger der Sanskitaren verwendet wird, gibt es viele verschiedene Gruppen, deren Ziele und Methoden sich teilweise stark voneinander unterscheiden.

Apropos Schattenkrieger: Es darf als offensichtlich gelten, dass die Assashim zumindest auch auf jenen Schattenkriegern und Sternschatten fußen, die in den Zeiten der Urtulamiden nach Rakshazar übergesiedelt sind und, von den Machthabern in den Untergrund gezwungen, bis in die Gegenwart hinein in Form verschiedener Geheimgesellschaften alle Wirren der Geschichte überstanden haben.

 

Die Assashamiden

Diese Familie von Meuchelmördern existiert noch immer und bildet ihre Adepten irgendwo in der Nähe von Teruldan aus. Die Assashamiden dienen grundsätzlich jedem, der sie bezahlen kann, und gehen bei ihren Operationen diskret und effektiv vor. Es hat Tradition, dass Assashim dieser Organisation ihrem Opfer kurz vor dessen sicherem Tode den Namen ihres Auftraggebers ins Ohr flüstern. Einige Assashamiden lassen mit sich handeln, und es ist schon vorgekommen, dass einzelne Assashamiden ihre Auftraggeber erdolchten, weil das Opfer ihre Zahlung überbieten konnte.

 

Die Tugendhaften Wächter der Ordnung

Die Geheimpolizei des Sultans von Shahana. Die Tugendhaften Wächter haben jede Schicht der Bevölkerung Shahanas infiltriert. Ihre Augen und Ohren sind überall. Nach außen hin leben die meisten von ihnen als respektable und unauffällige Bürger, die gesichtslos in der Masse verschwinden können. Anders als andere Assashim-Organisationen sind die Tugendhaften Wächter nicht in jedem Falle auf Mord oder Diebstahl aus, sondern häufig lediglich auf Informationsgewinnung. Deshalb haben sie einige wirklich raffinierte Folter- und Befragungsmethoden entwickelt.

 

Die Rong-Würger

Fanatische Kultisten der Göttin Omshivan. Zu Ehren ihrer Göttin sind in bestimmten Abständen Menschenopfer vonnöten. Die Assashim des Kultes entführen dazu geeignete Probanden und töten sie rituell in ihrem Tempel. Personen, die dem Kult im Wege stehen, werden sofort eliminiert. Rong nehmen Abstand von dem normalerweise unter den Assashim verbreiteten Krummdolch und erwürgen ihre Opfer lieber mit Seidenschlingen. Dies hat vor allem religiöse Gründe – vor dem Angesicht Omshivans darf niemals Blut vergossen werden. Die Rong haben ihre Finger in etlichen kriminellen Organisationen wie Diebesgilden oder Rauschkrauthändlerringen.

 

Der militante Arm der Zelothim

Die Zelothim haben einen speziellen Kader, der sich insgeheim um die Feinde des Kultes kümmert. Diejenigen, die zu wenig magisches Talent aufweisen, um mit Glyphen richtig umgehen zu können, werden den Assashim des Kultes zugeteilt. Assashim sind unter den Zelothim des Hexersultans von Yal-Mordai, Al’Hrastor, so gut wie nichts wert. Da sie ebenfalls das magische Siegel tragen müssen, ist es für Al‘Hrastor ein Leichtes, sie nach Gebrauch zu „entsorgen“. So gut wie kein Assashim der Zelothim überlebt seinen ersten Auftrag.

 

Magieanwendung

Die Magie der Assashim basiert auf denselben Prinzipien wie das Chutram der Amhasim. Sie hat sich sogar aus denselben Wurzeln entwickelt. Ebenso wie die Herren von Amhas glauben die „Dolche des Schreckens“, dass sie eine innere Energie kanalisieren, um ihre Fähigkeiten auszuüben. Obwohl die wenigen schattenhaften Legenden anderes behaupten, sind bei weitem nicht alle Assashim magisch begabt, sondern nur einige wenige. Diese aber sind es, die sich für den besonderen Ruf, den die Assashim insgesamt genießen, verantwortlich zeigen.

Obgleich sie erstaunliche Effekte bewirken können, ist der Umfang ihrer Magie recht eingeschränkt. Anders als die Chutram-Meister fehlt dem Assashim die geistige Komponente ihrer Magie. Die Assashim-Techniken sind bis auf wenige Ausnahmen vollkommen körperbezogen. Körperbeherrschung wird magisch verstärkt, was die Meuchler in die Lage versetzt, absolut lautlos zu schleichen, perfekte Balance auf jedem noch so kleinen Balken zu halten oder wie eine Eidechse an glatten Oberflächen emporzuklettern. Ebenfalls wird zuweilen von einer stark gesteigerten Beobachtungsgabe berichtet. Fast alle magisch begabten Assashim sind wahre Weitsprungwunder und entwickeln eine irrwitzige Geschwindigkeit. Einige wenige Legenden sprechen von magischen Tarntechniken. Assashim, die diese Techniken beherrschen, werden im Schatten unsichtbar, und wenn sie eine Kapuze tragen, ist darunter anstatt ihres Gesichts nur ein schwarzes Nichts zu erkennen. Wahre Meister-Assashim können ihre Gestalt in begrenzten Umfang verändern, ähnlich wie aventurische Hexen mit Hilfe der „Harmlosen Gestalt“.

Der Organisationsgrad der Assashim unterscheidet sich von Geheimbund zu Geheimbund, aber immer spielen persönliche Lehrer-Schüler-Beziehungen eine große Rolle. Will ein junger Assashim über seine mundanen Grundfähigkeiten hinauswachsen, welche er auf der niedrigsten Stufe der Organisation erlernt hat (in der Regel die einfachsten Kniffe des Gossenkampfes), dann sucht er sich einen persönlichen Meister, der ihn weiter unterrichtet. Einige der erfolgreicheren Meister bilden innerhalb ihrer Organisation zuweilen sogenannte „Schulen“, in denen sie ihre jeweils bevorzugten Kampftechniken vermitteln. Besonders bekannt für Schulenbildung sind die Diebe der 1000 Jahre und die Assashamiden.

 

Die Rituale der Assashim

Alle Rituale der Assashim sind für den Einsatz unter extremen Situationen entwickelt worden. Sie sind deshalb mit verhältnismäßig kurzer Ritualdauer auszuüben und benötigen keinerlei Gesten oder Worte.

 

Die fünf Weisen Rakshazastans

Die fünf Weisen, das sind der von den Xhul zutiefst verehrte Xhalori Thia-Chrabao, die Sanskitarin Iliasianna, die Philosophin, der geflügelte Baruless, der Oberste der Wächter des Wissens, Anführer der Gargym, außerdem Axessim, der verhüllte Marhynianer und eben der Ork Yurrak. Thia-Chrabao ist dabei in Teruldan ansässig.

 

Thia-Chrabao

Der Name Thia-Chrabao wird von den Xhul mit Ehrfurcht ausgesprochen, obwohl er selbst nicht dem Volk der Xhul entstammt, sondern den Xhalori, ihren Vorfahren. Die Legenden berichten von seinen ausgedehnten Reisen in die Traumzeit und dass er dort Unsterblichkeit erlangt habe oder möglicherweise für immer dortgeblieben sei.

Thia-Chrabao ist ein Bestienmeister, oder vielmehr DER Bestienmeister. Er soll der erste gewesen sein, der die Magie der Bestienmeister praktizierte und sie an seine Söhne weitergab, welche sie wiederum an ihre Söhne weiterreichten. Zuweilen sagt man ihm nach, ein Sohn Janga-Rhumats zu sein. Thia-Chrabao ist für die Bestienmeister eine Art Heiliger und ein großes Vorbild. Ein mächtiger Schamane, ein großer Krieger, der immer wieder erschienen sei, wenn sich sein Volk in Not befunden habe. So soll er, nachdem die einstige Xhalori-Siedlung Teruldan durch Al’Hrastors Machenschaften sanskitarisch wurde, zurückgekehrt sein, um gegen die Schergen des Hexensultans zu kämpfen.

 

 

Glaubt man Märchen und Legenden, so lebt er heute als eremitischer Wüstenbewohner in einer verborgenen Oase mitten in der Wüste Lath in einer kleinen Lehmhütte, gilt als Freund aller Tiere, widmet sein Leben der stillen Meditation und hilft dann und wann verirrten Wanderern oder jungen Bestienmeistern, die sich als würdig erwiesen haben und seinen Rat suchen.

Jene, die behaupten, ihm tatsächlich begegnet zu sein, hielten ihn meist für einen harmlosen alten Einsiedler und erkannten seine wahre Macht nicht einmal im Ansatz. Die gängigen Überlieferungen beschreiben Thia-Chrabao als alterslosen, kräftigen Xhalori mit verfilztem, langem, weißem Bart und weißen Rasta-Locken, der nichts außer einem Lendenschurz trage.

Zuweilen hört man den Mythos, seine Oase wechsle innnerhalb der Lath immer wieder ihre Position. Die Donari seien deshalb auf der Suche nach ihr, da sie vermuten, dass hier starke limbische Kräfte am Werke sein müssen. Auch soll sie geradezu übernatürlich begrünt sein und vor tierischem Leben beinahe überquellen. Man sagt, Thia-Chrabao beherrschte die Sprache all dieser Tiere, und sie seien ihm in ewiger Treue ergeben.

 

Iliasianne

Iliasianne, die Philosophin, gilt als die größte Philosophin Rakshazastans. Ihr Verständnis von Wesen und Aufbau der Welt, von der Welt der Götter und Dämonen und von Moral und Ethik ist überwältigend. Man sagt, es habe sich eine kleine Gruppe von Menschen um sie geschart, die von ihr lernen und nach ihren Idealen und Vor­stellungen leben möchte. Ihre Lehren sind dabei, sich zu einer quasireligiösen Schule zu entwickeln, welche dem irdischen Konfuzianismus ähnelt und offenbar von kithorrianischen Geheimlehren motiviert ist.

 

Baruless

Baruless, der Oberste der Wächter des Wissens, Anführer der Gargym, lebt in der Gipfelfestung Garageyma in den Schwefelklippen. Er ist selbst nach Gargym-Maßstäben alt und macht sich als jener, der den Wächtern des Wissens vorsteht, seit Jahrhunderten um die Suche der Gargym nach Erkenntnis und Erleuch­tung verdient.

 

Axessim

Axessim, der verhüllte Marhynianer, ist der vielleicht am wenigsten greifbare Weise. Es heißt, er sei der letzte noch lebende Marhy­nianer, oder jedenfalls der einzige, der nicht schlafend in unterirdischen Katakomben liege oder im unbarmherzigen Lauf der Zeit verschollen sei. Er sei unsterblich, auch wenn nicht klar ist, woher seine Unsterblichkeit rührt. Es heißt, er verberge sich in den Schwefelklippen und zeige sich kaum jemandem. Nur Baruless und sein engster Vertrauter, ein sehr begabter junger Brokthar, würden würden seinen Aufenthaltsort kennen.

 

Yurrak

Yurrak, der große Schamane, ist der wohl klügste Ork, der jemals gelebt hat. Mit seinem großen Wissen über die Geister- und Ahnenwelt und seinen Kenntnissen in der Heilkunst gilt er als bedeutendster lebender Schamane seines Volkes. Yurrak ist ein gemäßigter Geselle, der stets auf Wanderschaft ist, von Orkstamm zu Ork­stamm zieht und seine Hilfe anbietet, dort wo sie benötigt wird. Auch mit Angehörigen anderer Völker steht er in Kontakt, vor allem mit Brokthar und Menschen. Er ist stolz auf sein orkisches Erbe, teilt aber die rabiate Vorgehensweise vieler seiner Brüder nicht. Trotz seiner Friedfertigkeit ist er ein wahrer Überlebenskünstler, und man sagt ihm nach, er sei bereits über zweihundert Jahre alt.

 

Die Omneratius-Bruderschaft

Weniger eine Vereinigung von Personen als vielmehr eine gut geölte Maschinerie ist die Omneratius-Bruderschaft, der verlängerte Arm des Reiches der Amhasim. Früher war die Bruderschaft nicht mehr als ein gefährlicher Bund von Sklavenjägern, die in den Armenvierteln Kurotans – Trümmerfeld und Lumpenrott – auf die Jagd nach armen, aber starken Opfern ging. Diese wurden dann mit der nächsten Karawane nach Amhas gebracht, wo sie in Bergwerken und Galeeren verschwanden. Zwar macht der Sklavenhandel auch heute noch mehr als die Hälfte des Umsatzes der Bruderschaft aus, doch mittlerweile verdient man auch gutes Gold mit dem Verleihen von Söldnerarmeen und dem Handel mit Luxusgütern wie etwa Seide aus dem fernen Osten, Mammuton aus dem hohen Norden und Kometenasche aus der nahen Aschewüste.

Das wichtigste Geschäft der Bruderschaft ist aber die Diplomatie. Würdenträger in Teruldan, Kurotan und Yal-Mordai werden bestochen, Allianzen geschmiedet, Handelswege erschlossen und die Macht der Republik von Amhas gemehrt. Wenn es nicht anders geht, nutzt man dabei auch die berüchtigten schwarzen Reiter, die die Sklavensöldner der Bruderschaft verstärken. Im Jahre 1038 BF ging die Bruderschaft allerdings zu forsch vor. Als sie versuchte, den obersten Kurospriester zu ermorden und einen der Amhashim in den Kult einzuschleusen, wurden ihre Pläne ruchbar. Das Ergebnis war eine vom König ausgerufene Kopfjagd auf die Amhashim Kurotans, bei der drei Viertel der Mitglieder der Omneratius-Bruderschaft Kurotans das Leben ließen oder fliehen mussten. Seither baut die Bruderschaft ihren Stützpunkt in Kurotan vorsichtig wieder auf bzw. auss und sinnt auf Rache.

Zur Bruderschaft siehe Dnalors Blog unter der URL
https://dnalorsblog.wordpress.com/2020/11/06/karneval-der-rollenspielblogs-am-hof-und-in-den-vorstandszimmern/ .

 

Sabu Rashit, oder: Herrinnen können auch Tiere sein

Seit nunmehr dreißíg Jahren leitet Sabu Rashit einen der bedeutendsten und einflussreichsten Stämme der Reiternomaden. Es gibt kaum eine Ware, welche die eifrigen Zwischenhändler nicht auf ihrer Route von Yal-Kalabeth nach Teruldan handeln. Reich und zahlreich sind sie geworden. Der Stamm umfasst inzwischen etwa 800 Mitglieder und noch einmal soviel Vieh. Viele Stammesangehörige sind ehemalige Xhul-Geiseln, die nach alter Tradition in den Stamm eingeheiratet wurden. Das Außergewöhnlichste ist aber Sabu Rashit selbst, handelt es sich bei ihr doch um eine betagte Knochenwüterdame. Ihrer stoischen und ruhigen Art verdankt der Stamm seinen Wohlstand. Schon jetzt, zu ihren Lebzeiten, wird die Sayback wie eine Göttin verehrt. Schon als kleines Kalb soll sie einen Troll erschlagen, mehrmals den Stamm in der Wüste vor dem Verdursten bewahrt und einmal sogar ein Geisterheer zum Schutz des Stammes vor einem Dämon gerufen haben. Wie viele von den Geschichten allerdings wahr sind, weiß nur der uralte Jachman, der Wahrer der Tradition des Stammes, und der weiß strengstes Still­schweigen zu bewahren.

Zu Sabu Rashit siehe Dnalors Blog unter der URL:
https://dnalorsblog.wordpress.com/2020/11/18/karneval-der-rollenspielblogs-am-hofe-und-in-den-vorstandszimmern-ein-paar-herrschaften-aus-rakshazar/ .

 

Historia

 

Daraxipos, die Stadt der Träume

Das ursprünglich aus Uhturia stammende Volk der Xhalori hatte in seiner bisherigen Existenz stets im Schatten übermächtiger Nachbarn gestanden. Erst mit dem Auszug der Goldenen Horde und den Kriegen der Orks gewann es genug Freiraum, eine neue Heimat und eine eigene Identität zu finden. In ihrer Auseinandersetzung mit den Echsen des Südens hatten letztere die Oberhand behalten, und so zogen die Xhalori fort in Richtung Nordost.

Um 2.240 v. BF, rund zwanzig Jahre nach Aufbruch der Horde, vierzig Jahre vor dem Fall der Hochelfenstadt Tie’Shianna, erreichten sie die Domäne der sterbenden Gigantin Lath, die sich inzwischen von einem üppigen Dschun­gel zu einer offenen und eher kargen Savanne gewandelt hatte. Allein aus diesem Grund entdeckten die Xhalori ein unzugängliches unterirdisches Festungssystem, das zuvor im Dschungel verborgen gelegen hatte. Sie fanden den Zugang versperrt. Magische Siegel verhinderten ein Eindringen. Die Xhalori wussten nicht, dass diese noch von den Marhynianern stammten. Von Mut und Neugier getrieben, ließen sie nicht locker, bis sie die Siegel gebrochen hatten.

Im Inneren der ehemaligen Festung fanden sie eine magische Substanz, die sie – nachdem sie ihre Funktion herausgefunden hatten – „Quelle der Träume“ nannten. In Wahrheit handelte es sich um jenen Honig der Gemeinschaft, mit dem einst die Smaranter ihre geistige Einheit er­reicht hatten. Die Marhynianer hatten den Zugang zu dieser Substanz verschlossen, und erst den Xhalori war es gelungen, sie wieder ans Tageslicht zu befördern.

Obwohl nur eine kleine Kaste von Eingeweihten den Fundort dieser bemerkenswerten Flüssigkeit und das Geheimnis ihrer Zubereitung kannte, war sie bald im ganzen Volk der Xhalori als „heiliges Rauschmittel“ im Umlauf. Das rituelle Getränk „Quelle der Träume“ diente als Katalysator für eine Seelenreise zu einer rein geistigen Daseinsebene. Diese Welt, von den Besuchern als traumartig und zeitlos beschrieben, war ein Ort großer Schönheit und friedlicher Paradieslandschaften, wie sie auch in nächtlichen Träumen erscheinen können, mitunter aber auch ein Ort der alptraumhaften Gefahr, welcher von räuberischen Bestien durchstreift wurde. Welche Seite die Traumwelt ihren Be­su­chern zeigte, war nicht vorherzusehen. Die Tiergeister, die diese Ebene bewohnten, konnten als Verkörpe­run­gen von Natur und Leben Einfluss auf das materielle Dasein nehmen und die wandernden Seelen besondere Fähigkeiten lehren, die dazu dienten, Tiere des Diesseits unter ihre Herrschaft zu bringen. Was sie allerdings nur taten, wenn sich die Besucher auf ihren Reisen durch die Sphäre der Natur zuvor als würdig und stark genug erwiesen. Auf diese Weise erlernten die Xhalori die Kunst der Bestienmeisterschaft. Von nun an gründete sich ihre Gesellschaft auf einen bedeutenden Machtfaktor, der es ihnen ermög­lichte, vor Ort seßhaft zu werden und sich gegen ihre Feinde zu verteidigen.

Zuerst siedelten die Xhalori oberhalb der marhynianischen Festungsanlage, in der sie die Substanz gefunden hatten. Sie nannten die Siedlung Daraxipos. Es war ein seltsamer Ort, an dem die Quelle der Träume hergestellt, verarbeitet und konsumiert wurde, geprägt vom fast industriellem Eifer, sich große Vorräte des bewusstseinserweiternden, süchtig machenden Stoffes anzulegen, ihn zu konsumieren und stundenlang in die fremdartige, oftmals bizarre Traumzeit zu entschwinden, während der eigene Körper leblos, zitternd oder gar krampfend in der realen Welt zurückblieb. Zugleich wurde es die Stadt der Bestienmeister, in der unzählige Tiere für die Arbeit oder den Krieg ausgebildet und abgerichtet wurden. Zugleich ein spritueller Ort, der sich der Verehrung der Tiergeister widmete.

Auf lange Sicht entwickelte sich Daraxipos zu einem lebendigen Handelsposten, denn es kamen viele Pilger und Abenteuerlustige, um für einen hohen Preis die Präsenz der Tiergeister zu spüren. Den Hinweis, dass sie damit riskierten, zu ewigen Gefangenen in der Traumzeit zu werden, sofern sie Schwäche oder mangelnde Ehrerbietung zeigten, ignorierten viele der Reisenden, und nicht wenigen wurde dies zum Verhängnis.

Als Daraxipos sich als zu klein erwies, um alle Siedler und Reisenden aufzunehmen, folgte eine zweite Stadtgründung: Tebuga, das spätere Teruldan. Genau wie Daraxipos war es auf den Ruinen eines uralten Bollwerks errichtet worden, welches die Marhynianer einst als Zeichen ihrer Dominanz über die Smaranter in deren Heimat gegründet hatten. Die beiden neuen und doch uralten Städte wurden von Herrscherdynastien geführt, die sich durch ihre Geistreisen den besonderen Schutz eines mächtigen Tiergeistes verdient hatten. Ihre Tiermasken wiesen auf die Einheit mit ihrem Schutzpatron hin. Die weitaus meisten Xhalori allerdings lebten außerhalb der Städte, und im Schutze der Bestienmeister und ihrer Kreaturen konnten auch sie ihren Einfluss immer weiter ausbauen. So entstand im Osten des Rieslands nach und nach ein Großreich der Xhalori.

 

Der Erste Bruderkrieg der Orks, der Krieg der Remshen gegen die Orks und die Gründung des Bundes der Targachi

In den Jahren nach dem Aufbruch der Goldenen Horde hatte der Streit um die seit jeher erbittert umkämpften Nordebenen eine neue Form und Richtung angenommen. Bis zu dem Friedensschluss, den der Große Drache Aldinor erzwungen hatte, waren sie ständiger Austragungsort jener monumentalen Kämpfe zwischen Drachen und Riesen (bzw. Riesenartigen) gewesen, für die das Riesland so berüchtigt ist.

Selbst Aldinors Eingreifen hatte den Kampf um die Nordebenen nicht zur Gänze zum Erliegen gebracht. Zu nahe waren sie dem jeweiligen Machtzentrum der beiden Völker, und zu weit entfernt vom Djer Mussa, wo Aldinors Gefolgsmann Thufir über den brüchigen Frieden der Riesenwüchsigen wachte. Obwohl unzählige Mantra’kim und Drachlinge die verlängerten Zähne und Klauen des Drachenkaisers bildeten, reichten diese oft nicht bis in die abgelegene Region kurz vor der Grenze zum Ewigen Eis. Die direkten Kämpfe zwischen Riesen und Drachen waren nichtsdestotrotz etwas abgeebbt. Stattdessen gingen die uralten streitenden Völker dazu über, Stellvertreterkriege zu führen und Völker aufeinanderzuhetzen, welche entweder der einen oder der anderen Seite zugeneigt waren.

Das bekommen besonders die auf den Nordebenen ansässigen Slachkaren zu spüren, welche immer wieder in die Kämpfe hineingezogen werden. Sie gelten den meisten Drachen als Feinde, seit sie vor unzähligen Generationen (oder nach Maßstäben von Drachen und Riesen vor kurzer Zeit) für die Riesen Partei ergriffen hatten. Immerhin scheinen einige der Riesen und Riesenhaften sich bis heute dankbar zu zeigen. Sie beschützen die Slachkaren, was deren Überleben im Kriegsgebiet sichert.

Die Remshen indes hatten sich mit den Ascheogern eine Fraktion der Riesenhaften zum Feind gemacht, ohne jedoch unter den Drachen Unterstützer zu finden. Offenbar hatten sie einige Zeitlang versucht, sich in den Dornenwäldern der Horndrachen zu verstecken, waren aber auch von dort vertrieben worden. Es handelt sich dabei um jene Ansammlungen von Bäumen, welche der Elf Taînobhal Totenamsel, „Der rote Pfeil“, einst die „stacheligen Wälder der Akâoro im Land der Riesen“ genannt hat. Akâ bzw. Akaô bezeichnet in der elfischen Sprache Isdira ein Horn oder eine Spitze, Akâoro sind folglich Gehörnte. Die Be­zeichnung geht vermutlich auf eine Verwechslung zurück. Seit dem Kataklysmus sind mit Ausnahme der nur noch wenig elfenhaften Donari keine Elfen mehr im Riesland präsent. Die fey’e Aventuriens und der Inseln im Nebel kennen die Nordebenen und die Dornen­wälder der Horndrachen also nur aus Visionen, Traumgesichten und der Beobachtung aus der Ferne mit Hilfe von magischen Artefakten. Die geschuppten Lebewesen mit dem großen Horn auf dem Schädel haben sie sehr wohl wahrgenommen. Die Elfen haben sie jedoch nicht als Horndrachen erkannt, welche im Isdira normalerweise als Vainkrâ(o) Erwähnung finden. Also haben sie die Bezeichnung „Akâoro“ gewählt, die allge­mein für ein gehörntes Wesen steht – auch, aber nicht zwingend dämonischer Herkunft.

In den Jahren nach dem Aufbruch der Goldenen Horde hatten Orks und Ascheoger die Remshen, nachdem sie aus den Wäldern geflohen waren, auf den Nordebe­nen gejagt und sie beinahe ausgelöscht. Das sprichwörtliche ewige Nomadentum der Remshen allerdings, welches bis heute in den Sanskitarischen Reiternomaden fortlebt, findet auf den Nordebe­nen keineswegs seinen Anfang, sondern lediglich eine Fortsetzung. Schon im Marhynianischen Imperium hatte man sie ständig zur Flucht gezwungen. Ein ums andere Mal waren sie der Verfolgung durch die Imperialen entkommen.

Erst dem jungen Remshen-Helden Solaqim Zah gelang es ab 2.255 v. BF, Reit­tiere zu domestizieren und so das Blatt zu wenden. Er vereinte die Stämme und ließ sich zum Sayback Sche ernennen, dem obersten Sayback. Sein Volk zog von den Nordebenen fort und bezog in der Mammutsteppe Quartier, wo es unzählige Herdentiere fand, welche die Reihen seiner Reitbestien verstärken konnten.

2.221 v. BF, rund dreißig Jahre später, zwanzig Jahre vor dem Fall der Elfenstadt Tie’Shianna, war das Verhältnis zwischen Remshen und Orks noch immer von enormem Misstrauen geprägt. So kam es, dass sie sich auf dem Schlachtfeld begegneten. Während die Marhynianer im fernen Aventurien für eine neue Heimat kämpften, kam es zu einer Einmischung der Remshen in orkische Angelegenhei­ten, die letztlich dazu führte, dass die Macht der Orks stark anwuchs, was natürlich ganz und gar nicht das war, was die Remshen beabsichtigt hatten. Die Schwarzpelze, deren Völker seit jeher ihre eigene Identität geschätzt und deshalb auch nie eine starke Verbundenheit zum Marhynianischen Imperium verspürt hatten, wurden durch die äußere Gefahr, welche seitens der Menschen vom Volk der Remshen gesetzt wurde, geeint.

Obwohl die Erzählungen von diesen Ereignissen auch heute noch zum verehrten gemeinsamen Sagen­schatz aller Orken gehören, wird ihr wenig ruhmreicher Beginn gern unterschlagen. Zunächst begann der Konflikt nämlich ohne Beteiligung der Remshen als einer von zahllosen Bruderkriegen zwischen zwei Orkstämmen, wie sie vor diesen Ereignissen gang und gäbe waren: Das Volk der kriegerischen Urgashkão überfiel unter seinem Häuptling Ragg’Gor dem Feisten seine Brüder von den Brachtão, um ihnen den Zugang zu einem lukrativen Handelsweg abzuringen, der Seidenstraße, die ins fernöstliche Kithorra bzw. Kithoriana führte. Die Angreifer siegten dabei derart überlegen, dass es die benachbarten Völker in Angst und Schrecken versetzte.

Erst dieser Sieg war es, der die Remshen zum Eingreifen bewegte, denn sie lebten damals in unmittelbarer Nachbarschaft verschiedener Orkvölker. Solaqim Zah, der Shaik al Shaik der Remshen, befürchtete, dass der Überfall der Urgashkão nur der Auftakt für einen noch größeren Feldzug sein würde, dies mit dem Ziel, die gesamte Ebene der Targachi unter ihre Herrschaft zu zwingen. Er konnte nicht wissen, dass er einem Irrtum unterlag, denn viele Keshiks der Urgashkão hatten sich längst wieder zurückgezogen und planten keine Fort­setzung des Kampfes; Ragg’Gor hatte viele andere Häuptlinge verärgert, weil er seinem eigenen Keshik den Löwenanteil der Beute zukommen ließ.

So zogen die Reiternomaden mit einem eilig aufgestellten Heer gegen die wenigen noch immer bewaffneten Stämme der Urgashkão. Solaqim Zahs Strategie sah es vor, den Feind zunächst zu umgehen und seine Weidegründe, Eisenquellen und Kultstätten zu besetzen, um so den offenen Kampf mit den Orken zu vermeiden. Jedoch barg dieser Plan einige Unwägbarkeiten: Zunächst einmal mussten die Remshen dafür die Ländereien der Jikten durchqueren. Die waren Nordländer, welche mit der Kultur der Orks liebäugelten, weil sie sich vom Kataklysmus besser erholt hatte als ihre eigene, und bereits damals eine Urform des heutigen Jiktisch sprachen, welches Elemente des Alt-Ramsharij und des Orkischen beinhaltet. Sie hatten deshalb sukzessive orkische Eigenarten assimiliert. Neben der Sprache waren dies Götter, Gesellschaftsstruktur, Jagd- und Fischfangmethoden und dergleichen mehr. Die Jikten waren sehr daran interessiert, ein gutes Verhältnis zu ihren orkischen Nachbarn aufzubauen, und folglich von Solaqim Zahs Strategie nicht sonderlich erbaut. Doch der Shaik al Shaik war sich sicher, sie mit dem Versprechen, ihnen einen Teil der Kriegsbeute zu überlassen, besänftigen zu können. Auch rechnete er damit, dass sich ihm die zuvor überfallenen Brachtão anschließen würden und dass er die Urgashkão – mit ihren besetzten heiligen Stätten als Druckmittel in der Hinterhand – zum Rückzug zwingen könne.

Es sollte anders kommen: Die Kämpfer der Brachtão verwehrten ihre Teilnahme, weil sie nicht den Zorn Ragg’Gors auf sich lenken wollten. Auch die Jikten waren nicht zu besänftigen, und die Urgashkão sammelten bereits ihre verbliebene Streitmacht zum Gegenangriff.

Solaqim Zah hatte den teils aus Furcht, teils aus Bewunderung erwachsenden Respekt der anderen Völker vor den Urgashkão unterschätzt. Ihm wurde klar, dass sein Plan nicht aufgehen würde, wenn er nicht rasch handelte. Aus diesem Grund beschloss er, seine Reiter aufzuteilen und überfallartig an mehreren Fronten tief ins Feindesland einzudringen, um das Hinterland zu verwüsten. So gelang es dem Strategen zunächst tatsächlich, die Jikten in die nördlichen Steppen zu treiben und die Urgashkão in zwei blutigen Schlachten aus der inneren Targachi zu vertreiben. Ein endgültiger Sieg über die Orken schien nun nur noch eine Frage der Zeit.

Die Wende erfolgte 2.220 v. BF durch eine unerwartete Geste der Jikten: Diese überbrachten den bisher am Krieg unbeteiligten Urgashkão-Keshiks der Äußeren Targachi ein seit Jahrzehnten verloren geglaubtes Artefakt: die schwarze Keule Chuchoks, die heilige Reliquie des großen Schamanen und Helden im Kampf gegen Xamuns Marhynianer. Als die Stimme des längst verstorbenen Schamanen aus der Keule sprach und eine Entschuldigung vom gierigen Ragg’Gor verlangte, konnte dieser nicht anders als einzulenken. Im Namen des Totengottes Taugrach schwor er, jedem Stamm den ihm zustehenden Anteil an der Kriegsbeute zu gewähren. Die neu erweckte Zuversicht der Häuptlinge und die wiederhergestellte Ehre der anderen Keshiks ließen internen Stammesdünkeln keinen Platz mehr, und nachdem sich die Jikten bereiterklärten, die Urgashkão zu unterstützen, schlossen sich auch die letzten Keshiks der Urgashkão und Brachtão der gemeinsamen Sache an und besiegelten so das ewige Bündnis der Targachi: die Targachkão.

Wie eine Sturmflut kamen die neu vereinigten Stämme an mehreren Fronten über die Remshen. Völlig überrumpelt und auf der Flucht fand Solaqim seinen Tod auf dem Feld von Jamachke, westlich des Artach, im verzweifelten Abwehrkampf gegen die Horden des Orkenbundes, die seinen Truppen fünf zu eins überlegen waren. Die verbliebenen Remshen fanden ab 2.218 v. BF in Tebuga Asyl, wo sie für eine Weile friedlich mit den Xhalori zusammenlebten und sich teilweise mit ihnen vermischten.

Nachdem sich ihre Population zwei Generationen später wieder erholt hatte, nahmen sie ihr gewohntes, vom Nomadentum geprägtes Leben wieder auf und zogen fortan durch durch die kargen Lande der Xhalori und weiter nach Süden in den Einflussbereich der Marus. Der Bund der drei Stämme vor den Augen Taugrachs aber blieb bestehen, und die Vereinbarungen, die während der langen Auseinandersetzung getroffen wurden, bilden noch heute die Grundlage des Bundes der Targachi. Allerdings hat sich das Schicksal einen köstlichen Scherz erlaubt: Aus den Jikten gingen im Laufe der nächsten Jahrtausende die Jiktachkão hervor, jene Jikten also, die dem Bund der Targachi beitraten, und denen schlossen sich im Laufe der Zeit mehr und mehr Sanskitaren an. Die Nordländer wurden verdrängt oder assimi­liert – bei der Vermischung der beiden Völker setzten sich meist die Merkmale der Südländer durch. So kommt es, dass die Jiktachkão und ihre Brüder, die Jikten, welche nicht dem Bund der Targachi angehören, heute größtenteils aus Sanskitaren und aus wenigen Orks bestehen. Die Sanskitaren indes sind Nachfahren der Remshen und profitieren heute von den Vereinbarungen, die einst zwecks Verteidigung gegen ihre Vorfahren getroffen worden waren.

 

Aufstieg der Remshen

Unter den Völkern des Rieslandes gelten die wandernden Sippen der Remshen und deren Nachfahren, die Sanskitarischen Reiternomaden, als besonders stoisch und furchtlos. Dabei wird oft übersehen, dass ihre Geschichte, wie so viele im Riesland, nicht nur auf Kampf, sondern auch auf Unterlegenheit und Flucht beruht. Schon im Marhynianischen Imperium hatte man sie zum Verzicht auf die Sesshaftigkeit gezwungen, weil sie ansonsten vernichtet oder zu Sklaven des Reiches gemacht worden wären. In der Zeit der Asche waren sie dorthin gegangen, wo sie spärliche Ressourcen fanden, die ihr Überleben sicherten. Und in den Jahren seit dem Aufstieg der städtischen Zivilisationen von Amhas und Daraxipos sowie dem Bündnis der Orks hatten die neuen Machthaber die ländlich lebenden Bauern mit der ocker­far­be­nen Haut immer wieder zum Umsiedeln gezwungen. Jetzt war es das Erstarken der Marus, der gewalttätigen Kro­kodil­menschen des Südens, das die Lebensgrund­la­ge der Sumurrerabkömmlinge bedrohte.

Die Marus begannen ab 2.040 v. BF, befestigte Siedlungen zu bauen, was die Remshen dazu brachte, es ihnen gleichzutun. Primitive Wehrburgen sollten ein Gegengewicht zu den Verteidigungsanlagen der Echsen bilden, doch ihr Besitz zwang die Remshen, ihre nomadische Lebensweise aufzugeben, was sie wiederum angreifbarer machte. Die Nachfahren der Remshen reden heute vom Ersten Zeitalter der Angst, wenn sie sich an diese Geschehnisse erinnern. Dies alles leitete die Veränderungen in die Wege, die jenes Volk entstehen ließen, das der heutige Rakshazarer primär meint, wenn er von den Remshen redet. Vollendet wurde dieser Prozess jedoch erst durch Amir, der Schritt für Schritt den Plan verwirklichte, den die Göttin Marhyna und sein Vater Rashtul für das Remshenvolk gefasst hatten. Als Sayback (Häuptling) Amir, den man wegen seiner wundersamen Lebensspanne später den „Alten“ nennen sollte, wurde er zum Begründer dieses neuen Remshenvolkes.

Zwischen der Sesshaftwerdung der Remshen und Amirs Erscheinen waren rund 140 Jahre verstrichen, und keiner der Remshen ahnte die seltsamen Umstände des Entstehens und Aufwachsens dieses sicher gut fünfzigjährigen Mannes. Er erwies sich als so fähiger Krieger, dass er wenig später zum Sayback aufstieg. Eine kurze Zeitspanne danach, 1.900 v. BF, offenbarte sich ihm eine bisher unbekannte Göttertrinität namens Braiorag, Ongferan und Ipkara, welche den bedrängten Familien einen Bund vorschlug. Sie würden ihren Feinden entfliehen, wenn sie sich im Vertrauen auf die neuen Götter erneut auf eine ewige Wanderschaft begäben. Die Sippen müssten all ihre materiellen Besitztümer und ihren Grund und Boden hinter sich lassen und nur das mitnehmen, was sie auf der Reise tragen könnten. An bestimmten Orten, die Amir offenbart werden würden, müssten sie Schreine zu Ehren der Dreiheit einrichten und diese in einem bestimmten Zyklus, der von den Sternbildern bestimmt werde, wieder besu­chen.

Längst nicht alle Sippen waren zu dem mutigen Schritt bereit, ihre gewohnte Lebens­weise aufzugeben und zu den Wurzeln ihres einstigen Nomadendaseins zurückzukehren, doch damit wählten sie ihren Untergang. Jene Remshen, die zurückblieben, fielen zum Großteil im Kampf gegen die Marus oder fanden in den Zivilisationen von Teruldan, Amhas oder Daraxipos eine neue Heimat, wo sie nach wenigen Generationen ihre kulturelle Identität verloren und von den Gastgebervölkern assimiliert wurden. Die Nachfolger Amirs hingegen fanden tatsächlich Frieden auf ihrer Wanderschaft. Der Name ihres Volkes, „Remshen“, wurde nun anders intoniert und wandelte seine Bedeutung zu „Blick nach vorn“.

Ihre neuen Götter, ihr neuer Anführer und ihre neuen Lebenswege führten dazu, dass die Remshen Schritt für Schritt ihre Vor- und Frühgeschichte umdeuteten und neu interpretierten. Ihr Leben im Imperium und die Zeit der Asche verklärten sie im Nachhinein zur „Zeit der Mythen“, an die sich nun die „Zeit der Remshen“ anschloss, auf welche schließlich die „Zeit der Kunkomer“ folgen würde. Die neue Mythologie der Remshen, welche bei den Sanskitaren heute noch bekannt ist, reicht bis in die Zeit des Marhynianischen Imperiums zurück. Sie wähnen sich von Ongferan erschaffen und vom Imperium entweder versklavt oder in die Flucht getrieben. Eine typische Remshenlegende klingt deshalb wie folgt:

Mahim der Dichter singt in seinem Lied vom Uranfang, dass die Remshen vom Gott Ongferan erschaffen wurden, indem er den Wind der Lath in den Schlamm des Dreistromlandes einschloss und so belebte. Wie der Wind selbst sollte auch seine Schöpfung stets unterwegs sein und die ganze Welt zu seiner Heimat machen. Die Städte der anderen Spezies waren dem wandernden Volk ein Gräuel, denn dort wäre es versklavt worden. So flohen die Wanderer und beteten zu Ongferan um den Untergang der Städte. Tatsächlich schickte ihr Gott einen Stern zur Dere hinab, der die verfluchten Ansiedlungen vernichtete und die Remshen befreite. Doch bald vergaßen sie ihre Dankbarkeit gegenüber Ongferan und dachten, sie selbst hätten die Städte geschleift. Da erschuf der Gott die Marus, um den Hochmut seines Volkes zu strafen“.

Die Überzeugung der Remshen, dass sie nur dann einem schlimmen Schicksal entgehen können, wenn sie der Sesshaftigkeit entsagen, fand in der Neuinterpretation ihrer Historie einen festen philosophischen Unterbau, der eng mit dem Glauben an ihre Götter verzahnt ist. Neue Nahrung fand sie außerdem, als ihre Schwestern und Brüder sich mit den Tulamiden zusammen­taten und in den Ruinen der Marhynianerstädte des rakshazarischen Südens siedelten. Alle Reiche der Städter wurden immer wieder von schweren Krisen getroffen, Hunger, Krankheiten, Kriege, dem Fall von Dynastien und Reichen, dem Verlust ihres Glaubens, dem Aufstieg dämonischer Gottheiten. All das sind Katastrophen, denen die Reiternoma­den durch ihre Wanderschaft entgangen sind. Sie sind deshalb überzeugt, dass die Städter durch die Besiedlung der Ruinen jenen Fluch auf sich herabbeschworen haben, der zur Vernichtung der alten Hochkultur geführt hat. Zugleich seien sie in die Abhängigkeit der verfluchten Bauten geraten, ohne deren Schutz sie im umkämpften Süden nicht überleben können.

Nach fünfzig Jahren der Wanderschaft, 1.850 v. BF, verkündete Amir, der inzwischen ein Greis von über hundert Jahren war, dass für ihn die Zeit gekommen sei, diese Welt zu verlassen, und übergab seinen Söhnen die Herrschaft. Dadurch spaltete sich sein Volk erneut in einzelne Stäm­me auf, die untereinander zunächst freundschaftlich verbunden blieben, auch wenn sie fortan auf jeweils eigenen Routen durch das Riesland zogen.

Amir versprach, hundert Jahre nach seinem Tode noch einmal in seinen derischen Leib zurückzukehren, wenn dieser bis dahin unversehrt bliebe. Er bat seine Söhne, dafür Sorge zu tragen, dass seine Nach­fah­ren ihn in genau einhundert Jahren in seiner verborgenen Ruhestätte an der Quelle des Flusses Terul wieder aufsuchen würden. Dann werde er seinem Volk von den Göttern und ihren Plänen berichten. Für das junge Volk der Remshen begann das sogenannte glückliche Zeitalter, da die Marus während dieser Zeit durch eine unbekannte Seuche stark dezimiert wurden. Viele sahen dieses Wunder als Ausprägung des Wirkens von Amirs schützendem Geist.

Die Remshen verbreiteten sich in der Folgezeit über ganz Rakshazar und erlebten eine Zeit des relativen Friedens. Dem Krieg mächtigerer Völker wie Riesen, Drachen oder Brokthar gingen sie so gut wie möglich aus dem Weg, indem sie umkämpfte Gebiete verließen. Als die dritte Ge­ne­ra­ti­on nach Amir herangewachsen war, hatten die Remshen die Bitte ihres Gründer­va­ters nur noch als Märchen in Erinnerung. „Seine Leiche wird doch längst zu Staub zerfallen sein“, dachten sie. Einige Clans erlagen zudem dem Ruf des Goldes und ließen sich von ver­schie­denen Parteien, wie etwa den Amhasiern, als Söldner anwerben. Dadurch gefährdeten diese Krieger nicht nur die Sicherheit ihrer eigenen Familien, sondern mussten sogar bereit sein, gegen andere Clans ihres eigenen Volkes zu kämpfen. Mahim, der Ur-Ur-Enkel von Amir, verließ angesichts dieser Ungeheuerlichkeit seinen Stamm, um das Versprechen an Amir einzulösen und seinen Vorfahr zu wecken.

Im Jahr 1.750 v. BF fand Mahim Amir tatsächlich in seiner Höhle am Fluss Terul. Sein Leichnam zeigte auf wundersame Weise keinerlei Spur von Verwesung. Voller Erwartung versuchte Mahim seinen Ahnherren zu wecken, was ihm drei Jahre später gelingen sollte. Dieser bedankte sich bei seinem jungen Nachfahren und ließ sich von ihm das Geschick seines Volkes in den vergangenen Generationen berichten. Mahim wiederum erhielt durch seinen Vorfahren Einblick in das Weltengefüge, wie sie Amir nur als Toter hatte erlangen können. Der Auferstandene verkündete, er habe im Jenseits, in der Welt der Toten, mit den Seelen seiner eigenen Vorgänger gesprochen und durch sie erfahren, dass das Geschick der Welt zyklisch sei und die Geschichte der Remshen einen ewigen Kreislauf beschreite: „Immer wieder werden die Remshen das Gebot der ewigen Wander­schaft vergessen und sich von ihren Göttern abwenden, um sich in Städten niederzulassen, und immer wieder werden sie dadurch Opfer ihrer Feinde werden. Doch es wird auch immer wieder einen Anführer geben, der den Bund der Remshen mit der Göttertrinität On­geferan, Ipkara und Braiorag erneuert.“ Rashtuls Sohn deutete jedoch an, dass eines Tages ein bis dahin unbekanntes Volk im Riesland erscheinen werde, dem es bestimmt sei, den Kreislauf zu durchbrechen und den Remshen die Sesshaftwerdung zu ermöglichen. Mahim wollte scheinen, dass dieses Wissen aus einer anderen Quelle stammte, nicht aus dem Gespräch mit den verstorbenen Saybacks, doch diesbezüglich schwieg Amir beharrlich. Würde er den Remshen die Details der Pläne seines Vaters Rashtul al’Sheik und seiner Lehrerin Marhyna offenbaren, mochte es sein, dass er sie dadurch vereitelte und den Remshen damit die Zukunft nahm, für welche er im Namen Rashtuls und Marhynas so hart gekämpft hatte.

Amir wurde nach seinem Erwachen stetig müder und starb friedlich innerhalb weniger Tage. Mahim, der den Erzählungen seines Vorfahren aufmerksam gelauscht hatte, nannte sich von da an „der Dichter“, zog von Stamm zu Stamm und lehrte die Remshen die Ewigkeit des Weltenlaufs und die Macht der drei Götter Ongferan, Braiorag und Ipkara.

Er predigte den Rest seines langen Lebens die Friedfertigkeit. Die Mitglieder des Söldner-Clans, aus dem auch er entstammte, änderten ihre Lebensweise, als einer der ihren ihr Herz erweichte. Die „Verstockten“ hingegen wurden für immer aus der Gemeinschaft der Remshen ausgestoßen und ebenso von Fremdvölkern vernichtet oder assimiliert wie einst jene Remshen, welche die sesshafte Lebensweise beibehalten hatten.

 

Die Macht der Amhastalan und die Unterwerfung der Xhalori

Schwertmagier? Ja, so nennt man sie. Sie sind ein Schatten vergangener Tage, und wie Schatten bewegen sie sich unter uns. Auch wenn die Feuer des großen Reiches längst erloschen sind, so glimmt in ihnen immer noch ein Teil jenes Wissens und jener Macht, die einst den ganzen Kontinent erleuchtete. Doch mit demselben Wissen tragen sie auch dieselbe Schuld und dasselbe Verderben in sich, welches diese Welt einst zerstörte! Deshalb halten sie sich bedeckt und ziehen ihre Fäden im Verborgenen.
Ob ich schon einmal einen gesehen habe? Nein – und ich strebe auch nicht danach! Ich bevorzuge es, mich im Licht aufzuhalten und meide die Schatten. Und du solltest dasselbe tun!

 

— Antwort eines alten sanskitarischen Gelehrten auf die ungestümen Fragen eines jungen Abenteurers

 

Die Niederlage unter ihrer Herrscherin Pardona hatte die Stadt Amhas nicht über die Maßen geschwächt. Tatsächlich sahen die Amhasier das Verschwinden Pardonas als Befreiung und Beginn einer neuen Epoche der Stärke an. Es konstituierte sich ein Rat, bestehend aus Amhastalan-Magiern, den Magokraten der Stadt, die durchgehend den führenden Familien entstammten. Einige wenige waren Scherbenmagier, die meisten besaßen jedoch keine der alten, beseelten Waffen. Sie hatten eine neue Tradition begründet, die ebenfalls auf der Nutzung von Schwertern oder anderen Klingen beruhte, eine erste Strömung der Klingenmagier, von der es in Zukunft eine ganze Reihe weiterer geben sollte. Die Klingenmagier dominierten den Rat bereits durch ihre schiere Zahl. Da sich ihre Tradi­tion außerdem weiterentwickelte – im Gegensatz zu jener der Scherbenmagier, die ja einen Großteil des Wissens über ihre Profession verloren hatten – überflügelten die Klingenmagier schließlich die postmarhynianischen Scherbenmagier an Macht und Können. Dadurch wurde der Orden der Scherbenmagier unattraktiv und verschwand wenige Generationen später.

Künftig lenkten die Amhastalan die Geschicke des Stadtstaates, und sie entwickelten eine Doppelstrategie zum Umgang mit anderen Völkern: Starke Gegner wie die Trolle oder die Stadt Daraxipos sollten umworben und mit Geschenken wohlwollend ge­stimmt werden, während man unter den (scheinbar) Schwachen, wie etwa den Remshen, neue Sklaven für die Metallverarbeitung rekrutieren wollte. Die reichen Erzvorkommen bei Amhas brachten steten Nachschub an Eisen für Werkzeuge und Waffen, während Gold und Kupfer dem Handel Aufschwung gaben. Zur Gewinnung beider Erze benötigte man zahl­rei­che Arbeitskräfte. Die größte Gefahr für die Amhasier stellten dabei die Marus dar, die ihre zeitweilige Schwäche überwunden hatten und und nun wieder einen aggressiven Macht­faktor im Süden des Kontinentes bildeten.

Die amhasische Strategie sollte also eigentlich eine Strategie des Friedens sein. Man hoffte, das im Zentrum Rakshazars und damit an idealer Position gelegene Amhas zum Hegemon des gesamten Umlands machen zu können, indem man konkurrierende Völker auf die eine oder andere Weise wirtschaftlich an den Stadtstaat angliederte und sie zur Treue dem Reich gegenüber ver­pflichtete. Ein Vorhaben, das vollkommen misslang. Die nächsten 170 Jahre gingen als „Amhasische Eroberungskriege“ in die Geschichte ein. Die Stadt erwarb sich darin den Ruf, eine aggressive, grausame Nation von skrupellosen Expansionisten zu sein, die wenig Rücksicht auf die Belange anderer Völker nahm. Etwas, das den modernen Amhasim noch immer nachhängt, obwohl sie sich heutzutage tatsächlich in jener Hegemonialstellung befinden, die das alte Amhus nur – und weitestgehend erfolglos – angestrebt hatte.

In diese Zeit – 1.720 v. BF – fällt die Sage vom Verrat des Jalk. Jalk soll ein Sayback des Remshen-Stamms der Tigeraugen gewesen sein, welcher im Dreistromland lebte. Als die Tigeraugen sowohl durch Amhasier als auch durch die Marus in Bedrängnis gerieten, soll er um Verhandlungen mit den Sklavenhaltern von Amhas eingetreten sein. Die Legende berichtet, er habe ein Drittel der unter zehn Jahre alten Kinder des Stammes in die Sklaverei gegeben, um im Gegenzug die Unterstützung der Amhasier im Kampf gegen die Marus zu erhalten. Jalks zweite Frau, die durch die Entscheidung ihres Mannes ihren ältesten Sohn aus erster Ehe an Amhas verlor, soll daraufhin Ulag getötet haben, Jalks Sohn aus erster Ehe. Sie ließ den Leichnam häuten, dünsten und servierte ihrem Gatten das Fleisch beim nächsten Bankett, bevor sie ihm höhnisch eröffnete, was er da gerade gegessen hatte. Rasend vor Ekel und Zorn erschlug Jalk seine Frau und frevelte dadurch gegen die ehernen Gesetze des Stammes, etwas, das seine Frau offenbar beabsichtigt hatte. Die Tigeraugen saßen über ihren Sayback zu Gericht, attestierten seine Schande und verbannten ihn aus ihrer Mitte, was in der feindseligen Welt von Rakshazar einem Todesurteil gleichkam. Jalk soll akzeptiert, ein Büßergewand über­ge­streift und die Götter um eine harte, aber gerechte Bestrafung gebeten haben. Seine Reise führte ihn zum Fuße der Bergkette Yal-Hamat, genauer gesagt zum heiligen Berg Arakut, wo sich der Boden unter seinen Füßen geöffnet und ihn verschluckt haben soll. Die Remshen betrachten diesen Ort deshalb als verflucht und vermuten am Grunde des Abgrunds ein Tor in die Niederhöllen.

Es ist unwahrscheinlich, dass diese Ereignisse jemals stattgefunden haben. Es dürfte niemals einen Remshen namens Jalk gegeben haben. Das Wort scheint vielmehr vom zwergischen „Jalx“ abgeleitet zu sein, welches schlicht „Abgrund“ bedeutet – die irrogolitische Stadt Jalkam hat dieselbe Namensherkunft. Tatsächlich deuten eine Reihe von Hinweisen an, dass die Legende von den Remshen absichtlich in Umlauf gebracht worden ist, und zwar auf An­raten des Drachenkaisers Thufir vom Djer Mussa.

Im Laufe der wechselvollen Geschichte der Region ist mehrfach das Bestreben Thufirs zu erkennen, die Bewohner von Amhas aus dem Yal Hamat-Gebirge fernzuhalten und sie damit auch von einem Vorstoß ins Dreistromland oder in die Grüne Sichel abzubringen. Die genauen Gründe für dieses Vorgehen des Drachen sind im Nebel der Geschichte verborgen. Es kamen jedoch immer wieder einmal Gerüchte auf, Thufirs Handeln sei durch Traumgesichte, Orakel, Prophezeiungen und Weissagungen motiviert. Das Yal Hamat-Gebirge sollte der gierigen Klaue von Amhas entzogen bleiben und die Heimstatt von Völkern werden, welche in der Geschichte eine gewichtige, das Gleichgewicht der Kräfte bewahrende Rolle spielen würden. Dazu zählten die Remshen selbst, die Irrogoliten, aber auch die Angurianer, die Jahrhunderte später erscheinen würden, um von einstigen Sklaven der Republik von Amhas zu einer mächtigen Nation von Kriegern aufzusteigen. In aller Heimlichkeit hielt Thufir seine schützende Klaue über diese Völkerscharen und sorgte dafür, dass sie trotz der Nachbarschaft des mächtigen Amhas überleben konnten und ihre Freiheit bewahr­ten.

Die Anführer der Remshen befolgten Thufirs Rat, die Sage vom Jalk und seinem Verrat zu verbreiten, nur allzu gerne. Sie wurden regelmäßig von Feinden bedroht, was die Not­wen­dig­keit erzeugte, den Nachwuchs frühzeitig auf ein Leben als Stammeskrieger vorzubereiten. Die Erzählung lieferte eine passable Erklärung dafür, warum die Remshen für den Kampf geboren waren, und schwor damit neue Krieger auf den Kampf und die Belange der Gemeinschaft ein. Außerdem bot sie eine Warnung an alle Kämpfer der Remshen, stets die Kampfmoral aufrechtzuerhalten und sich nicht dem Feind zu ergeben oder mit ihm zu fraternisieren. Zugleich hielt die Legende sie vom Yal-Hamat-Massiv fern. Solange die Remshen sich dort aufgehalten hatten, war das Gebirge ein beliebtes Jagdrevier amhasischer Sklavenjäger gewesen, nun jedoch, als die „Lebendrohstoffe“ aus der Region fortzogen und an reiche Beute nicht mehr zu denken war, verließen die Amhasier das Gebirge, was es nur wenig später den Irrogoliten ermöglichen sollte, friedlich und unbehelligt am Abgrund zu siedeln.

Die Phase der friedlichen Konsolidierung von Amhas endete, als 1.648 v. BF, also einige Jahrzehnte nach Pardonas Verschwinden, Randgebiete des Xhalori-Reiches von Marus angegriffen wurden. Die Herrscher von Daraxi­pos sandten ihre Truppen gen Süden, um die Marus zurückzuschlagen und die Grenzen zu sichern. Amhas sah seine Chance gekommen und marschierte unter dem verschlagenen Feld­herrn Kautanis völlig überraschend und ohne Kriegserklärung in die Stadt des Fürsten Yumbuula ein. Die überforderten Generäle von Daraxipos versuchten die Amhasier mit Zugeständnissen zu befrieden, da sie keine Verbände für einen Zwei-Fronten-Krieg abzwei­gen konnten. Aber solche diplomatischen Lösungsversuche deuteten die Angreifer zu Recht als Zeichen der Schwäche und sahen sich nur umso mehr zum Angriff ermutigt.

Bald wurde Feldherr Kautanis von Übermut gepackt. Sein Ehrgeiz verführte ihn dazu, immer weiter auf Daraxipos vorzurücken, obwohl sich abzeichnete, dass die Marus bald von den Xhalori zurück­geschlagen werden würden. Damit würden dem Feind neue Kräfte zur Verfügung stehen, die er gegen die Amhasier wenden könnte. Tatsächlich erreichte Kautanis die Hauptstadt des Gegners so spät, dass er die kompletten Truppen der Verteidiger bereits vor den Mauern der Stadt versammelt fand, sodass die Amhasier nunmehr weit unterlegen waren. 19.000 Verteidiger, rekrutiert aus den Stammeskriegern der vier östlichen Xhalori-Fürsten, fochten gegen 12.000 Aggressoren, wild entschlossen, ihre Heimat zu retten. Nur um Haaresbreite, unter hohem Blutzoll und dank der überlegenen taktischen Fähigkeiten seines Feldherrn konnte sich das Heer der Amhasier der Übermacht erweh­ren und die Streitmacht der Xhalori aufreiben. Mit dem Tode 9.000 der besten Krieger Amhas war dieser Sieg allerdings teuer erkauft und ging als „Bitterer Sieg von Daraxipos“ von 1.646 v. BF in die Chroniken von Amhas ein. Die feindliche Hauptstadt fiel, ihre Schätze wurden geplündert und ihre Mauern geschleift; die unterlegenen Xhalori wurden versklavt und erniedrigt. Zwar wurde die Stadt bald wiederaufgebaut, aber sie war nun eine Kolonie unter der Herrschaft der Amhasier.

Den Zugang zur Quelle der Träume, dem heiligen Getränk der Xhalori, war sorgsam versiegelt worden, als die Xhalori begriffen, dass ihre Stadt fallen würde, und ist bis heute nicht gefunden worden. Bald schon fanden die Xhalori andere Wege, die Traumzeit zu besuchen. Meist handelte es sich um magische Formeln, spezielle Artefakte oder andere berauschende Substanzen. In den nächsten acht Jahren zerfiel das Großreich der Xhalori endgültig. Die Stadt Tebuga konnte sich einige Jahre länger halten, musste sich aber – Ironie des Schicksals – unter die Besatzung Amhas ergeben, um einen Angriff von konkurrierenden Stämmen der Xhalori zu überstehen. Dort wandelte sich ihr Name in Teruldan.

 

Das Verschmelzen von Tulamiden und Remshen zu den Sanskitaren

Die Tulamiden des Rieslands unterhielten im ersten Jahrhundert nach ihrer Ankunft im Riesland in den Jahren zwischen 1.181 und 1.100 v. BF nur flüchtige Kontakte zu den Völkern um sie herum. Nachdem die öffentliche Ordnung des Nagah-Reichs zusammengebrochen war, mussten die Kunkomer sich die zahlreichen Banden und aggressiven Kulte der Echsenvölker vom Hals zu halten, die in dieser Zeit entstanden. Dank ihres hohen Maßes an Organisiertheit waren die Kunkomer bei der Verteidigung ihres Besitzes sehr erfolgreich, und so blieb es für eine ganze Weile bei diesem Status quo. Für einen kulturellen und wirtschaftlichen Austausch fehlte das gegenseitige Vertrauen.

Das Volk der Remshen hingegen, dessen körperliche Gestalt dem Aussehen der Kunkomer ähnelte und das auch gewisse kulturelle Gemeinsamkeiten mit ihnen aufwies, stammten doch beide von den Sumurrern ab, wurde mit Neu­gierde und Wohlwollen behandelt. Die Aventurier erkannten das nomadisch lebende Reitervolk als die womöglich einzigen Riesländer, die ihnen hinreichend ähnlich waren, um Lücken in ihren eigenen Reihen zu schließen. Die Zahl der Siedler, die aus dem aventurischen Mutterland kamen, war naturgemäß begrenzt. Das Land jedoch war weit und die Anzahl möglicher Feinde Legion.

Die Kunkomer begriffen bald, dass sie die Unter­stüt­zung der Fremdlinge brauchen würden, wenn sie Yal-Amir und weitere Siedlungen aufbauen und sich dort dauerhaft niederlassen wollten. Dafür, dass ihr Ansinnen das Volk der Remshen in eine tiefe Spaltung treiben würde, hatten sie kein oder zumindest kaum Bewusstsein. Ihre Götter hatten die Remshen gewarnt, niemals sesshaft zu werden, dies würde ein furchtbares Schicksal auf sie herabbeschwören. Das Bedürfnis, der ewigen Wanderschaft zu entfliehen, schlummerte dennoch in vielen von ihnen. Mit dem Auftauchen der Aventurier, ihrer stählernen Waffen, ihrer Zauberkunst und ihrer Kampfkraft, welche sie immer neue Siege gegen die alten echsischen Feinde der Remshen erringen ließ, schien das Risiko der Sesshaftwerdung zum ersten Mal seit vielen hundert Jahren wieder überschaubar zu sein. Die Aventurier mussten sich nur bereiterklären, ihre riesländischen Alliierten zu beschützen. So gaben eine ganze Reihe von Remshen, vor allem diejenigen, die mit Kuros gekämpft hatten oder aus Amhas geflohen waren, ihr Wanderleben auf, um fortan bei den Tulamiden zu leben und sich einen Platz in der Gesellschaft der Neuankömmlinge zu erarbeiten.

Traditionalistischer eingestellte Reiternomaden lehnten das Angebot ab. Manche waren stolz auf ihre Unabhängigkeit und nicht bereit, diese aufzugeben, andere mahnten, die Warnungen der Göttertrinität nicht zu missachten und sich keinesfalls in den verfluchten Städten der untergegangenen Hochkultur niederzulassen. Der Konflikt um die Sesshaftwerdung zerriss ganze Familien, und nicht selten waren ganze nomadisch lebende Sippen dem Untergang geweiht, weil sie zu viele Köpfe und zu viel Wissen an die Städte verloren.

Doch auch für die Remshen, die sich für das Stadtleben entschieden, brachte dieses schwerlich die erhofften Verbesserungen mit sich. In Yal-Amir genossen die Remshen keinen besonders hohen Status, sondern waren zum Großteil einfache Bauarbeiter, die schwere körperliche Arbeit leisteten. Dennoch genossen sie gewisse Bürgerrechte. So durften sie etwa an Kulthandlungen teilnehmen und eigene Geschäfte tätigen. Sprecher der Remshen gegenüber den Kun­komer war die Zauberin Sha-An.

Nach dem Bau von Yal-Amir begann Amrs ehrgeiziger Nachfolger Toba um 1142 v. BF, Eroberungspläne für Szu’Shaz, die Enklave der Marus, zu schmieden. Die Kunkomer wussten, dass sie es noch nicht riskieren konnten, die Stadt direkt anzugreifen. Also entschloss sich Toba zu einer List. Zum Schein bot er den Echsenwesen einen Friedens­schluss an. Als Zeichen des guten Willens schenkte er den herrschenden Marus eine große Menge Menschen aus dem Volk der Remshen als Sklaven. Sie alle waren eigentlich freie Bürger und hatten sich, geködert mit Versprechungen eines besseren Lebens, wenn die Feinde erst besiegt seien, freiwillig gemeldet. Tulamische Zauberkundige präparierten sie magisch, bevor sie sie zu den Marus schickten, sodass die Priester der Krokodilköpfigen ihre wahren Intentionen nicht lesen konnten. Nach einem Jahr und einem Tag sollten die “Sklaven” ihre geschuppten Herren im Schlaf ermorden und des Nachts die Tore zur Stadt öffnen.

Und so geschah es auch. Viele der vermeintlichen Sklaven hatten Erfolg, sodass die Kunkomer und Remshen ungehindert in die Stadt gelangen konnten. Andere verloren ihr Leben, als sie von den Wächtern ihrer Herren gestellt wurden. In der Summe jedoch waren so viele der Marus ermordet worden, dass der Rest von ihnen fliehen musste – die Stadt gehörte den Kunkomern. Die überlebenden Echsen siedelten an den felsigen Küsten der heutigen Sumucolbucht oder fanden in den weitläufigen Ebenen des Kap Parhami Un­ter­schlupf, wo ihre Kultur vorerst weiterexistierte und die einheimischen Parnhai als Sklaven hielt.

Immer mehr Remshen zogen im Laufe der Jahre in die eroberte Stadt. Etwa fünfzig Jahre nach der Ankunft der ersten Kunkomer übertraf die Zahl der Remshen die der Neuan­kömm­linge um etwa zehn zu eins. Nirgendwo sonst auf dem Kontinent lebten so viele Remshen auf so engem Raum zusammen, seit die Konflikte der Vergangenheit ihr Volk gespalten und dezimiert hatten. Die Prophezeiung, die Amir Sohn des Rashtul al’Sheik zu Beginn des Zeitalters getätigt hatte, begann sich zu erfüllen. Wie von Amir vorhergesagt war mit den Tula­miden jenes Volk erschienen, das es den Remshen ermöglichte, ihr ewiges Nomadenda­sein, welches das Schicksal ihnen auferlegt zu haben schien, zu überwinden. Ihr Selbstbewusstsein wuchs, nicht nur angesichts ihrer Anzahl, sondern auch in Erinnerung an ihre entbehrungsreiche Zeit in der Sklaverei und in Anerkennung ihres Mutes.

Als Geste des guten Willens gestattete der Sultan des tulamidischen Mutterlandes den Remshen, der Stadt, welche mit ihrer Hilfe erobert worden war, einen Namen zu geben. Unterhändler legten den Remshen energisch nahe, sich für diese Geste zu bedanken, indem sie die Stadt nach dem Sultan Yal-Toba nannten. Doch die Remshen entschieden anders. Sie tauften die Stadt Sha-An-Arr, in Erinnerung an ihre verehrte Sprecherin Sha-An, die wenige Monate zuvor verstorben war, und brachten damit ihr neues Selbstverständnis und den Stolz auf ihre Leistungen zum Ausdruck. Die aventurischen Diplomaten tobten und verlangten eine förmliche Entschuldigung. Diese blieb aus, und der Streit eskalierte.

Schließ­lich kam es zu einem Putsch in Sha-An-Arr. Die Verwalter des Sultans wurden von den Remshen-Führern aus der Stadt gejagt, während andere Kunkomer ihres Besitzes beraubt wurden und sich den Riesländern fügen mussten. Urhan, ein charismatischer Arbeiter, wurde vom Volk der Remshen zum Häuptling der Stadt erhoben. Die Phase des Aufstiegs war damit zunächst beendet, und die beiden jungen Siedlungen der Kunkomer fanden sich in einem Bürgerkrieg wieder, der beide Parteien für immer verändern sollte.

Der Konflikt schien Remshen und Kunkomer dauerhaft entzweit zu haben. In Wahrheit bildete er jedoch den Auftakt für jene Ereignisse, welche die beiden sumurrischstämmigen Völker zu einem einzigen verschmelzen ließen, den Sanskitaren. Bis zum Ende des Zeitalters würden sie zum bevölkerungsreichsten Menschenvolk des Kontinents nach den Uthurim und den Nordländern aufsteigen und zu jenem mit dem höchsten kulturellen und technologischen Entwicklungsstand – gerade so, wie die Göttin Marhyna und Raschtuls Auserwählter Rashtul al’Sheik es zu Beginn des Äons vereinbart hatten, um den Menschen die Dominanz über das Elfte Zeitalter zu sichern.

Die Tatsache, dass Tulamiden und Remshen mit Chalwens Volk, den Sumurrern, die gleichen Wurzeln haben, zeigt sich dafür verantwortlich, dass sich das Erscheinungsbild der Sanskitaren gegenüber ihren jeweiligen Vorfahren aus beiden Völkern nicht nennenswert verändert hat. So konnte etwa ein Salpikon Savertin Jahrhunderte später in den aventurischen Tulamidenlanden Fuß fassen, ohne dass seine riesländische bzw. sanskitarische Abkunft dort erkannt worden wäre. Auch die Kultur der Sanskitaren ist jener der aventurischen Ur-Tulamiden weitestgehend treu geblieben und hat sie um Elemente der Remschenkultur bereichert.

Auf lange Sicht spalteten sich die Sanskitaren in jene, die in tulamidischer Tradition in den Städten lebten, und in die Reiternomaden, welche den Lehren der Remshen folgten. Aus Sicht der Reiternomaden hängt das Unglück, das die Städter oft heimsucht, wie etwa die Vernichtung eines Großteils von Ribukan oder das Anheimfallen Yal-Mordai an Amazeroth damit zusammen, dass sich ihre Schwestern und Brüder von den Lehren der Göttertrinität abgewandt haben, die ihnen das Nomadendasein gebieten. Und natürlich damit, dass sie sich in den verfluchten Ruinen des untergegangenen Zweiten Marhynianischen Imperiums niedergelassen haben, zu denen auch Teruldan zählt.

 

Die Entstehung der Xhul

Im Gegensatz zur Hauptstadt wollte sich die überwiegend von Xhalori bewohnte amhasische Kolonie Daraxipos nicht der Herrschaft des Brutheus unterwerfen. Ihre Bewohner befestigten die Stadt und verweigerten dem selbsternannten König die Gefolgschaft. Brutheus musste dies zu­nächst zähneknirschend hinnehmen und seine Herrschaft zementieren. Dann jedoch sandte er seine amhasischen Truppen aus, Daraxipos zu belagern und anschließend zu erobern. Als es zur Schlacht kam, setzten die Xhalori die Kwa Ipa-uGonga – auch als Iwabot-Mata bekannt – ein. Es handelte sich um Zauberkundige, welche die Kräfte eines Bestienmeisters mit eigen­tümlicher Beschwörungsmagie verbanden, die in Zusammenhang mit ihren Traumpfaden standen. In tiefer Trance riefen sie Höhlenmalereien, Steinfiguren und Hautbilder, die Tiere darstellten, in ein geisterhaftes Sein. Die unerwarteten übernatürlichen Truppen der Xhalori rieben das Heer aus Amhas fast vollständig auf. Also sah sich Brutheus gezwungen, seine eigenen Getreuen in den Kampf zu schicken. Diesen gelang es, die Xhalori unter großen Ver­lusten zu schlagen und Daraxipos zu Fall zu bringen, doch wurde Brutheus im Verlauf der Schlacht getötet.

Während die Amhasier ihre einstige Kolonie dem Erdboden gleichmachten, zogen die überlebenden Xhalori weiter nach Osten in die Savannen und die Wüste Lath, fort aus dem Einflussbereich von Amhas. Von nun an nannten sie sich Xhul, deren eigene Sprache Uzujuma bald das Alt-Xhalori ihrer Vorfahren ablöste. Das neue Volk gründete um 50 v. BF zu Füßen der Gyoi-Berge, etwa fünf Tagesreisen von ihrem heiligsten Ort, der Höhlenoase Nanbalo mit der Bodenlosen Schlucht, entfernt, seine Stadt Xhoulajambo („Stadt der Xhoula“). Von hier aus brechen seit jeher Karawanen zur letzten Etappe Richtung des Ostreichs Kithorra auf, um von dort reich mit Seide beladen wieder zurückzukehren. Die „südliche Route“ der sogenannten Seidenstraße führt von Kurotan über Teruldan durch die Wüste hinauf ins Artachplaeau nach KhurKezKão und von dort durch unwegsames Gelände weiter nach Osten, wo sie vor der titanischen Mauer endet, die Rakshazar und Kithorra trennt. Von Xhoulajambo aus sind es noch über zwei Wochen, bis das gewaltige Bauwerk in Sicht kommt. An einer einzigen Stelle des Walls gibt es ein Tor. Hier befindet sich die verbotene Jadeburg Kintora, die einzige Verbindung Kithorras zur Außenwelt. In einem Turm der Burg, der von Kithorrianern bewohnt ist und als Handelsstation dient, können rakshazarische Felle, Metalle und Mammuton gegen kithorische Waren wie Seide, Waffen und Gewürze getauscht werden. Gold akzeptieren beide Seiten als Handelsware.

 

 

In der Gegenwart wurden die uralten Vereinbarungen zwischen Xhul und Kithorrianern zeitweilig außer Kraft gesetzt. In der Jadeburg residiert Navanur, die sich als lebende Göttin verehren lässt. Ihr zur Seite stehen die Bewohner einer Wandelnden Stadt, die der lebenden Göttin zu Ehren ihren Namen trägt – Navanur. Sie sind Reiternomaden der Steppen, die sich selbst Söhne der Steppe nennen, sich selbstbewusst als Herren des Kontinents sehen und sich dem Schutz der Göttin verschrieben haben. Das Oberhaupt der Söhne der Steppe ist Gold’an, der durch Plünderungen, Handel oder Tributzahlungen Gold anhäuft. Alle drei Jahre ruft Gold’an seine Anhänger zur Großen Pilgerfahrt nach Osten, wo vor den Augen der Göttin Rat und Gericht gehalten wird. Die Tore Kintoras werden nur für diese drei mal drei Tage geöffnet. Gold’an und die Söhne der Steppe tauschen in dieser Zeit kithorische Waren gegen das Gold, das der Anführer der Steppensöhne während der vergangenen drei Jahre beschafft hat. Im Anschluss beliefern die Bewohner der Wandelnden Stadt das gesamte Dreistromland mit kithorrianischen Waren. Da der Stadt seitens der lebenden Göttin ein uneingeschränktes Handelsmonopol eingeräumt worden ist, ist Navanur die einzige verbliebene Bezugsquelle für Waren aus dem Osten. Der Zusammenschluss der Göttin Navanur, des Kriegsherrn Gold’an und der Amhasim-Prinzessin Zera zum Triumvirat der Stadther­ren sichert ihnen die Einheit der Söhne der Steppe, Respekt und Furcht der anderen Steppen­be­woh­ner und damit die unangefochtene Vormachtstellung in der Region. Die Regierungsgewalt des Triumvirats fußt auf drei Säulen: Glaube, Furcht und Gold. Was sie nicht kaufen können, unterwerfen sie. Was sie nicht unterwerfen können, zerstören sie. Das Handelsmonopol hat sich dabei im Laufe der Jahre als erfolgreicher erwiesen als Raub, Mord und Brandschatzung. Neben den Bewohnern Xhoulajambos, die ihre alten Handelsrouten zurückhaben möchte, sind es vor allem die neunundneunzig Handelsfamilien von Teruldan, denen die Monopolstellung der Wandelnden Stadt und die von ihr erhobenen Zölle auf die Seidenstraße ein Dorn im Auge sind. Zur weiteren Entwicklung siehe das Abenteuer „Die Wandelnde Stadt“ von Raphael Brack.

Bevor die Xhul in der Wüste gesiedelt hatten, hatten ihre besonderen Gaben ihnen Macht verliehen. Selbst nach Zusammenbruch ihres Großreichs hatten Bestienmeisterschaft und Traumreisen ihnen ein gewisses Maß an Eigenständigkeit gegenüber den sie beherrschenden Amhasiern gesichert. Jetzt wurden diese Gaben zu einer Frage des Überlebens. So verwundert es auch nicht, dass sich die Xhul einer neuen Gottheit zuwandten, Janga-Rhumat, eine auf vielfältige Weise außergewöhnliche göttliche Wesenheit.

 

Kariandria

Nach ihrer Entstehung im Sechsten Zeitalter rückte die Mareth-Senke selten in den Fokus der rakshazarischen Geschichtsschreibung. Im ausgehenden Sechsten Zeitalter lag sie in der Einflusssphäre der Tharai. Im Siebten Zeitalter gehörte sie für eine Weile zum Herrschaftsgebiet der Smaranter, dann womöglich zu jenem der Heuschrecken von Yog‘omog. Im Neunten Zeitalter war sie in dessen Spätphase Teil des Ersten Reichs von Marhynia. Im Zehnten Zeitalter hatte sie zum Zweiten Marhynianischen Imperium gehört, sodass auch heute noch Ruinen und Überreste alter imperialer Städte in der Senke zu finden sind. Den überwiegenden Teil der Zeit jedoch lebten hier nur wenige Kulturschaffende. Die Region blieb den großen Tieren überlassen, die dort heute noch eine Heimstatt finden.

Dies sollte sich ändern, als Nachfahren der Xhalori, die in Daraxipos gelebt hatten, in der Zeit um Bosparans Fall am Südrand der Lath, welcher damals noch einige hundert Meilen nördlich der heutigen Grenze zwischen Wüste und Senke lag, die Stadt Kariandria gründeten. Am Fluss Terul gelegen, profitierte sie von dessen fruchtbaren Umland, das entstand, weil der Strom in jedem Jahr zweimal über die Ufer trat. Die Stadt selbst stand auf einem Fundament aus Rosengranit, einem besonderen Stein, der nur in ihrem Umland zu finden war. Auf diese Weise verhinderten die Einwohner, dass auch ihre Häuser unter Wasser gesetzt wurden. In den Wochen, in denen der Terul über die Ufer trat, lag Kariandria somit auf einer künstlichen Insel, die nur mit Booten betreten und verlassen werden konnte.

Zum ersten Tenagro, was etwa einem König entspricht, von Kariandria wurde U-Menes Ipau-Ptah, dessen Vorfahren in Daraxipos zu den Vertrauten des Herrschers gehört hatten. Seine Herrschaft währte 42 Jahre, und er ging unter dem Beinamen “der Erbauer” in die Geschichte ein. Kariandria erwuchs unter seiner Herrschaft zu einer blühenden Metropole, einer Planstadt mit einem Herrschaftsviertel, einem Viertel der Tempel und der Gelehrsamkeit, wo sich bald auch eine gewaltige Bibliothek erhob, einem Viertel für Handwerk und Handel und einem Wohnviertel. Nördlich der Stadt, am Rand der Lath, entstand mit dem Tal der Toten eine gewaltige Nekropole, eine Totenstadt, in der die Bewohner von Kariandria je nach sozialer Stellung und Wohlstand mehr oder minder prunkvolle Grabmale errichteten. Für den Durchschnittsbürger bedeutete das eine kleine Grabstatt mit einer Widmung und vielleicht einer Götterfigur, für wohlhabende Kaufleute aufwändig gestaltete Gruften oder Zissmen marhynianischer Bauart. Der Herrscher selbst ließ sich eine gewaltige Pyramide errichten, wie es die uthurischen Vorfahren der Xhul getan hatten und wie es in Ipextamaco, dem Reich der Ipexco, mit denen man sich weitläufig verwandt wähnte, üblich geworden war.

U-Menes Ipau-Ptah stieß zahlreiche weitere Stadtgründungen an, darunter Mennefer, eine Festungsstadt, die abschreckend auf Feinde aus dem Süden wirken sollte. Kariandria weckte Begehrlichkeiten unter plündernden Reiternomaden. Vor allem aber war sie den Sankitaren ein Dorn im Auge, weil diese auf dem Gebiet der Stadt die Höhle vermuteten, in der ihr Ahnherr Amir begraben lag. Sie sahen darin die widerrechtliche Aneignung einer Stätte, die ihrer Göttertrinität heilig war. Aber auch Ipexmataco richtete seinen Blick auf die neue Metropole und betrachtete sie als gefährliche Konkurrenz. Mennefer lag hinter mächtigen Dämmen, die sowohl das Flusswasser abhielten als auch die Feinde. Es beinhaltete zahlreiche Produktionsstätten, darunter für Waffen, außerdem Kasernen und Garnisonen für Bewaffnete und Kriegerschulen. Auch bildete es sich zu einem zweiten Verwaltungssitz heraus, der verlängerte Arm von Kariandria, der bis weit in die Mareth-Senke hineinreichte.

 

Argylos

Nach zwei Jahrzehnten der Herrschaft schlossen sich die Städte der Xhul zum Reich Argylos unter der Führung Kariandrias zusammen, das sich auch bis Teruldan und Xhoulajambo erstreckte. Bis zum Ende des Reiches etwa zweihundert Jahre später bildeten sich etwa zwanzig größere Xhul-Städte heraus und zahlreiche Ansiedlungen mit Dorfcharakter.

Die Religion von Argylos blieb am Konzept der Traumzeit orientiert, wobei in nahezu jeder Stadt ein anderer, nur lokal bekannter Tierhäupling die Rolle der wichtigsten Gottheit nach Janga-Rhumat einnahm. Mennefer etwa verehrte den falkengestaltigen Hor mit den Aspekten Herrschaft, Krieg, Welt, Licht und Schutz der Kinder, was eine Nähe zu Praios und Ucuri, Kor und Travia erkennen lässt sowie Parallelen zur aventurisch-horasischen Legende vom Heiligen Horas. In der Nekropole siedelte sich der Kult von Anuboron an, dem schakalköpfigen Tierhäuptling der Mumifizierung und der Totenriten. Kariandria unterstand Phat, genannt der Bildner, eine schlangengaltige Gottheit, der die Schöpfung der Welt, der Humus, das Leben, die Töpferkunst und das Handwerk zugeschrieben wurden, also Aspekte von Kha, Tsatuaria und Simia. Phat bildete mit zwei niederen Göttern eine Trinität, so wie in Praiopotal eine Neunheit von Tierhäuptlingen Verehrung fand.

Unter U-Choeps Ipau-Menos, der seinem Vater auf den Thron nachfolgte, entstand im Tal der Toten eine weitere große Pyramide, die seine Grablege werden sollte. Außerdem ließ er dort den Rhutam errichten, eine gewaltige, löwengestaltige Statue, die Janga-Rhumat repräsentiert. Unter seiner Herrschaft blühte das Reich weiter auf. Die Große Bibliothek von Kaliandria wurde zu einem lichten Hort der Gelehrsamkeit. Architektur, Malerei und Bildhauerei erreichten ein Niveau, wie man es seit dem Marhynianischen Imperium nicht mehr gekannt und gesehen hatte.

Die Herrschaft des Tenagro endete nach nur 22 Jahren, weil der König durch eine Seuche, die mit einer der Überschwemmungen in das Reich kam, entstellt durch Pockennarben, die am gesamten Körper zu finden waren, sein Leben lassen musste.

Auch sein Nachfolger U-Ramesses Ipau-Choeps erwies sich als fähiger Herrscher, der eine dritte große Pyramide im Tal der Toten erbauen ließ. Seine Regierungszeit währte vierunddreißig Jahre, und in seiner Ägide erreichte das Reich seines größte Ausdehnung. Allerdings endete mit U-Ramesses die Zeit des Friedens, da die Reiternomaden begonnen hatten, die Städte und Dörfer des in ihren Augen götterfrevlerischen Reiches zu bedrängen. Es hatte sich mehr und mehr in ihre angestammten Gebiete ausgedehnt und hielt noch immer die Grabstatt des Amir besetzt hielt, von der man nicht einmal wusste, ob sie sich wirklich in der Hauptstadt befand.

 

Mareth

 

 

Die Gründung von Mareth, der zunächst eher unscheinbaren Siedlung am Nordufer des Ngoron-Sees, welcher die Mareth-Senke ihren heutigen Namen verdankt, erfolgte 102 BF. Der neue Herrscher U-Tut Ipau-Ramesses, gerade in seinem zweiten Regierungsjahr befindlich, nahm von der neuen Gründung kaum Notiz. Diese ging auf eine eher unbedeutende Händlerfamilie zurück, die mit ihrem eigenen Kontor ihre Macht mehren wollte, jedoch bei einem der zahlreichen Angriffe der Reiternomaden vollständig ausgelöscht wurde. Mareth selbst überstand den Angriff, war nach der Vernichtung seiner Gründer allerdings ohne staatliche Ordnung, zumal es durch das Erstarken der Sanskitaren mehr und mehr vom Reich separiert wurde. Anders als die übrigen Städte von Argylos unterstand es keinem bestimmten Tierhäuptling, stattdessen wurde das Städtchen zur Keimzelle für allerhand obskure Kulte, Sekten und Wanderprediger.

Dies verstärkte sich, als 112 BF Nefertosi fiel, eine nahe Mareth gelegene Metropole, welche die kuhgestaltige Gottheit Tahori verehrt hatte, eine Muttergottheit, Göttin der Liebe, des Friedens, der Schönheit, des Tanzes, der Kunst und der Musik, also mit Aspekten von Tsa, Travia und Rahja versehen. Die Stadt wurde von den Reiternomaden niedergebrannt und geschleift, wodurch Mareth endgültig die Anbindung an Argylos verlor und zur Exklave wurde. Viele Überlebende aus Nefertosi flohen dorthin, darunter eine Vielzahl von Schriftgelehrten. Wohl wissend, dass Mareth jederzeit dasselbe Schicksal ereilen konnte wie ihre alte Heimat Nefertosi, weil es den Feinden in militärischer Hinsicht haushoch unterlegen war, verfassten sie ein Heiliges Buch, den Tahor. Die einst so friedvolle Tahori wurde darin zu einer zornigen, kriegerischen und strafenden Göttin, allmächtig und allwissend, jederzeit bereit, die Feinde Mareths in den Staub zu treten und zu zerschmettern. Die martialischen Geschichten sollten die Reiternomaden einschüchtern und aus Furcht vor dem Zorn der mächtigen Göttin davon abhalten, Mareth anzugreifen. Militärisch hätte man sie nicht stoppen können. Die allzu durchsichtige Manipulation zeigte tatsächlich Wirkung. Die Reiternomaden, gleichermaßen von tulamidischen Geschichtenerzählern und denen der Remshen geprägt, waren sehr empfänglich für mystische Erzählungen und phantasievolle Geschichten, die rasch ihrer Aberglauben zu wecken verstanden. Sie fürchteten Tahoris Zorn und machten einen weiten Bogen um Mareth.

Nachdem die Bewohner Mareths die Macht ihrer Worte erkannt hatten, mischten sich ihre Prediger unter die Feinde und säten unter ihnen Angst und Zwietracht, vor allem aber Zweifel an der Göttertrinität. Die Reiternomaden gerieten dadurch in Streit, was den Druck von den Städten von Argylos nahm.

 

Sieben Städte aus Gold

Der Mythos von den Sieben Städten aus Gold, der die Bewohner der Mareth-Senke bis in die Gegenwart hinein umtreibt, geht auf die Zeit fortschreitender Konflikte zwischen Argylos und den Reiternomaden zurück. Es heißt, das in Bedrängnis geratene Reich unter U-Tut Ipau-Ramesses habe an sieben geheimen, strategisch wichtigen Punkten prunkvolle, goldverkleidete Städte errichtet, die gleichermaßen als Militärbasis, Spionagestützpunkt und Zufluchtsstätte dienen sollten.

Niemand vermag zu sagen, ob es die sieben Städte gab oder sogar noch immer gibt. Keine von ihnen wurde je gefunden. Die meisten Bewohner der Senke gehen deshalb davon aus, dass es sich um argylosische Kriegspropaganda handelt, als Gerücht gestreut, um die Angst ihrer Gegner vor unerkannten Feinden in ihrem Rücken zu schüren. Ebenso gut könnten die Prediger aus Mareth die Legende von den Sieben Städten aus Gold in Umlauf gebracht haben.

Die Geschichten, die Städte seien real und würden noch immer existieren, wollten über die Jahrhunderte hinweg nie verstummen und ziehen noch heute Scharen von Schatzsuchern in die Tiefen der Senke oder in die angrenzenden Gebiete. Sie versuchen die sagenhaften Reichtümer zu bergen, die angeblich in den geheimen Städten angehäuft worden sind. Neben Gold sollen dies vor allem Edelsteine sein, edler Schmuck, Kunstwerke aus Glas und Kristall, Statuen aus dem seltenen und wertvollen Rosengranit und antikes Wissen, welches vor dem Verschwinden des Reichs von Argylos in Sicherheit gebracht worden sein soll. Auch die Urschrift des Tahor, dessen gegenwärtige Exemplare als verfälscht gelten, soll in einer der Sieben Städte zu finden sein.

Man mutmaßt, dass zwei der Sieben Städte durch die Lath verschlungen worden sein könnten, zwei weitere werden im Kithorra-Massiv vermutet. Bezüglich der anderen drei gibt es kaum einen Ort in der Senke, der noch nicht für wilde Theorien und Mutmaßungen herhalten musste. Sollten die Städte tatsächlich real sein, ist davon auszugehen, dass sei von mächtigen Wächtern geschützt werden, sterblichen, magischen oder dämonischen. Außerdem würde dies bedeuten, dass noch Nachfolgereiche von Argylos existieren, die versucht sein könnten, das Erbe des vergangenen Reiches einzufordern, welches die gesamte Lath und den Norden der Mareth-Senke umfasst.

 

Das Auge des Sturms

Die Kriegserfolge der Reiternomaden gegen das Reich der Xhul sollen einem mächtigen Artefakt zu verdanken sein, das sich bereits in der Hand ihrer Remshen-Vorfahren befand. Die Sanskitaren glauben, es sei erfüllt von der göttlichen Macht des Braiorag, aber in Wahrheit handelt es sich wohl eher um ein astrales als um ein karmales Konstrukt. Das sogenannte “Auge des Sturms” ermöglicht es, ins Geisterreich zu blicken, mit seinen Bewohnern zu kommunizieren und eine Verbindung mit ihnen herzustellen. Sprich, es erleichtert den Kontakt mit der Sphäre der Geister.

Das Auge wurde von den Reiternomaden über Jahrzehnte dazu eingesetzt, verehrte Ahnen als Verbündete zu gewinnen, jenseitige Macht zu beschwören oder gar die Seelen getöteter Xhul davon abzuhalten, in die Traumzeit zu gelangen und dort ewige Ruhe zu finden. Um 135 BF galt das Auge der Führungselite von Argylos als Schlüssel zu Sieg oder Niederlage.

In einer gut durchdachten Kommandoaktion gelang es den Helden des Reiches, dem Sayback, der das Artefakt im Besitz hatte, das Auge des Sturms abzujagen und es tief unter der Erde in einem uralten Labyrinth aus marhynianischen Zeiten zu verbergen, wo es sich noch heute befinden soll.

Der Sayback des Stamms der Bazeyah betrachtet sich als der legitime Erbe des Artefakts und bemüht sich gegenwärtig darum, es zu bergen. Es soll gegen die konkurrierenden Orks zum Einsatz gebracht werden.

 

Die Pyramide des U-Tut Ipau-Ramesses

 

 

Die Pyramide des U-Tut Ipau-Ramesses, nicht im Tal der Toten errichtet, sondern bei Simu Amboral, einem gewaltigen Felsentempel südlich von Kariandria, etwas abseits des Flusses Terul gelegen, ist deutlich kleiner als die seiner Vorgänger. Stattdessen hat ihr Erbauer dafür Sorge getragen, dass sie mit unzähligen Fallen, Flüchen und starker Nekromantie gegen Eindringlinge geschützt ist. Bis heute ist kaum ein Grabräuber lebend wieder herausgekommen, und wenn, dann war er verstümmelt und von Wahnsinn gezeichnet. Die wagemutigsten Schänder der Totenruhe sehen die Grablege des Tenagro, der bis zum Ende seiner Herrschaft um 150 BF rund ein Drittel des Reichsgebietes an die Feinde verlor, als ultimative Herausforderung an. Allerdings herrscht auch großer Respekt, ja sogar Ehrfurcht bis panische Angst vor dem Bauwerk und den Zaubern, die es schützen.

 

Der Untergang von Kariandria

Der Untergang Kariandrias setzte unter Königin Ju-Nofre Ipau-Tut ein, ist ihr allerdings schwerlich als Verschulden zuzurechnen. Die Lath setzte unaufhaltsam ihren Tanz fort und begrub zunächst das Tal der Toten unter sich, mit Ausnahme der drei großen Pyramiden und dem Rhutam, deren oberer Teil noch heute aus dem Sand emporragt. Danach begann sie unaufhaltsam die Hauptstadt zu verschlingen, deren verzweifelte Bewohner nach jahrzehntelangem Kampf, den sie mit allen technischen, magischen und karmalen Mitteln führten, die sie aufzubieten in der Lage waren, letztlich doch verloren.

Die Reiternomaden nutzten die Schwäche des Reiches gnadenlos aus und machten weitere Ansiedlungen dem Erdboden gleich. Mit dem Versinken der argylosischen Hauptstadt und der vermeintlichen Grabstätte des Amir im Wüstensand allerdings entfiel der Kriegsgrund zwischen den Sanskitaren und den Xhul. 179 BF gaben die Einwohner des Reiches Kariandria endgültig auf, zwei Jahre später war es fast vollständig im Sand der sich ausdehnenden Lath versunken.

Im Laufe der nächsten Jahre überrollte die Wüste weitere bedeutende Ansiedlungen der Xhul. Was von Argylos noch übrig war, zerbrach in kleinere Teilreiche, die für die Reiternomaden keine Bedrohung mehr darstellten. Die Saybacks der Reiternomaden fanden nun keinen Grund mehr, gegen ihre Nachbarn in die Schlacht zu ziehen, und widmeten sich lieber wieder den Fehden, die sie und ihre Stämme untereinander fochten.

Ju-Nofre Ipau-Tut, nominell noch immer Königin eines Reiches, das nicht länger existierte, ließ sich mit ihrem Hofstaat ausgerechnet an dem Ort nieder, wo man sie am wenigsten erwartet hätte: Im kleinen Städtchen Mareth am Ngoron-See, das damit ab 180 BF aus heiterem Himmel zum Hauptnachfolger des untergegangenen Reiches lancierte.

In der Wüste Lath waren Teruldan und Xhoula nunmehr unabhängige Stadtstaaten, die wieder eigene Herrscher einsetzten, den Untergang von Argylos ansonsten aber kaum spürten.

 

Kampf um Teruldan

 

 

Die Jahre nach der Gründung des Sanskitarischen Städtebundes ließen dem frischgebackenen Diamantenen Sultan Al’Hrastor nicht viel Zeit, sich der Erforschung des Goldenen Netzes zu widmen. Deshalb nahm sich der Rat der Schemenhaften der Sache an. Gemeinsam mit den Amazäern und den Zelothim verwendeten die Schatten die Karte, die Al’Hrastor auf seinen Reisen angefertigt hatte, als Basis und bemühten sich um einen Beweis für die Theorie, dass das ohnehin beschä­digte Goldene Netz des Rieslands zum Kollabieren gebracht werden könne und der endgültige Kollaps die Schöpfung zerstören würde. Al’Hrastor ließ sich regelmäßig über neue Forschungsergebnisse unterrichten, ohne seinen Verbündeten mitzuteilen, dass er auch an der exakt gegenteiligen Fragestellung interessiert war – ob das Kraftliniennetz repariert werden könnte.

Merclador beteiligte sich auf seine Weise an den Forschungen. Nicht nur, weil er seit über zwei­tausend Jahren mit dem Thema befasst war und den Amazeroth-Kult überhaupt erst darauf gebracht hatte, sich der Sache anzunehmen, sondern weil die Lösung des Rätsels für ihn womöglich die einzige Chance darstellte, seine Freiheit wiederzuerlangen. Wenn Al’Hrastor das Goldene Netz wiederherstellte, würde er sich wahrscheinlich soviel von Marhynas Astralkraft nutzbar machen können, dass es ihm gelingen mochte, Amazeroths Herrschaft zu brechen und an seine Stelle zu treten. Dann konnte er Merclador, der ihm geholfen hatte, so weit zu kommen, die Freiheit zurückgeben. Der Quitslinga wuselte von Forschergruppe zu Forschergruppe und sammel­te Informationen. Wie er es erwartet hatte, gönnte die eine Gruppe der anderen den Erfolg nicht. Jede Gruppierung hielt Erkenntnisse vor den anderen geheim, um ihren Wissensvorsprung zu bewahren. Merclador sorgte dafür, dass ihre selbstsüchtigen Pläne nicht aufgingen, indem er verbreitete, was die anderen nicht preisgeben wollten.

Es begann sich herauszukristallisieren, dass sich das Goldene Netz tatsächlich manipulieren ließ, in der einen wie in der anderen Richtung. Wenn man ihm astrale Kraft zuführte, konnte dies gleichermaßen zu einer Stablisierung wie zu einer Destablisierung von Madas Knochen führen, je nachdem, auf welche Weise man vorging. Die Manipulation der Kraftlinien war besonders erfolgreich, wenn sie an einem Nodix oder Nexus erfolgte. Al’Hrastor hatte die meisten von ihnen ausgekundschaftet, und wenig überraschenderweise befanden sich die bedeutendsten von ihnen dort, wo sich die größten Siedlungen, die mächtigsten Ruinen und die mysti­schen Orte des Kontinents erhoben. Teils instinktiv, teils mit voller Absicht hatten die Völker Rakshazars dort gesiedelt, wo die magischen Ströme am stärksten waren.

Hrastor fand, dass es an der Zeit sei, den Einfluss Yal-Mordais auf eine Vielzahl solcher Orte auszudehnen. Gewiss würde es den Forschern eines Tages gelingen, das Rätsel zu lösen, und dann würde es vielleicht vonnöten sein, rasch zu handeln und die Schöpfung auf Basis der Forschungsergebnisse sogleich zu zerstören. Schließlich waren die Götter neidisch und versuchten jene, die erfolgreich waren, um die Früchte ihrer Arbeit zu betrügen. Dem Namen­losen war genau das passiert, und in dieser Hinsicht hatte er das Mitgefühl von Amazeroths Dienern, obwohl diese ihn ansonsten nicht ausstehen konnten.

Al’Hrastor war sich nach wie vor unschlüssig, ob er die Zerstörung der oder die Herrschaft über die Schöpfung anstreben sollte. Hrastors Drängen, die Kontrolle über die Nodices an sich zu reißen, war dennoch vollkommen deckungsgleich mit seinen eigenen Ambitionen. Egal, ob er sich entscheiden würde, die Reparatur oder den Kollaps des Kraftliniennetzes zu verursachen, Zugriff auf eine Vielzahl von Nodices und Nexus benötigte er dafür in jedem Fall. Zugleich galt es, die Herrschaft der eifersüchtigen Götter und ihrer Kulte zu brechen, die sich ansonsten gewiss erneut in diese Angelegenheit einmischen würden, und die ging sie nicht das Geringste an.

Hrastor, Al’Hrastor und ihre vertrautesten Feldherren begannen Kriegspläne zu schmieden. Der Schlüssel zur Herrschaft über den Kontinent war Amhas, doch die mächtige amhasische Republik anzu­greifen wäre zum aktuellen Zeitpunkt einem Selbstmordkommando gleich­gekom­men. Der See­weg führte durch das tückische Schwarze Wasser innerhalb des Toten­was­sers und wurde zudem durch die mächtige Festung Amhalashal geschützt. Über Land musste man das Yal-Hamat-Gebirge queren, ein gefährlicher Weg mit zahllosen Barrieren und Unwägbarkeiten. Außerdem war Amhas viel zu mächtig, um es mit den begrenzten Ressourcen des Sultants zu Fall zu bringen. Wenn ein solches Unternehmen erfolgreich sein sollte, musste es Al’Hrastor gelingen, die Feinde von Amhas unter dem Banner Yal-Mordais zu vereinen. Die Unterwerfung der Nagah und der Ipexo schien lohnenswert zu sein. Auf ihren Territorien befand sich jeweils eine Vielzahl an Nexus, und wenn es gelang, sich ihrer Besitztümer zu bemächtigen, konnte dies weitere Kriege im Norden finanzieren.

Schließlich entschieden sich Hrastor und Al’Hrastor aber doch für einen anderen Gegner, nämlich die Xhul-Stadt Teruldan. Das einstige Tebuga, gegründet von den Xhalori, stand ähnlich wie die meisten Sanskitarenstädte auf den Ruinen einer alten Marhynianischen Stadt. Es hatte lange unter dem Schutz des alten Amhas gestanden und mit dessen Fall seine Unabhängigkeit zurück­erlangt. Gegenwärtig gehörte die Siedlung den Xhul, die dort gemeinsam mit etlichen Reiternomaden lebten, und hatte sich zu einem blühenden Handelsposten mitten in der Wüste Lath entwickelt, Anlaufpunkt für Karawanen aus dem Süden, Händler aus Kurotan, Ronthar und der Targachisteppe und für den Kithorra-Handel. Mit Teruldans Reichtümern konnte Yal-Mordai seine Finanzen entscheidend aufbessern. Außerdem lag die Stadt an einer strategisch wichtigen Position. Wer sie kontrol­lier­­te, beherrschte die Wüste Lath, und diese war wahrscheinlich der beste Weg, um Truppen von den Stadtstaaten in Richtung Amhas zu schicken.

Der Rat der Schemenhaften, die Amazäer und die Zelothim begannen, in den sanskitarischen Stadtstaaten die Stimmung gegen die Xhul und ihre Götter anzuheizen. Man bezichtigte Lath nicht zu Unrecht, eine Dämonin zu sein, auch wenn ihr dies ironischerweise von den Kulten Amazeroths zum Vorwurf gemacht wurde. Den Xhul drängte man damit den Stempel „skrupellose Dämonendiener“ auf, welche es zu bestrafen galt. Dass auch die anderen Xhul-Götter von zweifelhaftem Ruf waren, kam Al’Hrastor dabei sehr zugute. Der Fremde Krieger vermochte kaum zu kaschieren, dass sich hinter ihm der Namenlose verbarg, und Janga-Rhumat verkörperte Aspekte, wie sie Marhyna zu Eigen waren, eine Gottheit, die nicht nur unter den Sanskitaren verhasst war, und trug auch Züge der Brokthar-Gottheit Rontja. Als Al’Hrastor 734 BF den Heiligen Krieg ausrief, um das Riesland von den falschen Göttern zu befreien, folgten ihm die Sanskitaren-Städter mit Jubelgeschrei, und es gelang Yal-Mordai sogar, einige der bedeutendsten Stämme der Reiternomaden zur Neutralität zu verpflichten.

Niemand konnte ahnen, dass die Belagerung Teruldans beinahe sieben Jahre dauern würde. Erst 741 BF fiel die Wüstenmetropole. Die Sanskitaren hatten in der Wüste mit allerlei Wi­drig­kei­ten zu kämpfen. Die Hitze des Tages machte ihnen zu schaffen, und ebenso die Kälte der Nacht. Gefährliche, teilweise giftige Tiere setzten ihnen zu, und zuweilen gelang es nicht, den Nachschub an Nahrung und Wasser sicherzustellen. Die Xhul indes verschanzten sich hinter den mächtigen Mauern Teruldans, förderten Wasser mit Hilfe ihrer Pumpsysteme und ließen sich von den Donari mit Nahrung und anderen dringenden Gütern beliefern. Eine kostspielige Angelegenheit, welche sich die reiche Stadt jedoch durchaus leisten konnte, zumal sich über die limbischen Pfade sogar ein Teil des Handels aufrechterhalten ließ. Zugleich brachte Terul­dan den Sanskitaren empfindliche Verluste bei, sobald diese versuchten, die Befestigungen zu stürmen. Die Xhul kamen dabei ungeschoren davon, denn sie kämpften nicht selbst, sondern schickten den Angreifern Kreaturen entgegen, die ihre Bestienmeister ausgebildet hatten, oder Traumgestal­ten, die sie aus der Traumzeit beschworen hatten. Zelothim, denen es gelang, in die Stadt vorzudringen, wurden von einer Übermacht förmlich überrannt und getötet oder zum Rück­zug gezwungen.

Al’Hrastor, zunehmend frustriert vom schleppenden Kriegsverlauf, rief daraufhin den Ärzte­kon­gress ins Leben. Es handelte sich um eine Vereinigung von Amazäern, Zelothim, Meuchlern und anderen professionellen Giftmischern, Anatomen, Apothekern, Heilkundigen, Nekroman­ten, Priestern verschiedener Todesgötter und Rauschmittelköchen, welche den Auftrag er­hiel­ten, die Gesundheit der sanskitarischen Truppen zu befördern, etwa indem sie die Feinde des Reiches vom Leben in den Tod beförderten. Der Ärztekongress debattierte hitzig und konnte sich zunächst nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, was sich änderte, nachdem rund die Hälfte der Beteiligten, die anderen Kongressteilnehmern unerwünschte Widerworte gege­ben hatten, merkwürdigen Unfällen, Drogenmissbrauch, Lebensmittelunverträglichkeiten und allerlei Verdauungs­störungen zum Opfer gefallen war.

Die verbleibenden Kongressteilnehmer unterwarfen sich dem Willen von Sylvana Morrigan, Erzmagierin und Rektorin der Akademie der Schatten zu Ribukan, eine anerkannte Kapazität auf den Gebieten Heilung, Verwandlung und Anatomie und ebenso vertraut mit deren Schat­ten­seiten. Dank ihren skrupellosen Forschungen an Sklaven, Strafgefangenen und politischen Gegnern hatte Sylvana den menschlichen Körper genauestens erkundet und kannte beinahe jede Mög­lichkeit, ihn zunächst vom Leben in den Tod zu befördern und dann vom Tod in den Untod. Ihre Methoden waren nur von schwacher Magie erfüllt – eine Armee aus Zombies, von starker Magie zum Unleben erweckt, hätte die Gefahr eines Kritische-Essenz-Effektes geborgen. Die Rektorin arbeitete deshalb mit anderen Mitteln, starken Giften, Rauschkräutern, schwa­chen Heil- und Verwandlungszaubern. Das Ergebnis war ein Trank, welcher das Opfer vergiftete und umbrachte, seinen Körper jedoch vor Verwesung bewahrte. Dann wurde das Gehirn des Toten in etwas anderes transformiert, eine Wesenheit mit eigenem Willen, den meisten ihrer einstigen Fähigkeiten und den Erinnerungen an ihr früheres Leben, jedoch mit vollkommen unterschiedlicher Persönlichkeit, zu deren Prämissen es gehörte, weitere ihrer Art zu erschaf­fen, sich mit ihnen zusammenzuschließen und die Macht an sich zu reißen. War der Transfor­mationsprozess beendet, erwachte der Verstorbene zu unheiligem Unleben.

Natürlich hatte Morrigan kein Interesse daran, dass eine solche Seuche sich unkontrolliert ausbreitete, daher hatte sie einen Sicherheitsmechanismus ersonnen. Der Trank wurde mit ihrem Blut und Schweiß angereichert. Jeder Untote, der durch ihn entstand, erkannte Sylvana unweigerlich an ihrem Geruch und würde sich ihrem Befehl unterwerfen. Der Ärztekongress beschaffte die benötigten Zutaten und fertigte große Mengen des Gebräus.

Es oblag Merclador, die Seuche in Teruldan zu verteilen. Es gelang dem Dämon, in Gestalt eines Xhul in die Stadt zu schleichen und einige der Brunnen zu vergiften. Zum Entsetzen der Stadtbewohner verwandelten sich später dutzende von ihnen in seelenlose Geschöpfe. Diese besetzten Teile der Stadt und richteten unheimliche Brauereien ein, in denen sie einen furchtbaren Trank mixten, den sie jedem einflößten, den sie in der Finger bekamen, und der zur Folge hatte, dass auch das Opfer sich in einen grässlichen Untoten verwandelte. Jene, die sich den Zombies in den Weg stellten oder sich der Verwandlung erfolgreich widersetzten, wurden getötet und ausgeschlachtet. Augenscheinlich ergaben ihre Körper hervorragendes Roh­ma­teri­al für den Seuchentrunk. Die Bewohner der Stadt setzten sich erbittert gegen die Untoten und die Ausbreitung der Seuche zur Wehr, und womöglich hätten ihre Bemühungen Erfolg gehabt, wenn sich der Moloch Altstadt nicht einmal mehr als unkontrollierbar erwiesen hätte. Binnen einer Woche hielten die Zombies sie vollkommen unter Kontrolle und schafften es von dort aus, weitere Wasserreservoirs mit der Seuche zu infizieren.

Die Einwohner Teruldans sahen unter diesen Umständen keine Chance mehr, ihre Stadt zu retten. Sie nahmen Verhandlungen mit den Belagerern auf und erklärten ihre Kapitulation unter der Bedingung, dass die Eroberer den Aggressoren den Untoten Einhalt gebieten sollten. Noch am selben Tag rückte Al’Hrastors Feldherr Artaros Pandrigal nebst seinen Truppen in Begleitung von Sylvana Morrigan in die Stadt ein. Ihre Mission schien klar. Morrigan sollte das Kommando über die Untoten übernehmen und sie in Artaros‘ Armee überführen. Gemeinsam würden die lebenden und untoten Truppen des shahanischen Kriegers gegen den nächsten Feind des Reiches vorrücken.

Bis zum späten Abend sah es so aus, als würde der Plan reibungsfrei vonstatten gehen. Die Untoten unterwarfen sich Morrigans Willen, gehorchen ihrem Befehl und schlossen sich den Besatzern unter Feldherr Pandrigal an. Doch die Sonne ging unter, und in der Dunkelheit war die Wahrnehmung der menschlichen Besatzer beschränkt, nicht jedoch die der Zombies. Einer von ihnen, den Sylvana noch nicht ihrem Willen unterworfen hatte, schleuderte vom Dach einer Taverne einen schweren Stein auf die Magierin. Diese konnte nicht rechtzeitig ausweichen, wurde hart am Kopf getroffen und ging ohnmächtig zu Boden. Da es somit niemanden mehr gab, der die Untoten befehligen konnte, fingen diese sofort an, gegen Pandigrals Soldaten vorzugehen, die sich plötzlich in einen Kampf auf Leben und Untod verwickelt sahen.

Andere Zombies brachten Morrigans Körper an sich, zerrten ihn außer Reichweite potenzi­eller Bedrohungen und flößten der ohnmächtigen Zauberin den Trank ein. Bis zum Morgen­grauen hatte Artaros Pandrigal die Hälfte seiner Leute verloren, allerdings war es ihm auch gelungen, die Zahl der Zombies auf ein Drittel zu reduzieren. Ein Kampf bis aufs Blut, auf Messers Schneide stehend, der das Schicksal Teruldans entscheiden würde.

Beide Seiten formierten sich und rüsteten zur Schlacht, als plötzlich Sylvana Morrigan das Feld betrat. Wie zuvor unterwarfen sich die Untoten ihrem Befehl, doch nunmehr war Morrigan eine von ihnen. Der Trank hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Sylvana kannte ihren einstigen Verbündeten und wusste, dass er versuchen würde, sie und die übrigen Zombies vollständig auszulöschen, bevor ihre Zahl so groß werden würde, dass sie zu einer unkontrollierbaren Gefahr wurden. Sie befahl den Untoten, sich von Artaros nicht in die Schlacht zwingen zu lassen, und zog sich mit einigen von ihnen, die sich auf das Brauen des Tranks verstanden, in die Tiefen der Altstadt zurück. Die Zombies verbarrikadierten die Wege, verschanzten sich in den Häusern, beschossen Pandrigals Truppen von oben herab aus gedeckter Position und zwan­gen Al’Hrastors Truppen somit zu einem langwierigen und blutigen Häuserkampf, in denen sie Schritt für Schritt jedes Gebäude von den Untoten säubern mussten, um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, tiefer in die Altstadt vorzudringen. Genug Zeit für Morrigan und ihre Verbündeten, mehr von dem Trank zu brauen, weitere Brunnen zu verseuchen und somit die Reihen der Untoten wiederaufzustocken.

Dank der unterirdischen Anlagen und Pumpstationen schaffte es Sylvana, in den Rücken des Feindes zu gelangen. Auf einmal sah sich Artaros von beiden Seiten von Untoten eingekreist. Sylvana war sich im Klaren darüber, dass es ihr nichts nützen würde, Teruldan zu erobern. Sie würde die Stadt auf Dauer nicht halten können. Al’Hrastor würde erfahren, was hier geschehen war, und ein Heer nach Teruldan senden, notfalls die gesamte sanskitarische Armee. Die Donari, welche den Stadtbewohnern gegen die Belagerer beigestanden hatten, würden keine gemeinsame Sache mit Zombies machen und stattdessen die Eroberer unterstützen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Sanskitaren die Stadt stürmen und die Untoten vernichten würden.

Allerdings hatte Sylvana die Macht, hier und heute Pandrigal und allen, die unter seinem Kommando standen, den Garaus zu machen. So trat Morrigan vor und unterbreitete dem shahanischen Feldherrn ein überraschendes Angebot. Sie würde ihn und seine Leute verscho­nen, jedoch unter der Bedingung, dass er ihr und allen Untoten freies Geleit aus der Stadt gewähren würde. Alles in Artaros sträubte sich gegen ein solches Ansinnen. Wenn nur ein einziger der Untoten entkam und es schaffte, sich der Kontrolle Yal-Mordais zu entziehen, konnte er neue von seiner Art erschaffen. Schlimmer noch, wenn Sylvana entkam, die alles über den Trank und über ihre Schöpfung wusste. Unter ihrer Führung konnten die Zombies zu einer furchtbaren, alles vernichtenden Armee heranwachsen.

Doch Artaros hatte keine Wahl. Wenn er den Untoten den Abzug verweigerte, würden sie ihn und seine Männer niedermachen und Teruldan trotzdem unbehelligt verlassen. Sie würden zuvor Verluste erleiden und sie würden Zeit verlieren, um Abstand zwischen sich und Al’Hrastors Truppen zu bringen, aber nicht in hinreichend großem Maße, um den Tod von Pandrigals gesamter Armee zu rechtfertigen. Zähneknirschend willigte Artaros ein, und so zog Sylvana Morrigan mit einer Armee von über eintausend untoten Xhul in die Lath hinaus.

Eiligst ordnete Artaros an, die Stadt zu sichern, bevor die schockierten Bewohner Teruldans auf die Idee kommen konnten, einen Aufstand gegen ihre neuen Herrn anzuzetteln, die gerade eine riesige Armee von Untoten hatten entkommen lassen, welche sich in Zukunft als unbesieg­bare Bedrohung erweisen mochten.

Tatsächlich brauchte Al’Hrastors Nachschub unter dem Kommando seines Generals Mort bei­na­he eine Woche, um Teruldan zu erreichen. Artaros, der in dieser Woche mehr schlecht als recht eine Revolte der Xhul verhindert hatte, wurde zur Strafe für sein Versagen einen Kopf kürzer gemacht. Mort unterstellte Pandrigals Truppen dem Befehl seines Stellvertreters Toral, stockte sie um genug Bewaffnete auf, dass die Besatzung Teruldans sichergestellt war, und setzte mit den übrigen Kriegern Sylvana nach, deren Zombies in der Wüste deutlich sichtbare Spuren hinterlassen hatten.

Doch die Spuren endeten mitten in der Lath, dort, wo es nichts anderes gab als endlosen Sand. Was immer sie getan hatte, es hatte jeden Hinweis auf ihren Verbleib ausgelöscht. Womöglich hatte sie ein Portal geöffnet oder ein Tor in den Limbus. Oder sie kannte eine Zissme tief unter dem Sand, die ihr und ihren Zombies Zuflucht gewährte. Mort durchkämmte die Wüste beinahe eine Woche lang, doch vergebens. Schließlich gingen seinen Leuten die Vorräte aus, und er musste sich unverrichteter Dinge nach Teruldan zurückziehen, wo er von Al’Hrastor höchstpersönlich, der erschienen war, um seinen neuen Besitz zu begutachten, zur Strafe für sein Versagen Amazth geopfert wurde.

Mit den Einwohnern der Wüstenmetropole indes verfuhr Al’Hrastor unerwartet milde. Nur die Führungselite der Xhul wurde hingerichtet. Die übrigen Einwohner der Stadt wurden verschont und behielten sogar einen Großteil ihrer Freiheit, mussten sich aber der Herrschaft der Sanskitaren unterwerfen. Von denen siedelte Al‘Hrastor zusätzlich zu den Reiternomaden zigtausende in Teruldan an, sodass diese bald die Bevölkerungsmehrheit stellten und die Stadtgeschicke ebenso kontrollierten wie den Handel. Mit den zusätzlichen Einnahmen konnte der Hexersultan weitere Feldzüge planen, ganz so, wie er es von vornherein vorgehabt hatte.

Da Al’Hrastor annahm, dass die teruldanischen Händler weite Teile Rakshazars bereist hatten, unterzog er einen nach dem anderen einem regelrechten Verhör, bei dem er versuchte, die Position der verschwundenen Stadt Namakari ausfindig zu machen, von der sich Suliman wahre Unsterblichkeit erhoffte. Doch auch die Teruldaner wussten nicht zu sagen, wo die halbmythische Metropole zu finden sei.

Von Morrigan und ihren Zombies war zehn Jahre lang nichts zu sehen und nichts zu hören, dann jedoch breitete sich im Umland von Kurotan eine seltsame Seuche aus, der nach und nach die Einwohner von mehr als zwei Dutzend Dörfern zum Opfer fielen, die daraufhin spurlos verschwanden. Im Kurotanischen und in der Targachi halten sich seither hartnäckige Gerüchte über eine mächtige Stadt namens Duratron im Artachmassiv, wohl eine einstige marhynia­ni­sche Siedlung, gut versteckt in einer unzugänglichen Schlucht, bevölkert von tausenden von Untoten. Die Zombies, die sich selbst „Die Plage“ nennen, sollen einer Banshee-Königin mit großer Zauber­macht gehorchen, welche auf den Namen Sylvana Schattental hört. Die Plage, deren Zombies sich aus Xhul und anderen Menschen, Brokthar und verschiedenen Orks rekrutiert, soll sich inzwischen gleichermaßen mit den Artachkâo wie mit dem Bund der Targachi arrangiert haben. Beide Seiten sollen eingewilligt haben, einander nicht anzugreifen und in begrenztem Umfang Handel miteinander zu treiben. Es heißt, das anfängliche Misstrauen der Orks gegen die Plage sei inzwischen verschwunden, obwohl der Verdacht, dass die Banshee-Königin nur auf eine Gelegenheit lauere, eines Tages das gesamte Volk der Orks mit der Seuche zu infizieren und sie in die Reihen der Zombies aufzunehmen, niemals vollständig ausgeräumt werden konnte.

Teruldan jedenfalls bekam die Untoten nie wieder zu Gesicht. Die Stadt entwickelte sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte zu einer typischen Sanskitarischen Metropole, auch wenn der Einfluss der Xhul weiterhin stark blieb. Sie übte eine derartige Sogwirkung aus, dass die bisherige Sprache der Xhul, das Uzujuma, Schritt für Schritt zu verschwinden begann. Die schwarzhäutigen Menschen uthurischer Abkunft übernahmen stattdessen das Sanskitarisch der Eroberer als eigene Zunge. Dies gilt nicht für die Xhul-Kulturen in der Mareth-Senke, die seit jeher zusammen mit ihren Reichen eigene Hochsprachen herausbilden und wieder verlieren.

 

Der Chaosharnisch

Um 940 BF zog der glücklose teruldanische Wanderschmied Makallah al Harad durch Rakshazar und hatte mit dem Problem zu kämpfen, dass ihm jedes seiner Stücke geraubt oder gestohlen wurde, sobald er es fertiggestellt hatte. Seinem Ziel, einen Ort zu finden, an dem seine Kunst geschätzt und angemessen entlohnt würde, kam er so niemals näher, konnte er doch kein Gesellenstück vorweisen, das für seine Fähigkeiten Zeugnis ablegte. Deshalb fertigte eine Rüstung, die so schrecklich und furchteinflößend wirken sollte, dass die Barbaren von weiteren Versuchen, ihn zu überfallen, Abstand nehmen würden. Doch ein Dämon bemerkte seine Arbeit, nistete sich in der Rüstung ein und half oder schadete deren Träger ganz nach seinem Belieben. Makallah hatte Glück und entkam dem Bann des Siebtsphärigen. Die Rüstung wurde ihm am Tag ihrer Fertigung gestohlen, noch bevor er eine Chance hatte, sie anzulegen.

Gelegentlich taucht der Harnisch in den Wirren der Geschichte wieder auf. Meist verschafft die Rüstung ihren Trägern schnelle Anfangserfolge, um ihnen dann eine heftige Niederlage zu bescheren. Fast jeder Träger vertraut darauf, dass die Rüstung ihm helfen wird, seine Ziele zu erreichen. Irgendwann wendet sie sich dann gegen ihn und lässt ihn verstümmelt, gefangen oder gar tot zurück. Nur wenige Träger können sich dem Drängen des Dämons entziehen. Vielen gelingt es nicht mehr, den Willen aufzubringen, sie auszuziehen. Einige Träger sind darin bereits verdurstet, verhungert oder an ihren eigenen Fäkalien zugrunde gegangen. (Siehe “Buch der Klingen”, S. 170.)

 

Das Ende des Sanskitarischen Städtebundes

Ebenfalls 990 BF eskalierte der Konflikt, der seit langem zwischen Yal-Mordai und den anderen Sanskitarischen Stadtstaaten schwelte. Die Herrschaft des Hexersultans zwang den sanskitarischen Städtebund in einen ewigen Krieg, der aber keine Erfolge einbrachte. Im Gegenteil. Die einzige Grenze, die sich verschob, war die im Norden, aber wenn sie sich bewegte, dann auf Teruldan zu, weil der Städtebund erneute Territorialverluste gegen die Feinde erlitten hatte.

Die Zelothim hatten die Stadtstaaten befallen wie eine tödliche Pestilenz, die das Leben aus ihnen heraussaugte. Überall hielten sie wichtige Positionen, Titel und Ränge und versuchten zu verhindern, dass die Städte wachsen, gedeihen oder auch nur instandgehalten werden konnten.

Der Druck, der in dem gewaltigen Hexenkessel der Sanskitarenmetropolen schwelte, hatte längst kritisches Niveau erreicht. Er wartete nur darauf, sich zu entladen, indem sich ein charismatischer Anführer fand, der den Aufstand gegen den verhassten Hexensultan und seine Schergen lostrat. Als dieser entpuppte sich Arkamin, der einer bedeutenden shahanischen Dynastie von Händlern und Seefahrern angehörte. Er hatte viele Jahre als Soldat gedient, doch nachdem die Soldzahlungen zum wiederholten Male ausgeblieben waren, hatte er sich unerlaubt von der Truppe entfernt. In den Sanskitarischen Stadtstaaten wurde er als Deserteur gesucht, so wie viele andere, denen nur die Wahl geblieben war, aus der Armee zu fliehen und anderswo für ihren Lebensunterhalt zu sorgen oder auf dem Weg zum Schlachtfeld zu verhungern, statt vom Feind erschlagen zu werden.

Arkamin blieb nie lang an einem Ort. Er reiste durch die Stadtstaaten, schwang in aller Öffentlichkeit demagogische Reden und verschwand wieder, bevor die Obrigkeit Zugriff nehmen konnte. Seine Worte fanden Gehör. Von überall her traten Unzufriedene an ihn heran und boten ihre Unterstützung an, allen voran die Soldaten, die des ewigen Krieges und der schlechten Behandlung überdrüssig waren.

Daran, dass er tatsächlich einen Aufstand anführen könnte, glaubte aber niemand, nicht einmal seine eigenen Verbündeten. Arkamin war impulsiv und voller Hass, seine Reden säten Zorn in die Seelen der Menschen, aber sie hatten nichts von einem organisierten Aufruhr oder gar einer Rebellion. Auch Arkamin selbst glaubte nicht daran, genug Sanskitaren erreichen zu können, die sich seiner Sache anschlossen.

Aber es wurden mehr und immer mehr, der Strom der Unzufriedenen wollte einfach nicht abreißen. Und dann, eines Tages, verkündete Arkamin zum Entsetzen seiner Berater, dass der Aufstand in sieben Tagen beginnen werde. Seine Anhänger sollten dies überall verbreiten und sich bereitmachen.

Wie üblich hatte Arkamin rein impulsiv gehandelt. Es gab keine Vorbereitung, keinen Plan, keine Bewaffnung, keine Organisation. Und es schien auch nicht so, als würde Arkamin Anstalten machen, die Sache wieder einzufangen. Seine Anhänger steuerten auf eine Katastrophe zu, und ihr Blut würde in Strömen fließen.

Da stürmte eine Frau namens Lily auf Arkamin zu. Sie schlug jeden zu Boden, der sie aufhalten wollte, dann schrie sie den verantwortungslosen Rädelsführer zusammen, dass man es beinahe noch in Rimtheym hören konnte. Arkamin begriff erst gar nicht, was die böse Frau von ihm wollte, bis sie ihm klarmachte, dass er tausende, vielleicht zehntausende in den Tod schicken würde, wenn er das, was er angestoßen hatte, einfach laufen ließ.

Als die Botschaft in seinen Geist gesickert war, schien es beinahe, als würde Arkamin aus einer Trance erwachen, die schon Jahre währte. Auf einmal begann er Pläne zu schmieden, und es zeigte sich, dass seine Zeit beim Militär ihn genug gelehrt hatte, um zu wissen, wie er das anstellen musste. Nach drei Tagen existierte ein kompletter Aufmarschplan, die Hälfte seiner Anhänger war bewaffnet, die Ausrüstung für die andere Hälfte unterwegs.

Der Plan sah vor, dass der Aufstand in allen Sanskitarenstädten zugleich losbrechen sollte, mit Ausnahme Yal-Mordais, das zu fest in der Hand der Amazäer war, um für eine Rebellion gewonnen werden zu können, und natürlich mit Ausnahme Ribukans, das seine Freiheit schon vor langer Zeit erstritten hatte.

Was niemand für möglich gehalten hatte, geschah. Arkamins Plan hatte Erfolg. Punkt für Punkt. Der Aufstand brach genau zur vereinbarten Stunde los, alle Städte beteiligten sich. Die Aufständischen rückten vor, wie Arkamins Plan es vorsah, und der Zorn der Menschen entlud sich mit einer Macht, dass er jeden Widerstand hinwegfegte. Wenn es denn Widerstand gab, denn oft genug traten jene, welche Al’Hrastors Leute hätten verteidigen sollen, an die Seite der Aufständischen und stürmten gemeinsam mit ihnen voran.

Al’Hrastor, der sich wie so oft zur Regeneration in seinem Sarkophag befand, wurde von den Zelothim, welche die Lage trotz massiven Einsatzes ihrer zerstörerischen Magie nicht unter Kontrolle bekamen, unsanft aus dem Schlaf gerissen. Es dauerte eine Weile, bis sein Geist in die Welt zurückfand und er begriff, was geschehen war. Dann jedoch entbrannte sein lodernder Zorn. Er hatte seit langem geglaubt, viel zu nachsichtig mit den Menschen zu sein, jetzt zeigten sie ihr wahres Gesicht und wie richtig er mit seiner Einschätzung lag.

Al’Hrastor entfesselte die Macht des Amazth und sorgte damit für entsetzlich viele Tote. Aber das hielt die Aufständischen nicht auf. Lieber sterben, als weiter von den Tyrannen im schwarzen Kapuzenmantel unterjocht zu werden. Als selbst in Yal-Mordai Tumulte losbrachen, sah sich Al’Hrastor gezwungen, den Stein der tiefsten Nacht zum Einsatz zu bringen. Doch der letzte Paktschluss, der den Stein aufgeladen hatte, lag viel zu lange zurück. Der letzte Paktierer war Zambronius gewesen, Zulipans Schüler, zur Zeit der Magierkriege, die mehr als vierhundert Jahre zurücklag.

Da erschien Hrastor und erklärte ruhig, dass es an der Zeit sei, die Entscheidung zu treffen, der sich Suliman seit beinahe vierhundert Jahren verweigerte. Sich der Macht des Herrn des verbotenen Wissens zu ergeben und ihm mit ganzer Kraft zu dienen.

Diesmal blieb Al’Hrastor keine Wahl, er musste den Pakt mit Amazeroth schließen, dem er sich so lange verschlossen hatte. Selbst Merclador konnte nichts dagegen ausrichten. Hrastor rief den Dämon herbei, unterwarf ihn seinem Willen und zwang ihn, in Amazeroths Namen jenen Kontrakt mit Al’Hrastor zu besiegeln, der die Macht des Steins der tiefsten Nacht erneuern würde.

Die beste Gelegenheit, das Paktgeschenk der Alterslosigkeit zu wählen, doch Al’Hrastor ließ sie ungenutzt verstreichen. Seine Abhängigkeit vom Sarkophagus der Ewigkeit ging inzwischen so weit, dass er nichts tun wollte, was diese gefährdete. Das Erneuerungsritual wirkte bei ihm wie eine Droge, deren Konsum er keinesfalls entsagen wollte. Zudem war er überzeugt davon, dass er Namakari, das Unlon der Legenden, alsbald finden und ihr das Geheimnis der Unsterblichkeit entreißen werde.

Stattdessen wählte Al’Hrastor andere Paktgeschenke, die seine Macht vergrößern sollten. Das Spiegelszepter des Amazth, das es Al’Hrastor ermöglichen würde, die Kritische Essenz zu manipulieren und somit auch mächtigste Zauber zu wirken, ohne selbst in Gefahr zu geraten, wechselte von Hrastor zu ihm. Das Allsehende Auge von Mhek’Thagor, ein sogenanntes ‘Rotes Auge’, das nicht die Beobachtung fremder Orte zum Ziel hatte, sondern den Kontinent nach starken Magiequellen absuchte. (Mhek’Thagor ist ein Dämon, bekannt als Auge und dritte Zunge Amazeroths. Eine spricht wahr, eine spricht falsch und Mhek’Thagor Tod. Der Dämon steht in dem Ruf, Schwarze Augen zu täuschen und in Amazeroths Sinne korrumpieren zu können.) Das Schwarze Buch Qok-Maloth, das viele Geheimnisse des Amazth enthielt und die Möglichkeiten der Zelothim-Magie signifikant erweitern würde. (Qok-Maloth, auch: Qok’Maloth, ist ein einzigartiger Dämon aus der Domäne des Amazeroth und gilt als Überbringer magischen Wissens und Wächter von Gnaph’Caor, der letzten Pforte des Wissens, der Bibliothek des verbotenen Wissens im Herzen des Spiegelpalastes des Erzdämons Amazeroth. Gnaph’Caor wird auch als eine der Hände des Vielgestaltigen Blenders bezeichnet.) Den Drachenbeinthron, ein aus dem Skelett der Drachin Samatuhl gefertigter Thron, mit dem Al’Hrastor zusätzliche Astralkraft auf sich umlenken konnte. Der Schädel mit dem Karfunkel konnte ihm zudem als eine Art Helm dienen, mit dessen Hilfe er diverse Hellsicht-Zauber wirken konnte.

Auch der Stein der tiefsten Nacht war wieder aktiv und strotzte nur so von Kraft. Al’Hrastor war bereit, sich den Aufständischen entgegenzustellen. Doch der Paktschluss hatte Zeit in Anspruch genommen. Zeit, die die Aufständischen genutzt hatten, um die Zelothim zu töten oder zu vertreiben. Die Kämpfe waren abgeflaut, vor Stunden. Yal-Mordai, Yal-Amir, Yal-Kharibet und Teruldan hatten ihren Austritt aus dem Sankitarischen Städtebund erklärt, der damit nicht mehr existierte. Und es gab niemand mehr in den vier Städten, der an Al’Hrastors Seite gegen die Rebellen hätte kämpfen können oder wollen.

Nur wenige Tage später wurde Arkamin zum Herrscher Shahanas gekrönt. Er sollte als Sultan Arkamin I. in die Geschichte des Rieslands eingehen.

 

 

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